Schrottmünzen im Stewardessen-Gepäck Wie lief der Bundesbank-Betrug?
01.04.2011, 12:57 Uhr
Taler, Taler, du musst wandern ...
(Foto: dpa)
Mit einer Razzia decken Ermittler einen aufsehenerregenden Millionenbetrug auf: Eine Bande soll über Jahre hinweg ausgemusterte Schrottmünzen in lachendes Bargeld verwandelt haben. Der Fall gewährt Einblick ins Innere der Bundesbank - und lenkt Licht auf das Schicksal altgedienter Münzen.

Am Ende ihrer Laufbahn angekommen, werden die Münzen entkernt, verformt und eingeschmolzen.
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Mit einer gewaltigen Menge Schrottmünzen sollen Betrüger bei der Deutschen Bundesbank über Jahre Millionensumme ergaunert haben. Nach Erkenntnissen der Behörden hat eine Bande Krimineller 29 Tonnen verschrottete Euro-Münzen in China wieder zusammengesetzt und dann bei der Notenbank zu Geld gemacht. Vier Flugbegleiter der Lufthansa sollen beim Transport des Falschgeldes nach Deutschland geholfen haben. Der Schaden beläuft sich auf 6 Mio. Euro. In früheren Schätzungen war von einem Schaden in Höhe von bis zu 20 Mio. Euro die Rede.
Mitte der Woche schlugen die Fahnder zu. Bei einer Razzia im Rhein-Main-Gebiet nahmen sie sechs Männer im Alter von 28 bis 45 Jahren fest - vier Chinesen, einen aus China stammenden Mann mit deutschem Pass und einen Deutschen. Drei der Festgenommenen sind nach Angaben der Frankfurter Staatsanwaltschaft Flugbegleiter. "Ein Tatverdacht gegen Mitarbeiter der Bundesbank besteht nicht", betonte die Behörde.
Wie lautet der Vorwurf?
Die Ermittler werfen der Bande vor, Münzschrott aus Deutschland in China wieder zu 1- und 2-Euro-Münzen zusammengesetzt zu haben. Nach dem Rücktransport sollen sie der Bundesbank das Falschgeld "als angeblich beschädigte Münzen" zum Umtausch angedient haben. So sollen die Fälscher von 2007 bis November 2010 insgesamt 29 Tonnen längst entwerteter Münzen zu Geld gemacht haben. Für die Staatsanwaltschaft ist das gewerbsmäßiger Betrug und ein In-Umlauf-Bringen von Falschgeld. Den Männern drohen Haftstrafen von mindestens zwei Jahren. Der Haftbefehl geht nach Angaben der Ermittler von 263 Fällen aus, in denen die Männer Schrottmünzen bei der Bundesbank einzahlten.
Gibt es Geständnisse?
Alle sechs Beschuldigten sitzen inzwischen in Untersuchungshaft. Oberstaatsanwältin Doris Möller-Scheu sagte, die Beschuldigten hätten Angaben zu den Vorwürfen gemacht: "Aber nichts, was einem Geständnis gleichkommt." Ermittelt werde seit April 2010, als Banken wegen ungewöhnlicher Kontenbewegungen bei der Generalstaatsanwaltschaft Anzeigen wegen des Verdachts auf Geldwäsche erstatteten.
Welche Rolle spielen die Flugbegleiter?
Beim Transport der gefälschten Münzen aus China halfen nach Erkenntnissen der Ermittlungsbehörden vier Flugbegleiter. Sie nutzten aus, dass ihr Gepäck keinen Gewichtsbeschränkungen unterliegt. Die Fluggesellschaft erklärte dazu: "Lufthansa ist über die zuständigen Behörden über Ermittlungen gegen einzelne Mitarbeiter in Kenntnis gesetzt worden. Zu staatsanwaltlichen Ermittlungen äußern wir uns nicht."
Eine Stewardess, welche die Fahnder ebenfalls im Visier haben, wurde bislang nicht festgenommen. Die Frau war Anfang 2010 am Frankfurter Flughafen aufgefallen, weil sie Probleme mit ihrem schweren Handgepäck hatte. In ihrer Tasche fanden Beamte damals tausende 1- und 2-Euro-Münzen. Bei der Razzia am Mittwoch durchsuchten Fahnder insgesamt zehn Objekte in Frankfurt, Offenbach, Fulda und Mörfelden-Walldorf. Ziel der Ermittler waren Wohnungen sowie der Arbeitsplatz eines Flugbegleiters. Dabei wurde auch eine Maschine zum Zusammensetzen von Münzen sichergestellt.
Wie kommt die Bundesbank ins Spiel?
