

2011 wird Europa zur großen Bühne für ein Schuldendrama ungeahnten Ausmaßes. Die horrenden Staatsschulden der Euroländer erschüttern die Währungsunion in ihren Grundfesten. Das Drama entwickelt über das Jahr eine gefährliche Eigendynamik ...
... mit unvorhersehbaren Wendungen. Es bringt immer neue Akte hervor. Euroland droht in seinen schlimmsten Momenten schlicht abzusaufen. Die Währungsunion wird hart auf die Probe gestellt. Hauptakteure dieses Dramas sind ...
... die unermüdlichen Euro-Retter, die zu den Baustellen Europas eilen, um das Schlimmste, das Auseinanderbrechen der Währungsunion, zu verhindern.
Zeit ist für die Euro-Retter Mangelware. Euroland hat nicht nur kein Geld mehr, die Zeit rennt davon. (Im Bild: Poul Thomson, Leiter der IWF-Delegation für Athen)
Die Schuldenkrise gibt den Rhythmus vor, meist von einem Gipfel zum nächsten. Auf der großen Bühne Europas ist nicht nur ...
... Bundeskanzlerin Angela Merkel voll eingetaktet. (Hier bei der Regierungserklärung zu den Ergebnissen des Europäischen Rates am 8. und 9. Dezember)
Sie, ...
... IWF-Chefin Christine Lagarde, ...
... Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy, ...
... EU-Kommissionspräsident José Manuel Durão Barroso, ...
... Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker, ...
... oder auch der Leiter der IWF-Mission in Athen, Poul Thomsen. Sie sind die Stars auf der europäischen Bühne. Auf sie sind die Scheinwerfer gerichtet.
Sie haben sich auf die Fahne geschrieben, die Trümmer Eurolands zusammenzukehren. Dabei spielen sie und spielen doch nicht. Die Lage ist ernst. Aber sie treten auf und ...
... gehen wieder ab von der großen Bühne und lassen die Zuschauer unzufrieden zurück. Auf schnelle Lösungen im Schuldendrama wartet die Welt vergebens. Die Handlung zieht sich zäh dahin wie ein Kaugummi.
Eine schmerzliche Erfahrung in diesem Jahr: Die Mühlen der europäischen Bürokratie mahlen langsam. (Im Bild: Athena, die Göttin der Weisheit, der Strategie und des Kampfes in Athen)
Veränderungen brauchen mehr Zeit, als erlaubt ist. Nur die Krise schreitet voran, ...
... nicht aber ihre Lösungen. Es gibt ...
... Rücktritte in Serie, Kurseinbrüche an den Börsen. Von Monat zu Monat wächst die Angst vor unberechenbaren Staatspleiten und ...
... vernichtenden Urteilen der Ratingagenturen. (Im Bild: Poul Thomsen im Mai in Portugal)
Die voranschreitende Krise macht eines klar: Beim Gemeinschaftsprojekt Euro-Währung hängt alles untrennbar mit allem zusammen.
Die deutsche Konjunktur mit den französischen Banken, mit den spanischen Schulden, mit der Regierung in Griechenland. Hier die großen Themen rund um die Euro-Krise im Rückblick:
1.) DER GIPFELMARATHON: 2011 kommen fast schon im Monatstakt Regierungschefs und Finanzminister in Brüssel zusammen, um den Euro zu retten. Im Juni beschließen die EU-Finanzminister, den Rettungsschirm EFSF größer und stabiler zu machen.
Damit bis zu 440 Mrd. Euro an Krediten gezahlt werden können, müssen die Garantien der Euro-Länder auf 780 Mrd. Euro steigen. Deutschlands Anteil erhöht sich auf 211 Mrd.
Kanzlerin Merkel verteidigt das: "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa." Im September stimmt der Bundestag diesem Plan in einer dramatischen Abstimmung zu. Lange ist unklar, ob es eine Mehrheit geben wird. Am Ende kann Merkel sich über ihre Kanzlermehrheit freuen.
Doch längst wissen alle, dass der bisherige Schirm weitere Länder wie Spanien oder gar Italien nicht wird beschützen können. "Ansteckungsgefahren" werden heiß diskutiert. Das Volumen des Rettungsschirms soll deshalb gigantische Ausmaße annehmen.
Ende Oktober beschließt ein weiterer Krisengipfel mehrere Instrumente, mit denen die Schlagkraft auf eine Billion Euro erhöht werden soll. Finanzfachleute sprechen von einer "Hebelung" des Fonds.
In den Sternen steht jedoch weiter, ob sich die letzten finanzstarken Geldgeber wie China wirklich wie erhofft beteiligen werden.
