Mecklenburg-VorpommernLandtagsdebatte nach Bund-Länder-Flüchtlingsgipfel

Auch nach dem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern ebbt die Diskussion um die Flüchtlingspolitik nicht ab. Die Debatte reicht von Willkommenskultur bis Abschottung und wird - auch im Schweriner Landtag - mit Vehemenz geführt.
Schwerin (dpa/mv) - Die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels von Bund und Ländern haben weder Koalition noch Opposition im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns zufriedengestellt. Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) warf der Bundesregierung mangelnde Bereitschaft zu einer dauerhaft gerechten Kostenverteilung vor.
"Es ist für mich nicht akzeptabel, dass der Bund mit uns hart diskutiert hat, ob bei steigenden Flüchtlingszahlen auch der Bund sich stärker beteiligt. Ja was denn sonst", sagte Schwesig am Donnerstag in einer emotionsgeladenen Parlamentsaussprache zu dem Thema.
Noch deutlicher äußerten Redner der Fraktionen ihre Kritik. Zum einen beklagten sie fehlende Bereitschaft, den Zustrom an Flüchtlingen wirksam zu begrenzen, zum anderen drohende Beschränkungen im Asylrecht.
Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wurden in den ersten vier Monaten dieses Jahres in Deutschland 101 981 Asylerstanträge entgegengenommen, 78 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. In Mecklenburg-Vorpommern waren es etwa 1800.
Schwesig bezifferte die Zahl der laufenden Asylverfahren im Nordosten mit 7300. Hinzu kämen 23 000 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Solch hohe Zahlen habe es im Nordosten noch nie gegeben. "Wir müssen realistisch sagen, dass die Kommunen an ihre Kapazitätsgrenzen gekommen sind", konstatierte Schwesig. Die Aufnahme von Flüchtlingen sei aber ein Gebot der Humanität.
Sie bezifferte die für 2023 erwarteten Ausgaben des Landes für Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen auf 428 Millionen Euro. Im Jahr 2020 seien es 200 Millionen, im Vorjahr 306 Millionen Euro gewesen. Von der am Mittwoch vom Bund zugesagten 1 Milliarde Euro extra erhalte Mecklenburg-Vorpommern etwa 19 Millionen. Das kompensiere die Mehrausgaben nicht.
Dennoch bleibe das Land dabei, die Ausgaben der Kommunen zu übernehmen: "Unsere Kommunen können sich darauf verlassen, dass die Kosten, die sie bei der Unterbringung haben, auch von uns erstattet werden", betonte Schwesig. Doch werde es immer schwerer, überhaupt noch Unterkünfte zu finden. Daher sei der Bund auch bei der Bereitstellung von Immobilien gefordert.
Massive Kritik an den Ergebnissen des Flüchtlingsgipfels kam von der AfD. Der Gipfel sei faktisch gescheitert, sagte der Abgeordnete Jan-Phillip Tadsen, da es nur um das Verteilen von Geld gegangen sei, die eigentlichen Probleme aber ignoriert würden. "Wir wollen Kontrolle über unsere Grenzen und dadurch die Kosten der illegalen Migration senken", sagte Tadsen. Seine Fraktion hatte dazu einen separaten Antrag eingebracht, in dem unter anderem auch die Berufung eines "Rückführungsbeauftragten" gefordert wurde.
CDU-Fraktionschef Franz-Robert Liskow forderte ebenfalls eine Begrenzung der Zuwanderung: "Das Problem ist, die Flüchtlingszahlen sind viel zu hoch", sagte er. Zudem gelinge es nicht, diejenigen abzuschieben, die kein Bleiberecht haben. Liskow sprach sich für Sach- statt Geldleistungen für Asylbewerber aus, um die Anreize zu senken. Für viele Menschen sei Deutschland ein Sehnsuchtsort: "Der deutsche Sozialstaat ist für Flüchtlinge aus Afrika und Asien attraktiv".
Kritik kam von der CDU auch am Agieren der Landesregierung. Sie stelle den Kommunen zwar Geld bereit, sei aber nicht gewillt, durch die Aufstockung der Kapazitäten in ihren Erstaufnahmeeinrichtungen den Kommunen Luft zu schaffen. "Es reicht nicht, mit dem Finger nach Berlin zu zeigen", sagte Liskow.
Steffi Pulz-Debler von der Linksfraktion bezeichnete die Bereitstellung zusätzlicher Mittel durch den Bund als Schritt in die richtige Richtung, auch wenn der Betrag nicht ausreiche. Doch übte sie scharfe Kritik an Plänen, die Einreise nach Europa zu erschweren. "Abschottung, Grenzzäune und Asylzentren an den EU-Außengrenzen können und werden Migration nicht aufhalten", sagte Pulz-Debler. Sie forderte die ernsthafte Bekämpfung der Fluchtursachen und eine von Humanität und Menschenrechten getragene Flüchtlingspolitik.
Ähnlich äußerte sich Anne Shepley von den Grünen. Mit einem verschärften Asylrecht könne nicht verhindert werden, dass Menschen vor Kriegen, vor Verfolgung und vor der Klimakatastrophe fliehen. Es gelte eine Willkommenskultur zu entwickeln und damit um die Frage: "Wie können wir Menschen mit Fluchtgeschichte in unseren Kommunen Türen für ein Leben öffnen, anstatt sie an einer Mauer an den EU-Außengrenzen abprallen zu lassen", sagte Shepley.
Viele Kommunen hätten das erkannt, benötigten aber Unterstützung, unter anderem bei der Schaffung von dauerhaften Unterkünften und bei Integrationsmaßnahmen. Rufe nach mehr Abschiebungen befeuerten hingegen eine gefährliche Scheindebatte. Die Zahl der Menschen im Land, die derzeit ausreisepflichtig sind, sei verschwindend gering.
Die Kommunen hätten die Hauptlasten zu tragen, betonte auch FDP-Fraktionschef René Domke und forderte ebenfalls mehr Hilfe vom Land. Er beklagte zudem, dass über beschleunigte Asylverfahren seit langem gesprochen werde, ohne dass sich Änderungen zeigten. Die von der FDP geforderte Einrichtung einer zentralen Koordinierungsstelle für Abschiebungen gebe es bislang nicht, obwohl andere Bundesländer damit gute Erfahrungen machten.