Wirtschaft

Ratingagentur stuft Athen herunter S&P belastet Griechenland

Griechenland im Umbruch: Junge Athener nutzen den Wind zum Spiel mit Papierdrachen.

Griechenland im Umbruch: Junge Athener nutzen den Wind zum Spiel mit Papierdrachen.

(Foto: AP)

Neuer Schlag für die Griechenland-Retter: Die Ratingagentur Standard & Poor's passt ihre Bewertung an den geplanten Schuldenschnitt an. Die Analysten stufen den mühsam ausgearbeiteten Plan teilweise als Zahlungsausfall ein. Die EZB darf Anleihen aus Athen jetzt nicht mehr annehmen. Banken glauben nicht mehr an ein Comeback der Griechen.

Die Märkte ignorieren die Entscheidung: S&P meldete sich nach US-Börsenschluss zu Wort.

Die Märkte ignorieren die Entscheidung: S&P meldete sich nach US-Börsenschluss zu Wort.

(Foto: dpa)

Die Abstrafung Athens durch die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) hat die Finanzmärkte im Gegensatz zu früheren Bonitätsabwertungen weitgehend kalt gelassen. Der Euro kletterte sogar über 1,34 US-Dollar, die Aktienmärkte legten zu. Die bevorstehende nächste große Geldspritze der Europäischen Zentralbank (EZB) zog alle Aufmerksamkeit der Anleger auf sich. Am Mittwoch können die Geschäftsbanken der Eurozone zum zweiten Mal für drei Jahre unbegrenzt Mittel zum Niedrigzins bei der EZB ausleihen. Beim ersten Mal sogen die Geldhäuser bei einem solchen Geschäft fast 500 Mrd. Euro auf - diesmal könnte die Nachfrage sogar noch höher ausfallen.

Juncker, Chef der Eurogruppe, sagte zur Abstufung: "Diese oder mögliche ähnliche Entscheidungen von Ratingagenturen waren rechtzeitig vorweggenommen und wurden in die Planung zur Privatgläubigerbeteiligung einkalkuliert." Er zeigte sich zuversichtlich, dass viele private Gläubiger wie Banken oder Versicherungen an dem freiwilligen Schuldenschnitt mitmachen. Sie sollen auf rund 100 Mrd. Euro Forderungen verzichten und bestehende Anleihen in neue, länger laufende und niedriger verzinste Papiere umtauschen. "Ich erwarte eine hohe Beteiligung privater Gläubiger."

EZB verweigert Athen-Anleihen

Die erneute Abstufung der Kreditwürdigkeit Griechenlands wirkte sich unmittelbar auf die Refinanzierungsmöglichkeiten der Geschäftsbanken bei der EZB aus: Der EZB-Rat habe beschlossen, vorübergehend griechische Staatsanleihen sowie von Griechenland garantierte Wertpapiere nicht mehr als Sicherheiten für Kredite zu akzeptieren, teilte die Notenbank mit. Das dürfte vor allem griechische Banken treffen, die besonders viele Griechenland-Bonds halten. Üblicherweise können diese bei der EZB als Pfand für Kredite hinterlegt werden.

Euro / US-Dollar
Euro / US-Dollar 1,17

Allerdings will die EZB Griechenland dennoch weiter mit frischem Geld versorgen. Zunächst soll der Mittelbedarf über die Notfall-Liquiditätslinien des Eurosystems gewährleistet werden.

Banken zweifeln an Griechenland

Die aussichtslose Lage Griechenlands auch nach Auszahlung des zweiten Rettungspakets ist aus einer internen Bewertung des Internationalen Bankenverbands IIF ersichtlich, aus dem die "Welt" zitiert. "Die dramatische Summe der Verluste, die der private Sektor hinnehmen musste, macht es schwer vorstellbar, dass der Fluss privater Kredite nach Griechenland bald wieder aufgenommen werden kann."