Zum größten Schlag holt der letzte Krisengipfel des Jahres aus: 17 Euro-Länder plus neun weitere EU-Länder schließen Anfang Dezember einen Pakt für mehr Haushaltsdisziplin. Schuldenbremsen in den Eurostaaten und automatische Sanktionen gegen Defizitsünder werden festgeschrieben. Es ist der große Wurf des Jahres.
Eurobonds - die vielfach geforderten gemeinsamen europäischen Staatsanleihen - kommen nicht. Zumindest erst einmal. Merkel spricht von einem Durchbruch: "Wir gewinnen Glaubwürdigkeit zurück, Schritt für Schritt, und schaffen eine neue Basis des Vertrauens."
Nur einer stellt sich abseits: Großbritanniens Premier David Cameron kämpft für die Privilegien des Finanzplatzes London und sagt am Ende "No" zu einem Vertrag aller 27 und schürt so ...
... Spekulationen über einen EU-Abschied der Briten. Abseits der Gipfel-Bühnen werden informelle Verhandlungskreise immer wichtiger. Etwa die "Frankfurter Runde".
Sie wird ins Leben gerufen, als der französische Präsident Nicolas Sarkozy am 19. Oktober überraschend zu einem Treffen mit deutscher Kanzlerin, IWF-Chefin, EZB-Präsident und EU-Größen anreist. (obere Reihe l.-r.: Nicolas Sarkozy, Christine Lagarde, Angela Merkel, Jose Manuel Barroso, Herman Van Rompuy und Jean-Claude Juncker)
Merkel und Sarkozy treten immer häufiger als Tandem auf, etwa im August, als sie auf einem Sondertreffen eine "tatsächliche Wirtschaftsregierung in Europa" fordern. Dass "Merkozy" so oft voranpreschen, missfällt nicht nur kleineren Euro-Ländern, sondern auch der EU-Kommission.
Derweil verändern Buchstaben-Codes Europa. 2.) RATINGAGENTUREN: Die Bonitäts-Bewerter treiben die Politik im Jahr 2011 mit ihren Drohungen und Abstufungen vor sich her, ...
... erzwingen Krisengipfel um Krisengipfel. Das Schicksal ganzer Volkswirtschaften scheint an Codes wie ...
"AAA" oder "BB+" zu hängen, denn sie entscheiden mit darüber, ob Staaten noch zu vertretbaren Zinsen an Geld kommen. Unter einem Kurzzeit-Schock steht ...
... Frankreich am 10. November, als Standard & Poor's dem Land seine Top-Bonität "versehentlich" aberkennt. Auch angesichts solcher Pannen werfen viele den Agenturen vor, bewusst Unruhe zu verbreiten. (Bild: Skyline des Pariser Finanzdistrikts La Defense)
Die Illusion, dass Deutschlands Top-Rating unantastbar ist, zerplatzt am 5. Dezember, als S&P zu einem Rundumschlag ausholt. Die Ratingagentur setzt den Ausblick für die Kreditwürdigkeit von 14 Staaten auf "negativ" - eine rasche Abwertung ist jederzeit möglich.
Deutschland und Frankreich nehmen den Warnschuss "zur Kenntnis". Auch mit den Gipfelbeschlüssen von Anfang Dezember zeigen sich die Ratingagenturen wieder einmal unzufrieden: Nur wenige der angekündigten Maßnahmen seien neu, heißt es.
Kurzfristig lassen sich die hypernervösen Kreditmärkte nicht stabilisieren. Immerhin könnte 2012 für die letzten verbliebenen "AAA"-Staaten mit dem Verlust des Top-Ratings beginnen.
3.) GRIECHENLAND, immer wieder GRIECHENLAND: Das Land ist 2011 mehrfach so gut wie pleite. Die Hiobsbotschaft bringen die Euro-Finanzminister Ende Oktober aufs Tapet. Das geplante zweite Hilfspaket reicht nicht, Athen braucht noch mehr Geld. Eine Brüsseler Nachtsitzung bringt ...
... einen unerwarteten Durchbruch. Das bisher Undenkbare passiert. Private Geldgeber erklären sich bereit, auf 50 Prozent ihrer Forderungen zu verzichten. Athen bekommt weitere 100 Mrd. Euro öffentliche Hilfen plus Garantien von 30 Mrd. - Aber werden die Gläubiger ihr Versprechen halten?
Kurz darauf kündigt Regierungschef Giorgos Papandreou überraschend an, sein Volk über die geplanten Sparmaßnahmen abstimmen zu lassen.
