Nichts Besonderes mehr Weltreisen haben Glanz verloren
01.09.2011, 07:46 UhrOb Marco Polo, Alexander von Humboldt, Bruce Chatwin oder Cees Nooteboom - die Namen berühmter Weltreisender klingen nach Fernweh und Abenteuer. "Früher waren solche Reisen ja auch noch aufwendig, teuer und selten", sagt der Tourismusforscher und Leiter des Historischen Archivs für Tourismus (HAT) an der Freien Universität Berlin, Hasso Spode. Heute aber, in Zeiten des Massentourismus per Flugzeug, habe die Weltreise viel von ihrer Besonderheit verloren.
Wie entwickelte sich das Reisen?
Spode: "Zunächst war das Reisen ja nicht als Tourismus gedacht, sondern es ging um Bildung und Beziehungen. Pilger zum Beispiel, oder Handwerker auf der Walz und auch junge Adelige wurden quer durch Europa geschickt. Das ging erst im 18. Jahrhundert den Bach runter, als die Universitäten so richtig aufkamen. Dann erst entstand das Reisen zum Selbstzweck.

Ursprünglich waren Reisen nicht zum Vergnügen da, sondern erfüllten andere Zwecke. (Pilger auf dem Frankenweg)
(Foto: picture alliance / dpa-tmn)
Im späten 19. Jahrhundert gab dann das Großbürgertum den Ton an. Reisen wurde zum Statussymbol, aber natürlich hatten die Menschen auch Spaß daran. Die Touren gingen dann auch oft monatelang, natürlich waren dabei immer unglaubliche Vorbereitungen zu treffen.
In den 1870ern entstanden dann Reiseagenturen, die Weltreisen organisiert haben mit Hilfe des Telegrafen, also des Vorläufers des Internets. Die konnte man im Voraus buchen, meistens dauerten sie etwa ein Vierteljahr. Aber das konnte sich natürlich nur eine winzige Elite leisten, die genug Zeit und Geld hatte. So eine Tour kostete mindestens 10.000 Goldmark, das waren in heutigem Wert mindestens 100.000 Euro, eher mehr."
Wie sieht heute das Image der Weltreise und der Weltreisenden aus?
Spode: "Das ist dabei, entwertet zu werden. Durch das Flugzeug gehört heute ja nicht mehr viel dazu. Schon in den 70er Jahren konnte man sich relativ günstige Weltreise-Flugtickets kaufen, das haben häufig Studenten gemacht. Heute werden ja an einem großen Flughafen so viele Passagiere umgeschlagen, wie früher weltweit im Jahr geflogen sind.
Seitdem tendiert der Weltreise-Nimbus gegen Null, das ist ein großer Imageverlust. Aber natürlich ist das nach wie vor so eine Prestigesache. Rucksacktouristen wollen möglichst viel abgeklappert haben, in meiner Familie gab es früher auch so einen Spazierstock, da wurden Nägel reingeschlagen, wenn man einen Ort besucht hatte. Manche Menschen kleben sich ja dann auch so Aufkleber hinten ans Auto - das ist halt so eine Trophäensammlung, und das geht eben auch global."
Gibt es Länder, die schon immer auf dem Programm einer Weltreise standen und auch heute noch dazugehören?

Exotisches Reiseziel: Strand auf der Inselgruppe Vava'u, die zu den Tonga-Inseln im südlichen Pazifik gehören.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Spode: "Es gibt natürlich Orte, die einen besonderen Klang haben - Hawaii beispielsweise oder Bora Bora. Auch die asiatischen Großstädte - Singapur, Bangkok - sind immer häufiger auf der Liste. Segler müssen einmal um Feuerland herumgefahren sein und auch die ganz hohen Berge reizen natürlich immer. Der Rest ist Geschmackssache.
Vieles verändert sich ja auch. Durch den Aufstieg des Islamismus kann man heute beispielsweise nicht mehr so einfach den früher so beliebten Hippie-Trail machen, mit dem Auto bis nach Afghanistan. Oder durch die Wüste bis nach Timbuktu, das geht auch nicht mehr. Früher gab es ja auch noch Geheimtipps, Orte, wo niemand war. Aber wegen des Bevölkerungswachstums ist das ja alles vorbei."
Quelle: ntv.de, Christina Horsten, dpa