Schreckgespenst Protektionismus Brüderle im Reich der Mitte
07.12.2009, 09:47 UhrBundeswirtschaftsminister Brüderle warnt in Peking eindringlich vor dem "süßen Gift des Protektionismus". Am zweiten Tag seines China-Besuches plädiert der FDP-Politiker für offene Märkte und einen erfolgreichen Abschluss der Welthandelsrunde. Die Globalisierung sei eine "Riesenchance".

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle im angeregten Gespräch mit einem Werktätigen des deutschen mittelständischen Tor- und Türenherstellers Hörmann in Peking.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die deutsche Wirtschaft forderte Rainer Brüderle auf, ihre Chancen in China und Asien zu nutzen, da sich die Gewichte der Weltwirtschaft verschoben hätten. "Wenn wir unsere Spitzenposition halten und ausbauen wollen, müssen wir uns sputen", sagte Brüderle. "Man muss bei uns zu Hause noch besser erkennen, wie dramatisch sich die Welt verändert."
Das Potenzial, den Handel mit China auszubauen, sei groß. Chancen böten sich im Klima- und Umweltschutz, in der Energieeffizienz, aber auch im Ausbau des chinesischen Dienstleistungssektor, sagte der Minister vor deutschen Unternehmern. Der Präsident der deutschen Handelskammer, Richard Hausmann, nannte China "das Land mit den größten Wachstumsmöglichkeiten".
Auf dem Programm von Brüderle standen auch ein Treffen mit Vizeregierungschef Wang Qishan und Gespräche in der mächtigen Reform- und Entwicklungskommission. Er ist das erste Mitglied der neuen schwarz-gelben Bundesregierung, das seinen "Antrittsbesuch" bei der drittgrößten Volkswirtschaft macht.
"Höchste Zeit, Flagge zu zeigen"
Der Wirtschaftsminister äußerte seine "große Sorge" vor einem Rückfall in Regionalismus und bilaterale Handelsabkommen, die eine Öffnung der Märkte verhinderten. "Ich sehe die große Gefahr, dass der Protektionismus um sich greift." Mit Chinas Handelsminister Chen Deming sei er sich einig gewesen, dagegen anzukämpfen. "Beide Länder - der noch amtierende und der nächste Exportweltmeister - haben ein elementares Interesse daran, dass die Märkte offen bleiben." Brüderle räumte ein, dass es in der EU und den USA durchaus protektionistische Tendenzen gebe. "Wenn man ehrlich ist, ist keiner frei von Sünde."
Auf die Verärgerung über europäische Schutzzölle auf Schuh-Importe aus China habe er in Peking erläutert, dass diese Maßnahmen nach weiteren 15 Monaten endgültig auslaufen werden, was für eine "gewisse Entspannung" gesorgt habe. Als "diskriminierend" kritisierte die chinesische Seite auch die europäische Weigerung, China den Status als Marktwirtschaft zu gewähren, was Schutz vor Anti-Dumping-Klagen bietet. Aus Sicht von Brüderle erfüllt China die Voraussetzungen als Marktwirtschaft allerdings noch nicht.
Mit Handelsminister Chen Deming verabredete Brüderle jährliche Treffen und häufige Telefonkontakte. Seit zweieinhalb Jahren sei kein deutscher Wirtschaftsminister mehr in China gewesen. "Da ist es höchste Zeit gewesen, Flagge zu zeigen." Während seines Besuches wurden zwei Abkommen über die Lieferung von Tunnelbohrern und den Bau einer Biogasanlage im Wert von insgesamt 16 Mio. Euro unterzeichnet. Chen Deming schlug vor, einen Ökopark einzurichten, wo deutsche Unternehmen ihre Lösungen präsentieren könnten.
Deutsche Bank mit stärkerem Engagement
Die Deutsche Bank rechnet im kommenden Jahr wieder mit mehr Börsengängen in China und will ihr Geschäft ausbauen. Deutschlands größte Privatbank erwartet, dass die Regierung in Peking nach der Finanzkrise den Markt für Privatisierungen stärker öffnet.
"Wir gehen davon aus, das Potenzial für Kapitalmarkt-Transaktionen im Bereich der Börsengänge wird zunehmen. Da haben wir auch den Ehrgeiz, eine führende Rolle zu spielen", sagte Deutsche-Bank-Vorstand Jürgen Fitschen in Peking.
Auch will die Deutsche Bank verstärkt um chinesische Investoren werben. Fitschen erwartet, dass chinesische Unternehmen ihre Kapitalkraft nutzen werden, um im Ausland zu investieren. "Und da wollen wir gerne mit dem Knowhow von Europa auch ihr präferierter Bankpartner sein."
Staat reguliert noch kräftig
Im laufenden Jahr habe die Deutsche Bank ihre Basis in China verbreitert. Ein Antrag zur Eröffnung einer fünften Filiale im nächsten Jahr sei gestellt. Zudem sei das Institut mit Beteiligungen von 30 Prozent oder unter 20 Prozent an chinesischen Banken gut aufgestellt.
Inzwischen könne man in China Investoren und Firmenkunden fast die gleichen Angebote wie auf den westlichen Finanzmärkten anbieten. "Wenn sie sich anschauen, wie wir positioniert sind, dann können sie fast versucht sein zu glauben, dass wir so wie in Deutschland eine sehr breite Palette abbilden können", sagte der Topmanager.
Der chinesische Finanzmarkt wird aber noch immer stark vom Staat reguliert. Internationale Banken und Versicherungskonzerne klagen über fehlende Rechtssicherheit und den Zwang zu Minderheitsbeteiligungen. Fitschen betonte, diese Probleme spreche man im offenen Dialog mit den Behörden direkt an; es gebe Fortschritte.
Quelle: ntv.de, wne/dpa/rts