Die Bundesbank tauscht kostenfrei beschädigte Münzen ein und erstattet deren vollen Wert. Die Geldstücke müssen in sogenannten Safebags abgegeben werden, die man im Internet erwerben kann. Diese sind normiert für 1- oder 2-Euro-Münzen jeweils im Wert von 1000 Euro. Da die Bundesbank den Wert solcher Münzen in erster Linie durch Wiegen kontrolliert und die Geldstücke bislang nur stichprobenartig genauer in Augenschein nimmt, halten Experten es für möglich, dass der Betrug nicht auffiel. Dass die Bande originale Münzbestandteile für ihre Fälschungen nutzte, erschwerte die Echtheitsprüfung am Schalter.
Die Bundesbank erklärte, das Haus selbst sei "in die Entwertung der Münzen und die Metallverwertung" nicht einbezogen. Die Notenbank sammelt zwar beschädigte Münzen ein, leitet sie dann aber an die Münzprägestätten weiter.
Wohin mit dem Schad-Geld?
Privatkunden können die Münzen an den Kassenschaltern der Bundesbankfilialen einreichen. Großkunden bringen sie zentral zur Bundesbank-Niederlassung Mainz. Der Gegenwert wird nach Kontrolle entweder direkt am Schalter ausgezahlt oder - bei größeren Mengen - nach Abschluss der Kontrollen erstattet. Neben Privatpersonen und Kreditinstituten wird das Geld auch von Unternehmen aus Deutschland und dem Ausland abgegeben, vor allem aus Asien.
Die Deutsche Bundesbank erstattet den Wert der Geldstücke, wenn diese "aufgrund langer Umlaufdauer oder aufgrund eines unerwarteten Ereignisses nicht mehr für den Umlauf geeignet sind".
Wird jede beschädigte Münze ersetzt?
Nicht jede: Seit dem 11. Januar behält die Bundesbank Münzen ersatzlos ein, die mutwillig beschädigt wurden. Eigentlich ausgenommen sind auch Falschgeld sowie Geldstücke, die wie in dem aktuellen Betrugsfall um Schrott-Euros bereits zuvor von der Bundesbank oder anderen Zentralbanken des Euro-Raums umgetauscht und entwertet wurden.
Was passiert mit Schad-Münzen?
Die Notenbank leitet beschädigte Münzen wie bereits erwähnt an die Münzprägestätten weiter. In Deutschland werden sie dort durch Walzen entwertet, in anderen Ländern - und in Deutschland noch bis ins Jahr 2007 - werden die Geldstücke in ihre Bestandteile zerlegt.
Dabei werden etwa bei den 1- und 2-Euro-Stücken die gold- oder silberfarbene "Pille" vom jeweils andersfarbigen Ring getrennt. In Deutschland geben die Prägestätten das zerstörte Geld an eine vom Bund beauftragte Verwertungsgesellschaft weiter, und zwar an die bundeseigene Treuhandgesellschaft Vebeg in Frankfurt. Diese verkauft den Münzschrott als Altmetall weiter. Bei dem nun bekanntgewordenen Fall wurde der Schrott nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft nach China verkauft und dort wieder zusammengesetzt.
Warum fiel niemandem etwas auf?
Nach Bekanntwerden der Betrugsvorwürfe fragten sich Ermittler und Beobachter sofort, ob die Altmünzenverschieberei tatsächlich ohne Komplizen im Inneren der Bundesbank abgelaufen sein kann. Auch für den Laien klingen 29 Tonnen an Münzen in 3 Jahren mehr als nur auffällig. In Wahrheit jedoch ist die Menge - gemessen am gesamten Münzaufkommen - beinahe verschwindend gering.
Bei den 47 Bundesbank-Filialen werden jedes Jahr fast 70.000 Tonnen an Münzen eingezahlt. Insofern sind 29 Tonnen in 3 Jahren keine besonders auffällige Größenordnung.
Wie viele Euro-Münzen sind im Umlauf?
Ende Februar waren nach Angaben der Europäischen Zentralbank 93,4 Mrd. Münzen im Gesamtwert von 22,3 Mrd. Euro im Umlauf - darunter 2-Euro-Stücke über 9,0 Mrd. Euro und 1-Euro-Münzen im Wert von 6,3 Mrd. Euro.
Werden Münzen eigentlich oft gefälscht?
Nein. Mit einem Schaden von 6 Mio. Euro übersteigt der Wert des nun bekanntgewordenen Betrugsfalls alle bisherigen Werte in Deutschland um ein Vielfaches. Im vergangenen Jahr waren in Deutschland 67.400 falsche Münzen eingezogen worden, vor allem 2-Euro-Stücke. Ihr Gesamtwert belief sich auf 120.661 Euro.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa