Bücher

Berge und Meer, Oper und Krieg Bücher für den Sommer - und danach

Noch ist der Sommer nicht vorbei.

Noch ist der Sommer nicht vorbei.

(Foto: dpa)

Der Sommer ist noch nicht vorbei. Doch was tun, wenn der Urlaub endet oder der Herbst sich bereits bemerkbar macht? Am besten nimmt man ein Buch zur Hand und verreist noch einmal - in Gedanken, lernt fremde Welten kennen und erlebt Abenteuer.

Unterwegs mit dem kleinen Nick

Prima Sache, würde der kleine Nick zu diesem Buch sagen. Schließlich vereint es alle seine Ferienabenteuer. Und die haben es mitunter in sich. Es geht schließlich ins Ferienlager, zur Oma, auf einen Klassenausflug, ans Meer und einmal nach Spanien, aber nur mit den Dias vom Herrn Bäumel. Dass dabei allerhand los ist, kann man sich denken. Denn die 28 Geschichten hat niemand anderes geschrieben als René Goscinny. Der hat nicht nur die schönsten Abenteuer von "Asterix" und "Lucky Luke" zu Papier gebracht, sondern mit dem kleinen Nick auch noch einen Kinderbuchklassiker erschaffen. Natürlich zusammen mit Sempé, dessen Illustrationen auch in diesem Band nicht fehlen dürfen.

"Der kleine Nick macht Ferien", Diogenes, 224 Seiten, 16,90 Euro.

"Der kleine Nick macht Ferien", Diogenes, 224 Seiten, 16,90 Euro.

Gewohnt offenherzig kommentiert der kleine Nick die Reisevorbereitungen seiner Familie, die Wutausbrüche seines Vaters und die Macken all der Erzieher und Lehrer, die dem Knaben über den Weg laufen. Dass Goscinny diese Welt der Erwachsenen durch die Augen eines Grundschülers beschreibt, ja geradezu auseinandernimmt, macht den Reiz der Geschichten aus. So dürften nicht nur Kinder ihre Freude an Nicks Abenteuern haben, sondern auch Erwachsene, denen ein ums andere Mal der Spiegel vorgehalten wird. Allerdings merkt man auch sehr genau, dass die Geschichten in den 1960er-Jahren geschrieben wurden. Klassische Koffer, Bahnsteigkarten, Zugfahrten und vor allem die Abwesenheit von Handys und anderen technischen Spielereien sorgen für einen nostalgischen Touch. Die Weisheit, die der kleine Nick ausstrahlt, ist allerdings zeitlos: Etwas mehr kindliches Gemüt und Abenteuerlust können nicht schaden. Gerade in den Ferien. (mli)

Das Buch enthält als Beilage ein kleines Ferientagebuch. "Der kleine Nick macht Ferien" bei Amazon bestellen.

In der Kriegshölle

Es ist ein trostloser Ort, an dem die Truppe junger italienischer Soldaten landet: Ein dreckiger Vorposten in der afghanischen Provinz Herat, der von einem zwei Kilometer großen Sicherheitspuffer umgeben ist - dahinter lauert der unsichtbare Feind. Von dem aber bekommt der "Zug Charlie" in den ersten Wochen nichts mit. Die Soldaten leben auf engstem Raum zusammengepfercht, langweilen sich, quälen sich gegenseitig mit sadistischen Spielchen, der Gruppenzwang nimmt groteske Formen an. Als im Camp die Ruhr ausbricht, fallen auch die letzten körperlichen Hemmungen. Dann kommt der Tag, an dem die Truppe die Sicherheitszone verlassen muss, um eine afghanische Lkw-Kolonne zu eskortieren. Alles läuft gut, kein Taliban ist zu sehen - bis in einem engen Tal eine Schafherde auf den Konvoi zustürmt. Sekunden danach ist nichts mehr, wie es einmal war.

"Der menschliche Körper", Rowohlt, 416 Seiten, 19,95 Euro.

"Der menschliche Körper", Rowohlt, 416 Seiten, 19,95 Euro.

Für die Soldaten, die lebend und körperlich unversehrt von dem Einsatz zurückkehren, beginnt in Italien der eigentliche Kampf: Sie versuchen alles, um die Erinnerung an das blutige Kriegserlebnis abzuschütteln. Aber kein neuer Beruf, kein neuer Wohnort, keine neue Bartlänge und keine neue Frau können sie von den verstörenden Bildern in ihren Köpfen befreien.

