"My Big Fat Greek Bond" Anleihemarkt spielt verrückt
04.01.2012, 13:29 Uhr
Nicht jeder, der auf Anleihen setzt, sucht Sicherheit...
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Anleihen sind langweilig? Diese Regel hat die Finanzkrise außer Kraft gesetzt. Neuestes Objekt der Zocker: Griechenland-Anleihen mit schier unglaublichen Renditen. Andere zahlen dagegen sogar noch drauf, um ihr Geld in Dänemark oder den Niederlanden sicher zu wissen.
Investitionen in Staatsanleihen galten lange Zeit als ebenso aufregend wie die sprechende Schildkröte, die im Jahr 2008 für die deutschen Staatspapiere Werbung machte. "Günther Schild" blickte nach eigener Aussage auf mehr als 100 Jahre Erfahrung zurück. So alt müsste man auch werden, damit man mit diesen kriechenden Renditen auch etwas verdienen könne, lästerte damals die Anlegergemeinde.
Doch wie einige andere Börsenweisheiten wurde auch diese von der Finanzkrise auf den Kopf gestellt. Auf der Suche nach lukrativen Investments in diesem zinsarmen Umfeld werden immer mehr Anleger bei Staatsanleihen fündig, und zwar ausgerechnet bei den europäischen. Ausgehend von der These, dass in den kommenden zwei, drei Jahren kein weiteres Eurozonen-Land Pleite gehen wird, empfahlen mehrere Börsenprofis und Anlageexperten vor dem Jahreswechsel die aktuell hoch rentierenden Staatsanleihen, etwa aus Spanien oder Italien, zum Kauf. Doch offenbar sind viele Anleger deutlich über dieses Ziel hinausgeschossen.
So coole Privatanleger
Mit Staunen verfolgen Profis derzeit, was Kleinanleger wagen: Sie stürzen sich ausgerechnet auf Griechenlandanleihen. "Die reinste Spekulation, das könnten sich Profianleger gar nicht leisten, wenn sie nicht mit Haftungsklagen überzogen werden wollen", raunen etwa Vermögensverwalter, nicht frei von Bewunderung für diese waghalsigen Transaktionen.
So meldeten Händler Mitte Dezember massive Käufe bei einer kommenden März fälligen Griechenland-Anleihe (ISIN: GR0110021236). Der Kurs kletterte innerhalb von zwei Wochen von etwa 41 auf fast 49 Prozent. Doch die bereits liebevoll "My Big Fat Greek Bond" genannte Anleihe ist nicht die einzige: Auch die bis Mai 2012 laufende Anleihe (ISIN: GR0124018525) erfreut sich wachsender Beliebtheit.
Doch was für eine Rechnung steht dahinter? Bei der 14,5 Mrd. Euro schweren März-Anleihe und einem Kurs von 49 Prozent müsste der Anleger für eine Anleihe mit einem Nennwert von 1.000 Euro lediglich 490 Euro und eine Handvoll Stückzinsen bezahlen. Läuft alles gut, erhält er am Ende volle 1.000 Euro plus Zinsen, den sogenannten Kupon von hier 4,3 Prozent. Keine schlechte Rendite. Doch noch ist nicht ausgemacht, dass sich der Anleger darauf freuen kann. Denn derzeit ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass diese Renditen nur auf dem Papier glänzen.
Hellenisches Vabanque
Wer heute eine griechische Staatsanleihe kauft, muss nämlich damit rechnen, wegen des anstehenden Schuldenschnitts von 50 Prozent nur noch die Hälfte dafür zu bekommen. Der Schuldenschnitt wurde in erster Linie für Banken und Versicherungen ausgehandelt, während für die Privatanleger theoretisch Freiwilligkeit herrscht. Doch Experten weisen darauf hin, dass die Anleihen nach griechischem Recht begeben wurden. Daher könnte Griechenland letztendlich auch bei Privatanlegern einen Schuldenschnitt erzwingen, etwa indem eine Sondersteuer in Höhe von 50 Prozent auf den Tilgungsbetrag erhoben wird.
Es ist also ein Vabanquespiel. Entweder verdoppelt der wagemutige Anleger im März seinen Einsatz. Oder die schöne Rendite geht an Griechenland. Sollte gar das schlimmste Szenario eintreten und das Land doch noch Bankrott gehen, müssten die Anleger vermutlich jahrelang auf ihr Geld warten oder es komplett abschreiben. Die Pleite Argentiniens 2001 mitsamt der damals eingefrorenen Staatsanleihen ist da ein mahnendes Beispiel.
Parken in Dänemark und Holland
Diese Aussicht auf einen möglichen Totalverlust lässt einige Anleger ins andere Extrem verfallen: Sie sind bereit, für die Sicherheit ihres Geldes noch draufzuzahlen. So platzierte Dänemark unlängst Anleihen mit Laufzeiten von drei, sechs und neun Monaten im Wert von 2,32 Mrd. dänischen Kronen (310 Mio. Euro) am Markt. Die Rendite lag bei zwei der drei Emissionen unter null Prozent: Die Anleger werden also weniger Geld zurückbekommen, als sie dem Staate Dänemark geliehen haben. Ihr Lohn: Sie können sich ganz sicher sein, ihr Geld zurückzukriegen.
Auch die Niederlande müssen ihren Gläubigern teilweise keine Zinsen zahlen. Sie brachten Geldmarktpapiere mit dreimonatiger Laufzeit zum Zins von 0,0 Prozent auf den Markt und fuhren dabei 2,99 Mrd. Euro für die Staatskasse ein. Für eine Laufzeit von ein Jahr müssen die Niederlande einen Minizins von 0,05 Prozent für 1,66 Mrd. Euro zahlen.
Die Suche nach aufregenden Renditen auf der einen und absoluter Sicherheit auf der anderen Seite wird in den kommenden Wochen und Monaten auf dem Anleihemarkt sicher noch manche seltsame Blüte treiben. Eines ist aber sicher: Anleihen sind gerade nichts für Langweiler.
Quelle: ntv.de