Wirtschaft

Realpreisrückgang um ein Drittel Regierung geht von langfristig günstigerem Strom aus

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Der Strompreisprognose liegt die Annahme zugrunde, dass die erneuerbaren Energien wie geplant ausgebaut werden.

Der Strompreisprognose liegt die Annahme zugrunde, dass die erneuerbaren Energien wie geplant ausgebaut werden.

(Foto: IMAGO/Achille Abboud)

Im vergangenen Jahr sind die Strompreise in Deutschland förmlich explodiert. Das Wirtschaftsministerium rechnet allerdings damit, dass Strom mittelfristig wieder deutlich günstiger wird. Aktuell liegt die Prognose jedoch ziemlich daneben.

Ein entscheidender Faktor bei der angestrebten Energiewende ist die Verfügbarkeit und der Preis für Elektrizität. Denn nach den deutschen und europäischen Plänen sollen vor allem in den Bereichen Heizung und Verkehr die CO2-Emissionen durch die Verwendung von Strom statt fossiler Brennstoffe, also etwa Wärmepumpen statt Öl- und Gasheizungen und E-Autos statt Verbrennungsmotoren gesenkt werden. Voraussetzung dafür ist, dass nach der Preisexplosion im vergangenen Jahr Strom wieder bezahlbar wird und bleibt.

Einer für die Planung der umstrittenen Heizungsgesetze erstellten Prognose zufolge geht die Bundesregierung davon aus, dass diese Voraussetzung in den kommenden zwei Jahrzehnten erfüllt sein wird. Die Zahlen hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz auf eine kleine Anfrage des parlamentarischen Geschäftsführers der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, hin mitgeteilt. Ausgehend von einem Haushaltsstrompreis von knapp 42 Cent pro Kilowattstunde im vergangenen und auch in diesem Jahr rechnet das Ministerium damit, dass der Preis 2024 auf 37 Cent fallen wird. Auf 2026 wird er dann Jahr für Jahr wieder ansteigen bis auf 40,27 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2042. Es handelt sich laut dem Ministerium dabei um Mischpreise, die Grund- und Arbeitspreis berücksichtigen.

Nominal, also ohne Berücksichtigung der Inflation, sinkt der Strompreis über die kommenden zwei Jahrzehnte also leicht. Real, bei einer unterstellten Inflation von zwei Prozent pro Jahr, würde der Strom für Verbraucher so um mehr als ein Drittel günstiger. Die Regierung rechnet zudem damit, dass der Preis für Strom in speziellen Wärmepumpen-Tarifen sich parallel dazu entwickelt: von 33,55 Cent pro Kilowattstunde 2022 und 2023 bis zu 32,65 Cent im Jahr 2042. Gleichzeitig unterstellt das Szenario, dass der Erdgaspreis von 18,85 Cent 2022 zunächst auf gut 12 Cent pro Kilowattstunde fällt und dann inklusive des CO2-Preises auf 16,53 Cent ansteigt.

Aktueller Neukundenpreis halb so hoch wie prognostiziert

Da Wärmepumpen - zumindest in entsprechenden Gebäuden - um ein Mehrfaches effizienter sind als Gasbrenner, wäre ihr Betrieb diesem Preisszenario zufolge deutlich günstiger als fossile Heizungen. Aber handelt es sich bei den Zahlen des Wirtschaftsministeriums um eine realistische Prognose? Tobias Federico ist Gründer und Chef des Beratungsunternehmen Energy Brainpool, das seit vielen Jahren unter anderem für Investoren in der Energiebranche Preisprognosen erstellt. Vorhersagen könne man den künftigen Strompreis nicht, betont er im Gespräch mit ntv.de. Aber man könne plausible Szenarien erstellen, die unter jeweils bestimmten Annahmen, etwa für den Ausbau der erneuerbaren Energien im jeweiligen Zeitraum, eine verlässliche Planungsgrundlage bieten.

"Die vom Wirtschaftsministerium vorgelegten Zahlen sind mit unseren Szenarien zur Entwicklung des Großhandelspreises vereinbar und auf jeden Fall realistisch", sagt Federico. Nicht mit Marktszenarien voraussagen ließen sich allerdings die Entwicklungen bei Steuern und Gebühren, die politisch bestimmt werden. "Zugrunde liegt diesem Szenario offenbar, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien nach Plan verläuft", so Federico.

Garantiert ist diese Strompreisentwicklung allerdings nicht. "In einem alternativen Szenario, in dem der Ausbau schleppender verläuft, gehen wir von einem Strompreis von rund 45 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2042 aus", sagt Federico. Horrorszenarien, nach denen es zu massiver Stromknappheit in Deutschland kommen und der Strompreis sich verdoppeln könnte, hält er für "sehr unwahrscheinlich". In einem positiven Alternativszenario könnte der Strompreis in den kommenden 20 Jahre allerdings auch noch weiter fallen. 35 Cent pro Kilowattstunde bei Neukundentarifen sind laut Federico denkbar.

Aktuell liegt das Regierungsszenario weit neben der Realität. Das Jahr 2023 ist zwar noch nicht vorbei und ein Durchschnittspreis noch nicht ermittelbar. Seit Jahresbeginn ist der Strompreis allerdings anders als vorausgesagt stark eingebrochen. Statt der prognostizierten 42 Cent zahlen Neukunden bei Vertragsabschlüssen laut Vergleichsportal Verivox aktuell gerade einmal 28 Cent.

Quelle: ntv.de

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