Wirtschaft

IEA-Staaten zapfen Öl-Reserven an Der Iran reagiert verärgert

Der Öltanker "Equator" war das erste Schiff, das nach dem Ausbruch der Kämpfe an der libyschen Küste "schwarzes Gold" für den Weltmarkt übernahm.

Der Öltanker "Equator" war das erste Schiff, das nach dem Ausbruch der Kämpfe an der libyschen Küste "schwarzes Gold" für den Weltmarkt übernahm.

(Foto: REUTERS)

Die konzertierte IEA-Aktion zur Freigabe strategischer Ölreserven aus den zum Teil unterirdischen Speichern der Industrienationen ruft im Förderland Iran großen Unmut hervor. Opec-Mitglied Teheran fühlt sich offenbar empfindlich getroffen. Deutsche Autofahrer können dagegen hoffen. An den Tankstellen geben die Spritpreise nach.

Der Iran hat die Entscheidung wichtiger Öl-Verbraucherstaaten zur Freigabe strategischer Reserven kritisiert. Der Schritt sei politisch motiviert und greife in den Markt ein, erklärte der iranische Opec-Vertreter Mohammed Ali Chatibi nach Angaben des Ölministeriums. Der Rückgang der Ölpreise werde nicht von Dauer sein.

28 IEA-Staaten wollen die Auswirkungen der Libyen-Ausfälle durch eine Ausweitung des Öl-Angebots bekämpfen.

28 IEA-Staaten wollen die Auswirkungen der Libyen-Ausfälle durch eine Ausweitung des Öl-Angebots bekämpfen.

(Foto: REUTERS)

Die Internationale Energieagentur (IEA) hatte zuvor überraschend angekündigt, im Kampf gegen hohe Preise bis zu 60 Mio. Barrel aus den strategischen Reserven der Industriestaaten auf den Markt zu pumpen. Ein Barrel entspricht 159 Litern Rohöl. Beobachter sahen darin vor allem ein psychologisch wichtiges Signal zur Entlastung der Öl-Notierungen. Die Marktteilnehmer sollten demnach die Bereitschaft der wichtigsten Verbraucherstaaten spüren, den anhaltend hohen Preisen nicht tatenlos zuzusehen. Die Menge des zusätzlich verfügbaren Rohöls dürfte dagegen physisch kaum ins Gewicht fallen. Im vergangenen Jahr betrug der weltweite Durchschnittsverbrauch verschiedenen Berechnungen zufolge rund 90 Mio. Barrel pro Tag.

Die IEA begründete ihren überraschenden Schritt damit, dass die Industrieländer eine Konjunkturabkühlung durch zu hohe Ölpreise verhindern wollten. Die Hälfte der freigegebenen Ölreserven kommt aus den USA. Auch Deutschland beteiligt sich und wirft zum ersten Mal seit sechs Jahren einen Teil seiner Reserven auf den Markt - insgesamt 4,2 Mio. Barrel. Sowohl der US-Branchenverband API als auch die Gemeinschaft Öl Exportierender Länder (Opec) kritisierten die Maßnahme.

Erleichterung für Autofahrer

An den deutschen Tankstellen blieb die IEA-Aktion nicht ohne Wirkung: Kurz nach der Nachricht vom Anzapfen der staatlichen Ölreserven ist das Benzin in Deutschland etwas billiger geworden. Kurz vor dem Wochenende ermittelte der Marktführer Aral in seinem Netz einen Durchschnittspreis von 1,544 Euro für einen Liter Benzin. Das sind 1,3 Cent weniger als am Tag zuvor, wie ein Sprecher in Bochum sagte. Diesel kostete 1,42 Euro und damit gut 1 Cent weniger als am Donnerstag.

In der Regel gehört der Freitag nach Erhebungen des ADAC zu den teuersten Tagen an der Zapfsäule, weil die Konzerne vor den Wochenenden die Preise anheben. Bis zum Montag wird es dann wieder billiger. Ein Preisrückgang an einem Freitag ist eher ungewöhnlich.

Mehr gefördert wird nicht: Irans Ölminister Massoud Mirkazemi.

