Hessen Schleuserbande vor Gericht
08.11.2025, 16:14 Uhr
Touristenvisa, Bordelle, Rotationsprinzip: Die Anklage gegen eine bundesweite Gruppe offenbart, wie Frauen und Transsexuelle aus Thailand in Deutschland systematisch ausgebeutet wurden.
Bielefeld/Frankfurt (dpa/lhe) - Sie sind mit Touristenvisa eingereist und haben über Jahre ihre Schulden in Bordellen in Deutschland abarbeiten müssen. Vor dem Landgericht Bielefeld steht ab Dienstag (11.11.) eine Gruppe, die Frauen und Transmenschen aus Thailand gewerbs- und bandenmäßig in die Bundesrepublik geschleust haben soll.
Laut Staatsanwaltschaft war den zehn Angeklagten aus Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Rostock und Frankfurt klar, dass die Opfer keine eigenen Einnahmen haben würden und durch ihren illegalen Aufenthaltsstatus in Deutschland in Abhängigkeitsverhältnis entstehen würde.
Die Angeklagten im Alter zwischen 29 und 64 Jahren hatten dabei unterschiedliche Rollen. Zum Teil organisierten sie das Netzwerk, zum Teil waren sie Fahrer und Kuriere oder betrieben auch Bordelle.
Angefangen 2018
Laut den Ermittlungen hatte eine heute 57 Jahre alte Angeklagte aus Löhne in Ostwestfalen Anfang 2018 damit angefangen, Frauen und Transmenschen aus Thailand in Deutschland als Prostituierte arbeiten zu lassen. Im Laufe der Jahre entwickelte sich in der Bundesrepublik ein Netz aus verschiedenen Thai-Bordellen. Vor Ort gab es laut Anklage immer eine verantwortliche sogenannte Puffmutter als Betreiberin. Auch in Thailand war das Netzwerk vertreten. Dort akquirierten die Beteiligten die Opfer und besorgten die Touristenvisa.
In Deutschland mussten die Frauen und Transmenschen die Gebühren für das Schleusen nach Europa durch Prostitution abarbeiten. Bei den Einnahmen galt das sogenannte 50:50-Modell. Die Frau aus Löhne bekam die eine Hälfte, die "Puffmutter" die andere. Ausgaben für Lebensmittel und Hygieneartikel mussten die Opfer noch zusätzlich zu den Schulden abbezahlen.
Von einem zum anderen Bordell gebracht
Sobald die Einnahmen durch die Prostituierten nachließen, wurden sie in andere Bordelle gebracht. Hier setzte die Bande, zu der teilweise Familienangehörige mit Tochter und Lebensgefährten zählten, das in der Szene bekannte Rotationsprinzip ein. Bordelle gab es neben anderen Standorten auch in Hamburg, Weimar (Thüringen), Lüneburg (Niedersachsen) und Bünde (NRW).
Laut den Ermittlungsergebnissen wurden den Opfern die Pässe abgenommen. Dazu kamen fehlende Orts- und Sprachkenntnisse. Ihnen wurde jegliche Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit geraubt, so die Überzeugung der Ermittlungsbehörden. Die Situation selbst zu beenden, sei den Frauen und Transmenschen nicht möglich gewesen. Sollte der Schuldenabbau doch einmal gelingen, mussten die Opfer wöchentliche Mietzahlungen von 500 bis 600 Euro leisten.
Bis Ende April hat das Landgericht Bielefeld 29 Prozesstage angesetzt.
Quelle: dpa