Wirtschaft

USA fordern Übergangslösung Streit um IWF-Chefposten

In Europa und den USA brennt die Schuldenkrise in hellen Flammen, der IWF-Chef sitzt unterdessen in einer Einzelzelle auf Rikers Island: Der Skandal um Dominique Strauss-Kahn trifft den IWF in denkbar ungünstiger Lage. US-Finanzminister Geithner fordert einen handlungsfähigen Interimschef. Deutschland will wieder einen Europäer an der IWF-Spitze.

Dominique Strauss-Kahn ist derzeit nicht einsatzfähig.

Dominique Strauss-Kahn ist derzeit nicht einsatzfähig.

(Foto: AP)

Nach der Verhaftung von Dominique Strauss-Kahn streiten sich Europäer und Schwellenländer über die Neubesetzung des Chefsessels beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Der wegen versuchter Vergewaltigung in den USA angeklagte Franzose geriet dabei immer stärker unter Druck, mit seinem Rücktritt den Weg für einen Nachfolger frei zu machen.

Die USA als größter IWF-Teilhaber forderten Fonds zur Ernennung eines Übergangschefs auf. Die Bundesregierung sprach sich für einen Europäer auf dem IWF-Chefsessel aus und forderte damit Schwellenländer wie China und Brasilien heraus, die den traditionellen Anspruch der Europäer auf den Posten knacken wollen.

US-Finanzminister Timothy Geithner erklärte, das IWF-Direktorium müsse offiziell jemanden einsetzen, der für eine Übergangszeit die Führung übernehme. Derzeit hat IWF-Vize John Lipsky die Aufgaben von Strauss-Kahn übernommen, der wegen des Vorwurfs der versuchten Vergewaltigung einer Hotelangestellten in Untersuchungshaft sitzt. Ein offizieller Interimschef wurde aber nicht ernannt.

Das IWF-Direktorium wolle zunächst Strauss-Kahn fragen, ob er sein Amt weiter ausführen wolle, hieß es aus dem Umfeld des Führungsgremiums. Das 24-köpfige Direktorium könnte den IWF-Chef auch von seinem Posten entheben. Offenbar herrscht aber in der IWF-Führung Uneinigkeit über das weitere Vorgehen: Eine Person aus dem Umfeld des Direktoriums bezeichnete einen Rücktritt als ideales Szenario, während eine zweite Person erklärte, diese Ansicht werde nicht von dem gesamten Gremium geteilt.

Stellvertreter und womöglich bald Interimschef: John Lipsky (Archivbild).

Stellvertreter und womöglich bald Interimschef: John Lipsky (Archivbild).

(Foto: AP)

Die Europäer bemühten sich erneut, den von wichtigen Schwellenländern gemachten Anspruch auf den IWF-Chefposten abzuwehren. Die Bundesregierung erklärte, sie würde im Fall einer Neubesetzung für einen Europäer plädieren. "Sollte der IWF-Chefposten irgendwann zu besetzen sein, spricht sich die Bundesregierung dafür aus, dass dies wieder ein Europäer sein würde", sagte ein Regierungssprecher. Es gebe in Europa eine Fülle möglicher hoch qualifizierter Kandidaten. Der Frage, ob die Bundesregierung einen Deutschen ins Spiel bringen wolle, wich er aus. Der letzte Deutsche an der IWF-Spitze war der spätere Bundespräsident Horst Köhler.

Große Herausforderungen

Eine Übereinkunft zwischen den Europäern und den USA hat seit der Gründung des IWF im Jahr 1945 dafür gesorgt, dass ein Europäer das Washingtoner Institut leitet - vier Mal war dies sogar bereits ein Franzose. Im Gegenzug benennen die Amerikaner bislang immer den Chef der Schwesterorganisation Weltbank.

Timothy Geithner verlangt einen Interimschef für den IWF.

Timothy Geithner verlangt einen Interimschef für den IWF.

(Foto: dpa)

Die großen Schwellenländer wollen nun mit dieser Tradition brechen. So forderte der seit kurzem drittgrößte IWF-Teilhaber China, die Auswahl solle fair, transparent und auf Basis von Leistungen erfolgen - und damit nicht von der Nationalität abhängen. Es war das erste Mal, dass sich China derart früh und offen zu einer IWF-Personalie äußerte. Brasilien und Südafrika sprechen sich ebenfalls für einen Kandidaten aus einem Schwellenland aus.

Auf den nächsten IWF-Chef warten große Herausforderungen. Ein Ende der europäischen Schuldenkrise ist noch lange nicht in Sicht, und auch in den USA verschärft sich die Haushaltslage kontinuierlich weiter. In vielen Schwellenländern dagegen droht wegen rasantem Wirtschaftswachstum Inflation. Große Schwellenländer kämpfen seit geraumer Zeit darum, dass sich ihre wachsende wirtschaftliche Bedeutung in der IWF-Organisation widerspiegelt

Quelle: ntv.de, rts

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