Mehr gefördert wird nicht: Irans Ölminister Massoud Mirkazemi.

(Foto: REUTERS)

Ob sich in dem niedrigeren Benzinpreis bereits der Rückgang der Rohölpreise um mehr als 5 Dollar am Donnerstag widerspiegelt, konnte der Sprecher nicht sagen. Generell laufen Rohölpreis und Benzinpreis in die gleiche Richtung, aber mit Schwankungen, Abweichungen und Verzögerungen. Wichtig sind neben dem Dollarkurs vor allem die Preise für Ölprodukte wie Benzin, Diesel und Heizöl auf dem Rotterdamer Großmarkt. Die Benzinpreise in Deutschland hatten Ende April mit 1,62 Euro je Liter einen historischen Höchststand erreicht und sich seitdem auf relativ hohem Niveau bei rund 1,55 Euro stabilisiert, mit täglichen Schwankungen nach oben oder unten.

Ein Tropfen auf dem heißen Stein?

Zuvor hatte die Bundesregierung erklärt, es sei offen, ob es nach dem Anzapfen der staatlichen Öl-Reserven auch zu sinkenden Benzinpreisen komme. Zur weiteren Entwicklung der Benzinpreise könnten keine Aussagen getroffen werden, hatte das Bundeswirtschaftsministerium erklärt. Die Preise seien von vielen Faktoren abhängig. Das Kartellamt hatte zuletzt die Preisgestaltung an den Zapfsäulen kritisiert, den großen Tankstellenkonzernen aber keine verbotenen Absprachen nachweisen können.

Die für Benzin maßgeblichen Rohölpreise an den internationalen Märkten waren kurzzeitig eingebrochen, nachdem die IEA angekündigt hatte, dass 28 Staaten - darunter Deutschland - die Märkte fluten wollen. Vor allem die USA, deren Wirtschaft in der Krise steckt und auf bezahlbare Öl- und Benzinpreise dringend angewiesen ist, sollen Druck gemacht haben. Schon am Tag danach kehrten die Notierungen zum Teil wieder auf ihr altes Niveau zurück.

Im Rahmen der IEA-Aktion zapft Deutschland erstmals seit 2005 wieder seine strategische Ölreserve an. Im Rahmen der international abgestimmten Aktion gibt Berlin insgesamt 4,2 Mio. Barrel beziehungsweise rund 570.000 Tonnen Rohöl oder Ölprodukte aus Reserven für den Markt frei. "Deutschland beteiligt sich an diesem Programm aus Überzeugung, weil wir glauben, dass es der richtige Schritt ist, gewissen Markttendenzen auf eine vernünftige und rationale Weise entgegenzutreten", sagte Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans.

Tokio und Seoul zapfen mit an

Die beiden asiatischen Öl-Importländer Japan und Südkorea schlossen sich der IEA-Aktion an. Der weltweit drittgrößte Ölkonsument Japan wollte nach Angaben aus Tokio 7,9 Mio. Barrel beisteuern, Südkorea knapp 3,5 Mio. Barrel. Neben Japan und Südkorea sind im asiatisch-pazifischen Raum noch Australien und Neuseeland Mitglied der IEA. Beide Länder teilten mit, sich an der Aktion nicht beteiligen zu wollen.

Die 28 IEA-Mitgliedsstaaten wollen im kommenden Monat andauernde Förderausfälle in dem vom Bürgerkrieg heimgesuchten Ölstaat Libyen mit insgesamt 60 Mio. Barrel ausgleichen. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums führten auch steigende Nachfrage und der , zu der Entscheidung. "Für Deutschland ist natürlich klar gewesen, dass wir uns im Sinne der internationalen Solidarität auch an dieser koordinierten Maßnahme beteiligen", sagte Ministeriumssprecher Holger Schlienkamp.

Nach Ansicht des Auto Clubs Europa (ACE) besteht Anlass für eine gewisse Zuversicht, dass demnächst die Kraftstoffpreise etwas nachgeben, nachdem die Ölpreise im internationalen Handel unter Druck geraten sind. "Wir erwarten, dass jetzt solche Preisvorteile zügig an die Tankkunden weiter gereicht werden", sagte ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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