Merkel und Sarkozy zitieren ihn zum Rapport - selbst ein Ende der griechischen Euro-Mitgliedschaft ist kein Tabu mehr. In den folgenden innenpolitischen Wirren verliert Papandreou sein Amt.
Griechenland führt vor Augen, wie die Krise die Falschen trifft: Während Arbeitslose und Rentner bluten müssen, hinterziehen wohlhabende Griechen schätzungsweise 13 Mrd. Euro an Steuern pro Jahr. Ihr Geld legen sie außerhalb der Eurozone an - etwa in Londoner Luxusimmobilien.
Eine Task Force unter Leitung des deutschen Finanz-Feuerwehrmanns Horst Reichenbach (l.) versucht derweil, die marode Verwaltung des Landes zu sanieren.
4.) Schlacht um die EZB-STRATEGIE: Griechenland, der Auslöser der Euro-Kettenreaktion, ist inzwischen nur noch ein Schauplatz von vielen. Weil sich auch Spanien und Italien infizieren, fällt der Europäischen Zentralbank (EZB) immer stärker die Rolle des Retters zu.
Seit Mai 2010 kauft sie Staatsanleihen von Krisenländern, nach letzten Zahlen sind es inzwischen 207 Mrd. Euro. Eine umstrittene Maßnahme, weil die EZB damit Staatsschulden über ihre Bilanz finanziert.
Bundesbank-Chef Axel Weber kann sich mit seiner Haltung im EZB-Direktorium nicht durchsetzen und tritt im Februar überraschend zurück. Spätestens mit Webers Rücktritt ist klar, dass er nicht mehr Nachfolger des scheidenden EZB-Chefs Jean-Claude Trichet werden kann.
Den Job bekommt der Italiener Mario Draghi. Ähnlich liegt der Fall von ...
... EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark, der "aus persönlichen Gründen" geht. Auch er gilt als Stabilitätswächter, der sich nicht mit den Staatsanleihenkäufen der EZB anfreunden kann.
Für die Nachfolge ist Finanzminister Wolfgang Schäubles rechte Hand vorgesehen: Staatssekretär Jörg Asmussen. Im Gegensatz zu den Deutschen in der EZB und zur Bundesregierung sehen etliche Ökonomen und Politiker jedoch die drastische Ausweitung der Anleihenkäufe durch die EZB ...
... als letzten Ausweg in der Euro-Krise: Die Rede ist vom Einsatz einer "großen Bazooka", einer Waffe mit so viel Feuerkraft, dass die Krise möglichst auf einen Schlag beendet wird.
Dies würde jedoch ein Anwerfen der Notenpresse mit großen Inflationsrisiken bedeuten - und den endgültigen Abschied von den D-Mark-Prinzipien der Bundesbank. Nicht allein die EZB als Zentralbank steht im Fokus, die gesamte Bankenbranche ...
... gerät in den Strudel der Euro-Krise. 5.) BANKEN: Anfang des Jahres hat Europa noch eine Staatsschuldenkrise. Im Laufe des Jahres produziert diese Krise aber eine weitere Krise, und zwar die Bankenkrise.
Aktien von Geldhäusern und Versicherungen geraten immer stärker unter Druck, nicht zuletzt, weil sie massenhaft südliche Staatsanleihen in den Depots halten.
Im Spätsommer ist das Misstrauen unter den Banken soweit gewachsen, dass sie sich untereinander nicht mehr unbesorgt Geld leihen. Vielmehr parken sie - trotz mickriger Zinsen - viel Geld bei der EZB. Viele erinnert das an die vorherige Bankenkrise.
IWF-Chefin Christine Lagarde malt schwarz: Dringend müssten europäische Banken rekapitalisiert werden. Kurz darauf bricht die belgisch-französische Dexia zusammen.
Am 10. Oktober wird das Pleitehaus zerschlagen. Ein 90-Milliarden-Euro-Risiko wandert in eine Bad Bank, für die Belgien, Luxemburg und Frankreich geradestehen. Ende Oktober reagiert die Politik.
Sie verpflichtet die Banken zu einem zusätzlichen Risikopuffer, einer Kernkapitalquote von neun Prozent. Demnach brauchen die führenden europäischen Banken gut 106 Mrd. Euro an frischem Kapital.
Der Stresstest von Mitte Dezember verlangt noch mehr: 31 Instituten fehlen fast 115 Mrd. Euro. Sechs deutsche Institute benötigen 13,1 Mrd. Euro, allein die Commerzbank rund 5,3 Mrd.
Wasser Marsch, Liquidität ist die Waffe der Notenbanken. Weil sich die Finanzakteure weltweit so sehr misstrauen, reagieren die weltweit wichtigsten Notenbanken am 30. November mit einer konzertierten Aktion.
Sie pumpen massenhaft Dollar-Liquidität nach Europa und lösen kurzfristig ein Kursfeuerwerk an den Aktienmärkten aus. Die Angst vor einer Bankenkrise will aber nicht verschwinden.
In Deutschland wird deshalb der Bankenrettungsfonds Soffin wiederbelebt: Er soll Banken im Notfall stützen und für Vertrauen in den Finanzsektor sorgen. Zwangs-Geldspritzen mit Staatsmitteln soll es aber nicht geben.
Der ganze große Börsenknall findet zwar nicht statt im Euro-Krisenjahr, aber 6.) Die BÖRSEN fahren Achterbahn:
Es gibt immer wieder heftige Verluste - wie am 18. August, als der Dax zeitweise in den freien Fall gerät und mit fast sechs Prozent das größte Tagesminus seit 2008 einfährt.
Doch im Herbst geht es auch wieder deutlich aufwärts - nicht zuletzt, weil sich verunsicherte Anleger aus Staatsanleihen in Aktien flüchten.
Kurz vor Jahresende steht der Dax rund 1300 Punkte schlechter als zu Beginn - eine noch verkraftbare Bilanz für ein Katastrophenjahr. Der Ausblick jedoch ist durchwachsen.
7.) ROLLENDE KÖPFE: Für viele Euro-Regierungschefs erweist sich die Krise 2011 als Karriere-Killer. 7 von 17 verlieren ihre Ämter. Dabei beginnt das Jahr mit einer guten Nachricht ...
... Estland wird 17. Euroland - die Union begrüßt einen Finanz-Musterschüler. Dann aber das politische Beben in Irland: Frustrierte Wähler lassen die seit Jahrzehnten regierende Fianna-Fail-Partei des Premiers Brian Cowen abstürzen ...
... und heben den Grundschullehrer Enda Kenny auf den Schild.
Ende März wählen die Portugiesen José Sócrates bei Neuwahlen aus dem Amt. Zuvor war dessen Sparpaket durchgefallen. Es übernimmt eine liberal-konservative Regierung ...
... unter Pedro Passos Coelho.
In der Slowakei fordert die Opposition den Kopf von Regierungschefin Iveta Radicova - als Preis für ein Ja zur Vergrößerung des Euro-Rettungsschirms EFSF. Radicova räumt am 11. Oktober ihren Platz, der Weg für die EFSF-Ausweitung ist frei.
Der unglückliche Grieche Papandreou wird 2011 zum Gesicht der Krise: Immer neue Sparschnitte verlangt er seinem Volk ab, schafft es aber nicht, die Opposition ins Boot holen. Am 9. November macht er den Weg für einen Neuanfang frei. Es übernimmt der Technokrat Lucas Papademos.
Nach zahllosen Affären und einem beispiellos zähen Kampf um sein Amt kündigt Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi am 9. November seinen Rücktritt an. Auf den Straßen kommt es zu Jubelfeiern.
Mit Mario Monti muss von nun an als ein Anti-Berlusconi die gefährlich hohen Zinsen für italienische Staatsanleihen bekämpfen und Sparpakete durchpauken - gegen massive Widerstände.
Die spanischen Wähler strafen die sozialistische Regierung Ende November wie erwartet für die Wirtschaftskrise und die verheerende Arbeitslosigkeit ab. Die Konservativen kehren an die Macht zurück. Ministerpräsident José Luis Zapatero (l. mit Nachfolger Mariano Rajoy) war schon nicht mehr angetreten.
Sensationell siegt im Euroland Slowenien ein politischer Senkrechtstarter: Zoran Jankovic, Bürgermeister der Hauptstadt Ljubljana.
Der sozialdemokratische Regierungschef Borut Pahor war bei einer Volksabstimmung über Sparmaßnahmen gescheitert.
Die Regierungen bilden sich im unter dem Druck der Schuldenkrise um, die Menschen gehen auf die Barrikaden. 8) Proteste: Wie Streiks und Zeltlager Schlagzeilen machen.
Nie zuvor äußerten in der Eurozone so viele Menschen so vehementen Protest. Mit flächendeckenden Streiks und Massendemonstrationen legen gerade die Griechen ihr Land immer wieder lahm.
Fluglotsen, Taxifahrer, Beamte - Hunderttausende machen gegen die Sparschnitte mobil, vor allem in Athen ...
... kommt es zu heftigen Zusammenstößen.
Aus den USA schwappt schließlich eine neue Protestform herüber: In der "Occupy"-Bewegung schließen sich vor allem junge, linke Protestierende zusammen. "Wir sind die 99 Prozent" und "Hört uns endlich zu" steht auf Plakaten.
"Occupy" will die Macht der Banken beschneiden, sie in die Pflicht nehmen, das Sozialsystem verbessern - aber wie?
Protestierende harren dies- und jenseits des Atlantiks teils wochenlang vor Börsen und Banken aus. Ende November wird das New Yorker Zeltlager geräumt.
Zum Jahreswechsel steht fest: Die Krise ist noch lange nicht vorbei. Im Gegenteil: Auch wenn das Wetter andere Kapriolen schlägt, ...
... man darf sich wohl warm anziehen. Unerwartete Rückschläge dürften programmiert sein. Aus der Politik gibt es derweil warme Worte zum Jahreswechsel. "Ich bin ein Optimist", ...
... sagt Van Rompuy. Der Vorsitzende der zahlreichenen Gipfel gibt sich zuversichtlich, dass aufgrund der ergriffenen Krisenmaßnahmen das "annus horribilis" eines Tages als "annus mirabilis" in die Geschichte eingehen wird. Statt "Horrorjahr" ein "Wunderjahr"? Das wäre eine wundersame Wandlung. Ob es wirklich so weit kommt, dazu wagt selbst der Belgier keine Prognose.
Ende 2011 hängt noch sehr viel buchstäblich am seidenen Faden. So ist der geschmiedete Pakt für strikte Haushaltsdisziplin - der nach Einschätzung Van Rompuys zu den Wundern des Jahres 2011 zählt - bislang nur im Grundsatz vereinbart.
Wie er vertraglich zwischen den teilnehmenden Ländern verankert wird, soll im März ausgehandelt sein. Unklar ist auch, ob ...
... das Ausscheren Großbritanniens aus dem Vorhaben die EU langfristig belastet.
Die EU steht im kommenden Jahr vor "mindestens" drei weiteren Großbaustellen: Erstens fehlt eine "glaubwürdige Strategie" für die Ankurbelung der Wirtschaft.
Zweitens gibt es noch keine Lösung für die Schwäche des europäischen Bankensystems.
Drittens birgt das angestrebte stärkere Eingreifen des IWF aufgrund anderer Regeln bei der Kreditvergabe mehr Unsicherheiten für Krisenländer als eine Unterstützung durch den Euro-Rettungsfonds.
Weitere Turbulenzen drohen zudem direkt zu Jahresbeginn, wenn Griechenland es nicht schaffen sollte, im Januar die Verhandlungen mit den Banken über einen Schuldenschnitt in Höhe von 50 Prozent abzuschließen. Dann wäre auch das bereits schon einmal gepackte und wieder aufgeschnürte zweite Hilfspaket für Athen erneut hinfällig und die Zukunft des hochverschuldeten Landes unsicherer denn je.
Zudem schwebt über der Eurozone dunkel die Drohung der Ratingagentur Standard & Poor's, die Kreditwürdigkeit der Mitgliedsländer herabzustufen.
Mindestens bis zur Jahresmitte, wenn der dauerhafte Euro-Rettungsfonds ESM in Kraft treten soll, wird auch die von der Bundesregierung ungeliebte Debatte nicht abreißen, ob nicht doch ...
... mehr Geld für eine größere "Feuerkraft" der Eurozone im Kampf gegen eine Ausbreitung der Schuldenkrise nötig ist.
In diesem Punkt blicken die Euro-Länder mit Unbehagen nach Italien. Das Land ächzt unter einem Schuldenberg von 1,9 Billionen Euro und muss sich im Verlauf des Jahres 2012 weitere 440 Milliarden leihen - und neue Kredite aufzunehmen, gelingt der Regierung in Rom seit Wochen nur noch zu horrenden Zinsen.
Bekommt die drittgrößte Volkswirtschaft der Währungsunion kein Geld mehr, könnte ein Hilfseinsatz die Kräfte der Eurozone aber überfordern.
Dann droht nicht nur ein Rückgang der Wirtschaftskraft, sondern auch ein ...
... "Systemzusammenbruch".
Dramen und große Auftritte dürften 2012 vorprogrammiert sein. (Bild: Whoopi Goldberg als Königin Elisabeth I in "Skakespeare in Love")
Wenn alle Stricke reißen, bleibt die Hoffnung auf ein Wunder. Die Lösung der Probleme "von oben", auf dass die Geschichte eine positive Schlusswende nehme. (Bild: Athena Parthenos. Kleine römische Nachbildung der antiken bronzenen Kolossalstatue des Bildhauers Phidias für den Parthnon auf der Athener Akropolis, 3. Jh. v. Chr. Archäologisches Nationalmuseum, Athen)