Mecklenburg-Vorpommern Wer haftet für den Kranunfall 2020 im Rostocker Seehafen?
16.02.2023, 06:02 Uhr
(Foto: Thomas Häntzschel/dpa/Archivbil)
Es geht um Frachtrecht, Handelsrecht, Logistikabläufe, viel Geld und einen spektakulären Unfall im Rostocker Überseehafen. Wer trägt die Verantwortung für eine Havarie, bei der zwei riesige Kräne über Bord gingen? Ein Gericht sucht Antworten.
Rostock (dpa/mv) - Die beiden nagelneuen Kräne sollten vom Rostocker Seehafen zu einem Kunden nach Nigeria verschifft werden. Eigentlich eine Routinearbeit im Schwerlastgeschäft. Doch irgendetwas ging schief am 31. Januar 2020. Die je über 400 Tonnen schweren Liebherr-Kräne rutschen vom Schiff ins Hafenbecken. Ein Millionenschaden entstand, für den der alleinige Sach- und Schadensversicherer der Liebherr GmbH ein Rostocker Umschlagsunternehmen in Haftung nehmen will. Eine Güteverhandlung vor dem Rostocker Landgericht scheiterte.
Die Klage lautet auf 7,5 Millionen Euro Schadenersatz. Die beiden Kräne des Typs LHM 550 kosteten insgesamt 6,8 Millionen Euro und wurden auf das unter niederländischer Flagge fahrende Schwergutschiff "Jumbo Vision" verladen. Die Kräne rutschten aber bei dem Vorgang über die Schiffsreling ins Hafenbecken. Etwa sechs Wochen nach dem Unfall wurden die Kräne mit dem Schwimmkran "Hebo Lift 9" aus dem Wasser geborgen. Ein Bericht der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung nennt mehrere Gründe als wahrscheinliche Ursache der Havarie.
Zum einen waren die Stabilisierungspontons an dem Schwergutschiff bereits eingeholt worden, womit das Schiff an Stabilität verlor. Dann mussten die mit Rädern ausgestatteten LHM 550-Kräne an Bord an ihre finale Verladeposition gebracht werden. Durch das häufige Anfahren und Abbremsen auf den ausgelegten Stahlplatten stellten sich immer stärker werdende "Rollschwingungen" ein, wodurch das Schiff krängte, also in Neigung geriet. Zudem waren die Stahlplatten laut Bericht nass und teils verdreckt und ohne rutschdämmende Gummi- oder Holzauflagen.
Allerdings ging es bei dem Gütetermin nicht um die Unfalldetails, sondern um die rechtliche Einordnung und letztlich die Frage: Wer ist haftbar für den Schaden zu machen? Aus Sicht des Klägers, der Versicherung, ist es das Umschlagsunternehmen, das verantwortlich sei für gesamten Verladevorgang auch auf dem Schiff und damit für den Schaden. Zu Begründung verwies der Anwalt auf einen entsprechenden Rahmenvertrag von 2013.
Die Gegenseite argumentierte, dass für die Verladung der eigene Kran des Schiffes genutzt worden sei und die Schiffssicherheit alleinige Verantwortung der Schiffsführung sei. Zudem sei auch der relativ niedrige Vergütungssatz von 9500 Euro für die Verladearbeit ein Hinweis, dass es keine Gesamtverantwortung gegeben habe, die auch nicht in einem Einzelvertrag in Auftrag gegeben worden sei.
Beide Unternehmen arbeiten seit Jahren im Rostocker Überseehafen zusammen und tun dies auch weiterhin. Der Vorsitzende Richter der Kammer für Handelssachen klopfte bei dem Termin die Einigungsbereitschaft beider Seiten ab und nannte dabei die Stichworte Teilverantwortlichkeit und Teilausgleich. Doch sah am Donnerstag keine der Seiten eine Basis für ernsthafte Vergleichsverhandlungen. So wurden letztlich die Anträge auf Schadenersatz beziehungsweise auf Zurückweisung des Antrages gestellt, auch wenn beide Parteien grundsätzlich eine gütliche Einigung nicht ausschlossen. Am 10. Mai will die Kammer eine Entscheidung verkünden.
Quelle: dpa