Die griechische Regierung "wird daher für etliche Zeit vom öffentlichen Sektor abhängen", heißt es in dem Papier. Auch von anderen Krisen-Ländern der Eurozone wie Portugal, Spanien oder Irland könnte sich die Finanzindustrie bald abwenden.

Athen sieht keine Probleme

Die griechische Regierung reagierte gelassen auf die erneute Herabstufung der Kreditwürdigkeit durch S&P. Das Finanzministerium in Athen wies darauf hin, dass die Bonität wieder aufgewertet werde, sobald der Schuldenschnitt unter Dach und Fach sei. Zudem seien die Banken des Landes nicht in Gefahr, hieß es.

Die einflussreiche US-Agentur S&P hatte die ohnehin schon mangelhafte Griechenland-Note "CC" am späten Vorabend auf den Status eines teilweisen Zahlungsausfall ("Selective Default") herabgestuft. S&P reagierte damit auf den zwischen Griechenland, seinen internationalen Geldgebern und der Finanzwirtschaft ausgehandelten Schuldenschnitt.

Die Ratingagentur hatte diesen Schritt bereits angedroht. Besonders kritisch sehen die Bonitätswächter, dass Griechenland die Anleger notfalls per Gesetz zwingen will, beim Schuldenschnitt mitzumachen. Der dazu vorgesehene Mechanismus funktioniert über nachträglich eingefügte Umschuldungsklauseln, sogenannte "Collective Action Clauses" (CAC). Und genau das stößt bei S&P auf Kritik. Die konkurrierende Ratingagentur Fitch hatte sich bereits ähnlich geäußert.

Eine Einstufung als Zahlungsausfall ist deshalb potenziell gefährlich, weil damit Kreditausfallversicherungen fällig werden könnten. Diese sogenannten Credit Default Swaps (CDS) waren einer der Gründe, warum die Finanzkrise des Jahres 2008 so dramatische Ausmaße angenommen hatte. Damals war es zu einer Kettenreaktion im Finanzsystem gekommen.

Die griechische Regierung mühte sich um Schadensbegrenzung: Die Herabstufung habe keinen Einfluss auf den Bankensektor des Landes, versicherte das Athener Finanzministerium noch in der Nacht. Die Zentralbank und der Euro-Rettungsfonds EFSF hätten vorgesorgt. Erst kurz zuvor hatte . Einer der Kernpunkte des Rettungsplans ist, dass die Gläubiger aus der Privatwirtschaft freiwillig auf Teile ihrer Forderungen verzichten und bestehende Anleihen in neue, länger laufende und niedriger verzinste Papiere umtauschen.

Die politische Entscheidung scheint S&P diesmal abgewartet zu haben. Schon seit längerem müssen sich Ratingagenturen den Vorwurf gefallen lassen, die finanziellen Perspektiven der Staaten mit ihren Bewertungsaktionen erheblich zu beeinträchtigen. Durch ihr Verhalten in der Finanzkrise seien Agenturen längst nicht mehr nur Beobachter, sondern Akteure, lautet einer der Vorwürfe.

Im Fall Griechenlands hatten Experten ausgerechnet, dass Verluste vom ursprünglichen Wert der Anleihen von mehr als 70 Prozent drohen. S&P stufte die in den Schuldenschnitt einbezogenen Staatsanleihen sogar auf "D" ab. Die Note steht für Zahlungsausfall. Wenn genügend Anleihebesitzer ihre Wertpapiere wie vorgeschlagen umtauschen, kann sich die Kreditsituation für Griechenland jedoch schnell wieder entspannen, wie es in einer S&P-Mitteilung hieß. In diesem Fall sei es gut möglich, dass der "teilweise Zahlungsausfall" als abgewendet angesehen werde und die Ratingnote auf ein "CCC" steige, hieß es. Auf diesen Aspekt wies dann auch das Athener Finanzministerium hin. Allerdings war in der Bankenwelt zuletzt schwer gezweifelt worden, ob sich ausreichend Gläubiger dem Schuldenschnitt zustimmen.

Quelle: ntv.de, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen