Armen Ländern fehlen Impfdosen WHO wirft Vakzinherstellern Manipulation vor
30.09.2021, 17:45 Uhr
In vielen Ländern Afrikas gibt es mehr Impfwillige als Impfstoffe.
(Foto: picture alliance / photothek)
In den armen Regionen der Erde geht es mit dem Impftempo kaum voran, weil Corona-Vakzine fehlen. Viele Industrieländer sitzen dagegen dank lukrativer Abmachungen mit den Herstellern auf Millionen Dosen. Die WHO sieht Profitmaximierung als Hauptriebfeder dahinter.
Das mangelnde Tempo bei den Corona-Impfungen in ärmeren Ländern liegt an fehlendem Impfstoff, und dies ist nach Auffassung eines ranghohen Vertreters der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf Marktmanipulationen zurückzuführen. Bruce Aylward, Berater des WHO-Generalsekretärs für Impffragen, verlangte mehr Transparenz der Herstellerfirmen über ihre Produktion und Lieferungen. Das Ziel der WHO, bis Ende September zehn Prozent der Menschen in allen Ländern geimpft zu haben, wird verfehlt. Einige Dutzend Länder vor allem in Afrika liegen deutlich darunter.
Aylward kümmert sich unter anderem um die Impfinitiative Covax, mit der die WHO ursprünglich eine faire Verteilung der Impfstoffe weltweit geplant hatte. Die reichen Länder seien zwar an Bord, hätten aber, als es endlich Impfstoffe gab, separate Deals mit den Herstellern gemacht. Covax habe Verträge über die Lieferung von hunderten Mio. Impfdosen unterzeichnet, warte aber auf Zustellung. Das Programm hat insgesamt 9,8 Mrd. US-Dollar (rund 8,5 Mrd Euro) für den Ankauf von Impfdosen erhalten. "Irgendjemand manipuliert den Markt", sagte Aylward. "Der größte Käufer sitzt auf dem Geld, hat Verträge unterzeichnet und wird nicht beliefert - da passiert etwas Seltsames im Markt."
Aylward sieht als Motiv Profitmaximierung. Die Herstellerfirmen argumentierten dagegen, sie lieferten nach dem Eingang der Bestellungen. Regierungen in reichen Ländern hätten ihre Verträge früher unterzeichnet als Covax. Das wollte Aylward nicht gelten lassen: Regierungen, die gut versorgt seien, könnten dafür sorgen, dass weitere Bestellungen nicht an sie, sondern an Covax gingen. Womöglich sei es reicheren Ländern aber recht, Lieferungen zu bekommen und dann Impfdosen zu spenden, um so mehr Kontrolle über die Verteilung zu haben. Sie wollten mit gespendeten Dosen oft bestimmte Länder beliefern.
Um das Zehn-Prozent-Ziel zu erreichen, seien nur 200 Mio. Impfdosen nötig gewesen, sagte Aylward. Gemessen an den 1,5 Mrd. Corona-Impfdosen, die nach Angaben des Weltpharmaverbands IFPMA hergestellt werden, sei das ein Klacks. Warum Covax angesichts solcher Produktionsmengen nicht zügig beliefert werde, sei nicht nachzuvollziehen. Aylward zog einen Vergleich mit einem Rettungsboot: "Ich säße lieber nicht mit den reichen Ländern in einem Boot, die würden sich die Rettungswesten unter den Nagel reißen. Ich säße lieber im Boot mit den ärmeren Ländern, die es gewohnt sind, zu teilen."
Nun müsse das Augenmerk auf das nächste Ziel gerichtet werden: eine Durchimpfung von mindestens 40 Prozent in allen Ländern bis Ende des Jahres. Um das zu erreichen, seien für die ärmeren Länder knapp zwei Mrd. Impfdosen nötig. Die WHO setze unter anderem auf ein geplantes G20-Treffen im Oktober in Italien. Regierungen müssten Druck auf die Firmen machen, um Herstellung und Lieferungen offenzulegen, sagte Aylward.
Quelle: ntv.de, jhe/dpa