Wirtschaft

Brände und Straßenschlachten Athen akzeptiert Sparauflagen

Feuerwehrleute vor einem brennenden Gebäude in Athen.

Feuerwehrleute vor einem brennenden Gebäude in Athen.

(Foto: REUTERS)

Das griechische Parlament stimmt den harten Sparbedingungen von EU und IWF zu. Damit ist die Pleite des Landes vorerst abgewendet. In Athen kommt es zu schweren Ausschreitungen. Vermummte kämpfen gegen Polizisten, Dutzende Gebäude stehen in Flammen. Die Gewalt greift auch auf einige Inseln und Thessaloniki über.

Begleitet von hat das griechische Parlament die umstrittenen Sparauflagen von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds gebilligt. Damit ist der Weg frei für ein weiteres Milliarden-Hilfspaket. Die Einschnitte sehen unter anderem kräftige Lohnkürzungen im Privatsektor sowie Entlassungen von 150.000 Staatsbediensteten bis 2015 vor.

Es gab 74 Gegenstimmen von kommunistischen und linken Abgeordneten sowie zahlreichen Abweichlern aus den Reihen der Konservativen und der Sozialisten. Fünf Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Anwesend waren 278 Abgeordnete. "Damit ist das Sparpaket gebilligt", stellte Parlamentspräsident Filippos Petsalnikos fest. Nach der Abstimmung schlossen Sozialisten und Konservative mehr als 40 Abweichler aus ihren Fraktionen aus.

Die Zustimmung aus Athen ist Voraussetzung dafür, dass die EU-Finanzminister am kommenden Mittwoch ein weiteres Hilfspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro Athen bewilligen. Die griechische Übergangsregierung wird von Sozialisten und Konservativen getragen.

Dutzende Brände gelegt

Die Entscheidung des griechischen Parlaments wurde von stundenlangen Ausschreitungen im Zentrum von Athen überschattet: Aus Protest gegen die geplanten Lohnkürzungen und Massenentlassungen im Staatsapparat richteten Randalierer schwere Verwüstungen im Zentrum der Hauptstadt an. Vermummte lieferten sich bis weit in die Nacht Straßenschlachten mit der Polizei. Mindestens 80 Menschen, darunter 30 Polizisten, wurden verletzt.

Tränengas vor dem Parlament.

Tränengas vor dem Parlament.

(Foto: REUTERS)

Mindestens 45 Gebäude wurden in Brand gesteckt, viele brannten vollständig aus. Die meisten Feuer wurden nach Angaben der Feuerwehr durch Molotowcocktails verursacht. Zahlreiche Läden und Banken wurden schwer beschädigt und geplündert, dutzende Ampeln zerschlagen. Empörte Händler standen am Morgen ratlos vor den Trümmern ihrer Geschäfte.

Zivilschutzminister Christos Papoutsis sprach von "extremen Faktoren", die zu Brandstiftungen und "Vandalismus" in der Hauptstadt geführt hätten. "Wir haben enorme Schäden", sagte der Bürgermeister der griechischen Hauptstadt Giorgos Kominis. Die Hauptstraßen Panepistimiou, Stadiou, die Einkaufsstraßen Athinas und Ermou und der zentrale Syntagmaplatz vor dem Parlament sahen wie ein Trümmerfeld aus. Alle Parteien des Landes verurteilten die schweren Ausschreitungen und machten "dunkle Kreise" für das Chaos verantwortlich.

Die Feuerwehr hatte wegen der Menschenmassen auf den Straßen zudem Schwierigkeiten, zu brennenden Gebäuden zu gelangen. Im Stadtzentrum waren ein einstöckiges Haus mit einem Geschäft für hochwertigen Schmuck und ein benachbartes Kino vollständig niedergebrannt. In der Hauptstadt wurden Geschäfte geplündert.

Dem staatlichen Fernsehen zufolge griff die Gewalt auch auf die Inseln Korfu und Kreta über. Auch in Thessaloniki kam es zu Ausschreitungen. Es waren die schlimmsten Unruhen seit 2008, als Griechenland nach tödlichen Polizeischüssen auf einen 15-jährigen Schüler in wochenlangen Unruhen versank.

Vor den Ausschreitungen waren Zehntausende Griechen friedlich gegen die geplanten Einschnitte auf die Straße gegangen. Die Demonstranten kritisierten, die Griechen hätten bereits genügend Kürzungen und Steuererhöhungen hingenommen, um den Schuldenberg des Landes abzubauen.

Hitzige Debatte im Parlament

Der Abstimmung im griechischen Parlament war eine hitzige Debatte vorausgegangen, Parlamentspräsident Filippos Petsalnikos musste mehrmals einschreiten, weil einzelne Abgeordnete die Aussprache mit Schreien und Beschimpfungen störten.

Der parteilose Ministerpräsident Lucas Papademos warb vor den Abgeordneten eindringlich für die Zustimmung zum umstrittenen Sparpaket. Es sei eine "Entscheidung von historischer Bedeutung", sagte Papademos.

"Staat muss neu gegründet werden"

Papademos zeigte zugleich Verständnis für die Widerstände in der Gesellschaft gegen das Spardiktat der internationalen Geldgeber. "Die fehlende Anerkennung der Bemühungen der Griechen und die ständige Kritik einiger Partner erzeugt Empörung unter den Griechen." Der Regierungschef kündigte ein neues Steuersystem an. "Der ganze Staat soll neu gegründet werden."

Der kommunistische Abgeordnete Giorgos Mavrikos wirft mit dem kompletten Gesetzentwurf.

Der kommunistische Abgeordnete Giorgos Mavrikos wirft mit dem kompletten Gesetzentwurf.

(Foto: dpa)

Sozialisten-Chef Giorgos Papandreou rief zu einer Abkehr vom Schuldenmachen auf. "Wir können nicht mehr einen Klientelstaat haben. Wir müssen uns davon befreien", rief der frühere Regierungschef.

Auch der Parteichef der Konservativen, Antonis Samaras, warb eindringlich für eine Zustimmung. "Uns bleibt nichts anderes übrig, als dem Sparprogramm zuzustimmen. Wir werden dann versuchen, die Glaubwürdigkeit unseres Landes zurückzugewinnen."

Schäuble will Taten sehen

Griechenlands Zustimmung zu dem Sparpaket macht nach den Worten des Unions-Finanzexperten Hans Michelbach allerdings noch nicht den Weg zu weiteren Milliardenhilfen frei. Das Abstimmungsergebnis löse keinen Automatismus zur Freigabe des zweiten Hilfspaketes aus, erklärte der CSU-Politiker nach der Entscheidung in Athen. Nun müsse der Beitrag der privaten Gläubiger zügig unter Dach und Fach gebracht werden. Außerdem fehlten weitere Reformpläne für Verwaltung und Wirtschaft sowie ein Fahrplan für die umfassende Privatisierung des Staatsbesitzes. Notwendig sei auch, die Umsetzung der Auflagen effektiv zu überwachen.      

Finanzminister Wolfgang Schäuble zufolge will Deutschland nur noch helfen, wenn Athen Sparpakete nicht nur beschließt, sondern auch in die Tat umsetzt. "Deswegen reichen uns jetzt die Versprechen von Griechenland nicht mehr", sagte der CDU-Politiker der "Welt am Sonntag". Das Land dürfe nicht zu einem Fass ohne Boden werden: "Deswegen müssen die Griechen endlich den Boden einziehen. Dann können wir auch etwas reintun." Bisher ist Deutschland mit 15 Milliarden Euro an der Stabilisierung des Landes beteiligt.

Der Vizekanzler und Wirtschaftsminister Philipp Rösler forderte in der ARD, Griechenland müsse Vereinbartes auch umsetzen. "Erst wenn das passiert, erst dann kann es neue Hilfen geben und darauf ist Griechenland ja dringend angewiesen", so der FDP-Chef.

In Deutschland sind nur noch 27 Prozent der Menschen überzeigt, die Griechen bemühten sich ernsthaft, die im Gegenzug vereinbarten Sparmaßnahmen umzusetzen. CSU-Chef Horst Seehofer regte Volksabstimmungen über deutsche Hilfen für die Währungsunion an. Der US-Multimilliardär und Spekulant George Soros warf Kanzlerin Angela Merkel vor, sie wiederhole die Fehler, die Amerika 1929 in die große Depression gestürzt hätten. Die Konjunktur in den Krisenstaaten müsse mit Finanzspritzen belebt werden, anstatt die Regierungen zum Sparen zu zwingen, sagte er dem "Spiegel".

Finanzminister treffen sich am Mittwoch

Die Euro-Finanzminister wollen sich an diesem Mittwoch erneut treffen, um das zweite, 130 Milliarden Euro umfassende Hilfspaket für Griechenland zu bestätigen. Es umfasst neue öffentliche Hilfen von 100 Milliarden Euro, dazu kommen 30 Milliarden Euro zusätzliche Garantien zur Absicherung des geplanten Schuldenschnitts. Dieser soll die griechische Schuldenlast um rund 100 Milliarden Euro verringern.

Das hoch verschuldete Griechenland hängt seit 2010 am internationalen Finanztropf. Die damals zugesagten Hilfskredite im Umfang von 110 Milliarden Euro reichen aber längst nicht mehr aus. Damals handelte es sich um bilaterale Vereinbarungen, das zweite Hilfspaket soll vom Euro-Rettungsfonds EFSF kommen.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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