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ThüringenMehr Pinselohren sollen pirschen

28.12.2025, 06:01 Uhr
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Luchse gelten als vom Aussterben bedroht, ein Auswilderungsprojekt soll der Population der Waldbewohner auf die Sprünge helfen. Was das Team 2026 plant und warum die Arbeit mit den Tieren berührt.

Erfurt (dpa/th) - Die Begeisterung für seine Arbeit ist Markus Port anzuhören: "Es ist ein tolles Gefühl, wenn man die Tür aufmacht und das Tier in die Weite des Thüringer Waldes entlassen kann", beschreibt der Fachmann für Luchse beim BUND Thüringen den Moment, wenn er und sein Team ein Pinselohr zur Auswilderung in die Freiheit entlassen.

Genau solche Momente soll es auch im kommenden Jahr wieder geben: Denn dann planen die Umwelt- und Naturschutzorganisation und ihre Projektpartner wieder eine Reihe Luchse mitten in Deutschland anzusiedeln. Das Ziel: den Bestand zu stabilisieren und die Wildkatze letztlich vor einem düsteren Schicksal zu bewahren. Die Raubtiere stehen auf der Roten Liste, sie gelten in Deutschland als vom Aussterben bedroht. Auf den Pelzträger machten die Menschen lange gezielt Jagd, in Deutschland und Nachbarländern galten Luchse Mitte des 19. Jahrhunderts als ausgerottet.

Angaben zum Umfang des Luchsvorkommens in Deutschland schwanken. Der Nabu Thüringen, der die großen Katzen auch per Monitoring im Blick hat, schätzte im Sommer, dass etwa 15 ausgewachsene Luchse durch Thüringen streifen, in ganz Deutschland seien es wohl höchstens 160.

"Besorgniserregender Verlust"

Mit gezielten Ansiedlungen im Thüringer Wald sollen voneinander isolierte Vorkommensgebiete der Tiere in Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen vernetzt und ihr Genpool aufgefrischt werden. Die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung etwa hatte schon 2022 den Verlust der genetischen Vielfalt in voneinander abgetrennten Luchs-Populationen in Deutschland als besorgniserregend beklagt.

Um dagegen vorzugehen, sollen auch im kommenden Jahr unter anderem in Rumänien gefangene Luchse nach Thüringen umgesiedelt werden. Daneben sollen speziell ausgewählte Vertreter der großen Katzen aus Nachzucht-Programmen dort ausgewildert werden. "Gerade, wenn es ein Tier ist, dass im Gehege geboren wurde und dann in die Freiheit entlasse werden, ist das besonders", berichtet Port.

Kein Luchsweibchen mit Nachwuchs fangen

Auf eine genaue Zahl an Auswilderungen für 2026 möchte sich Port nicht festlegen. Gerade bei den Wildfängen sei nicht immer klar, ob diese innerhalb des kleinen Zeitfensters gelingen, in dem es vertretbar sei, die Tiere aus der freien Natur zu nehmen. "Nicht dass ein Luchsweibchen erwischt wird, das gerade Junge hat", betont Port. "Wir sind insgesamt auf einem guten Weg."

Seit Beginn 2024 wurden laut BUND Thüringen sechs Luchse im Thüringer Wald ausgewildert. Hinweise auf Nachwuchs und Nachweise durch Aufnahmen aus Fotofallen belegten, dass der streng geschützte Lynx lynx – so der Name in der Fachwelt – in Thüringen zunehmend Fuß fasse. Bis zum Projektende 2027 sollen insgesamt bis zu 20 Luchse ausgewildert werden. Port hofft auf eine Projektverlängerung, auch um die Entwicklung weiterhin mit Monitoring etwa der GPS-Sender in den Halsbändern der Tiere im Blick zu behalten.

Probleme: Erkrankungen, zu wenig Scheu

Es habe aber auch Rückschläge gegeben, so Port. So sei in der Vergangenheit bei einem Wildfang eine Erkrankung festgestellt worden, weshalb er nicht angesiedelt werden konnte. Ein Weibchen aus einer Gehegenachzucht habe sich als nicht scheu genug erwiesen, sodass eine Auswilderung in diesem Fall nicht vertretbar gewesen wäre. "Wir wählen die Tiere wirklich sehr genau aus", betont Port.

Auch wenn er nicht zu den vom Team angesiedelten Luchsen gehörte, gilt zudem der Verlust eines vermutlich aus Bayern zugewanderten männlichem Tiers als besonders bitter: Der auf "Baron" getaufte Kuder war in Thüringen stark abgemagert entdeckt, aufgepäppelt und in Freiheit entlassen worden.

Trauriges Ende nach zweiter Chance

Wenige Wochen später wurde er tot neben Bahngleisen entdeckt, nachdem ihn zuvor vermutlich ein Zug erfasst und verletzt hatte. "Der Verlust eines Luchses ist immer ein trauriger Moment", hatte Port damals gesagt. Barons Fall sei aber besonders tragisch gewesen, weil er vielen Menschen ans Herz gewachsen sei. "Alle Beteiligten waren froh, dem jungen Luchs eine zweite Chance auf ein Leben in Freiheit geben zu können."

Barons Schicksal zeigt zudem eine andere große Bedrohung für die Pinselohren auf: Begegnungen mit Zügen und Autos können für die Tiere tödlich sein, gleichzeitig zerschneiden Straßen- und Schienenwege aber ihren Lebensraum und erschweren den Tieren den Weg zueinander und damit zu weiterem Nachwuchs. Dem könne etwa mit vermindertem Wegebau in Luchsgebieten und Grünbrücken begegnet werden, empfiehlt etwa das Bundesamt für Naturschutz.

Quelle: dpa

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