Weselsky tritt ab Neuer GDL-Chef Mario Reiß will weniger "One Man Show"
04.09.2024, 18:20 Uhr Artikel anhören
Die GDL bleibt in sächsischer Hand: Reiß (r.) übernimmt von Weselsky.
(Foto: picture alliance/dpa)
Deutschlands Lokführer haben die Spitze ihrer Gewerkschaft GDL neu sortiert. Sie bleibt aber in sächsischer Hand. In der Sache ebenso hart wie sein Vorgänger will Reiß aber eine andere Tonart anschlagen. Weselsky lässt jedoch schon wissen, dass er künftige Tarif-Runden nicht nur vom Sofa begleiten will.
Mit Tränen in den Augen und unter stehenden Ovationen hat sich der langjährige Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, von den Mitgliedern und seiner Organisation verabschiedet. 16 Jahre als Bundesvorsitzender, 234 Arbeitskämpfe und 12.012 Streikstunden - so hat es die GDL nachgezählt - liegen hinter Weselsky. Nun ist Mario Reiß Deutschlands oberster Lokführer. Fast 95 Prozent der Delegierten stimmten für ihn. Ergänzt wird er durch die beiden Stellvertreter Lars Jedinat und Christian Deckert.
Und der Neue stellte gleich einen Kurswechsel in Aussicht - zumindest im Auftreten: Einer One-Man-Show, der die GDL unter Weselsky oft glich, erteilte er nach der Generalversammlung mit rund 250 Delegierten eine Absage. "Das ist ein neues Bild dieser GDL: Wir wollen uns in der Zukunft als Team bewegen." Zwar sei dies auch schon unter Weselsky der Fall gewesen. Doch soll die Teamstruktur künftig stärker in der Öffentlichkeit erkennbar werden.
Zudem werde die GDL politischer und werde sich bei bahnpolitischen Themen stärker als bisher einmischen. Außerdem wolle er einen etwas ruhigeren Ton anschlagen. Doch versöhnlicher gab sich die GDL bei ihrer Versammlung nicht. Zum einen, weil Weselskys Abschied kein vollständiger ist. Er bleibt der Gewerkschaft als Ehrenvorsitzender verbunden - und hat bereits angekündigt, sich auch zu kommenden Tarifrunden mit der Deutschen Bahn in gewohnter Manier zu äußern. Zudem habe Weselsky seinem Nachfolger versprochen, "uns in jeder Situation zur Verfügung zu stehen, beratend natürlich", sagte Reiß.
"Ulbricht als unbeliebtester Sachse abgelöst"
Der neue Chef machte bei seinen Reden vor den Delegierten deutlich, dass die GDL bei ihr wichtigen Themen auf Konfrontationskurs bleibt: "In einem Betrieb, wo ein Arbeitgeber uns offensiv angreift und willkürlich das Tarifeinheitsgesetz anwendet, kann eine echte Sozialpartnerschaft nicht gedeihen", sagte er in Richtung des ebenfalls anwesenden Bahn-Personalvorstands, Martin Seiler.
Das Tarifeinheitsgesetz (TEG) regelt, dass in einem Betrieb mit zwei konkurrierenden Gewerkschaften nur die Tarifverträge der mitgliederstärkeren Arbeitnehmervertretung angewendet werden. Bei der Bahn ist das in den meisten Betrieben die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Das Gesetz ist nicht nur aus Weselskys Sicht der Hauptgrund dafür, dass das Verhältnis zwischen seiner GDL, der EVG und der Deutschen Bahn weitgehend zerrüttet ist. "Dieses Gesetz spaltet die Belegschaft und bringt Unfrieden in die Betriebe", erklärte der Vize des Deutschen Beamtenbunds (dbb), Volker Geyer, bei der Generalversammlung der GDL.
Während Weselsky innerhalb der Gewerkschaft unumstritten war, führten seine Arbeitskämpfe und die langwierigen Tarifrunden bei der Bahn bei vielen Fahrgästen zu Wut und Frust. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer erzählte auf der Generalversammlung, er habe oft Lacher mit dem Spruch gesammelt, dass Weselsky den Titel "unbeliebtester Sachse in ganz Deutschland" inzwischen von Walter Ulbricht übernommen habe. Er wolle sich für diesen Spruch auf Weselskys Kosten bei diesem entschuldigen. "Aber er kam gut an." Ähnliche Beliebtheitsvergleiche mit früheren DDR-Staatsoberhäuptern wird der neue GDL-Bundesvorstand wohl vermeiden wollen. Reiß ist ebenfalls gebürtiger Sachse - aus Torgau.
Quelle: ntv.de, jwu/dpa/AFP