In seinem zweiten Roman "Der menschliche Körper" seziert der italienische Bestsellerautor Paolo Giordano ("Die Einsamkeit der Primzahlen") die Gefühlswelt der Soldaten. Drastisch beschreibt der 31-Jährige die Zeit vor, während und nach der Kriegshölle und lässt im "Zug Charlie" die verschiedensten Typen aufeinandertreffen: den verantwortungsbewussten Feldwebel, den depressiven Militärarzt, das naive Muttersöhnchen und den Großkotz, der keine Gelegenheit auslässt, seine Kameraden zu piesacken. So klischeehaft das klingt: Giordano versteht es, ein komplexes Beziehungsnetz zu entwerfen, falsch verstandene Männlichkeit aufzudecken und die erbarmungslose Kriegsrealität in die Wohnzimmer seiner Leser zu tragen. Ein eindringliches Kriegsbuch, das lange nachhallt. (kse)

"Der menschliche Körper" bei Amazon oder bei iTunes bestellen.

Als die Massen die Alpen entdeckten

Miss Jemima Morrell reist im Sommer 1863 in die Alpen. Allerdings hat diese Reise nichts gemein mit der heutigen Outdoorwelt des Massentourismus. Es ist aber der erste Schritt dahin. Denn Miss Jemima ist Teilnehmerin der ersten von Thomas Cook durchgeführten Pauschalreise in die Schweiz und zum Mont Blanc. Wer sich vorstellt, die achtköpfige Reisegruppe hätte lediglich entspannte Spaziergänge unternommen, wird von der anspruchsvollen und kräftezehrenden Reiseroute überrascht sein. Denn die damals 31-jährige Miss Jemima und ihre Mitreisenden waren entschlossen, die Alpen in ihrer ganzen Pracht nicht nur zu Fuß, sondern auch bei jedem Wetter und zu jeder Tageszeit zu erleben.

"Miss Jemimas Journal", Rogner & Bernhard, 150 Seiten, 17,95 Euro (Buch), 14,99 Euro (digital).

"Miss Jemimas Journal", Rogner & Bernhard, 150 Seiten, 17,95 Euro (Buch), 14,99 Euro (digital).

Die Tochter aus begütertem Hause hatte sich damit auf eine durchaus beschwerliche und auch keineswegs preiswerte Unternehmung eingelassen, wie sie in ihren gleichermaßen präzisen wie witzigen Beschreibungen, die nach ihrem Tod entdeckt wurden, nicht müde wird zu betonen. "Kurz darauf gelangten wir zu einer Stelle, an der gebührende Vorkehrungen für den Abstieg auf den Gletscher getroffen worden waren - namentlich zwei Planken aus Tannenholz mit Querstreben, die als Stufen dienen, auf denen der Wanderer, ungeachtet des unter ihm gähnenden Abgrunds, fröhlich hinabsteigen soll." Auch 150 Jahre nach ihrer Niederschrift haben Morells Beschreibungen nichts von ihrer Faszination verloren. Die Reisegefährten und ihre Marotten, die Unterkünfte und deren Angebote, die unvergleichlich schöne Landschaft - all das kann man durch Miss Jemimas Augen noch einmal neu sehen. (sba)

"Miss Jemimas Journal: Eine Reise durch die Alpen" bei Amazon als Buch oder digital oder bei iTunes bestellen.

Auf die Größe kommt es an

Der See ist ein Binnengewässer, nicht zu klein, sonst wäre es ja ein Teich, aber auch nicht gerade ein Meer. Denn wenn die Meeresgröße erstmal erreicht ist, lässt der See sein männliches Geschlecht hinter sich und wird weiblich: die See. Egal, ob nun im Osten, im Norden oder im Süden. Dann nimmt der Seemann seinen Seesack und fährt zur selbigen und über alle Weltmeere (deren genaue Anzahl höchst umstritten ist). Wieso, weshalb, warum? Rolf-Bernhard Essig ist der Frage nachgegangen, was den See und die See unterscheidet, wie Ostsee, Mittelmeer und Pazifischer Ozean zu ihren Namen kamen und warum Ärmelkanal, Rossbreiten, Golfstrom und Taifune genau so und nicht anders heißen. Mithin geht es um alles, was mit Gewässern zu tun hat, weshalb sein Buch "Ein Meer ist eine See ist ein Ozean" folgerichtig im Mare Verlag erscheint.

"Ein Meer ist eine See ist ein Ozean", Mare, 256 Seiten, mit Illustrationen von Papan, 14,95 Euro.

"Ein Meer ist eine See ist ein Ozean", Mare, 256 Seiten, mit Illustrationen von Papan, 14,95 Euro.

Das Buch ist eine kleine Kulturgeschichte, die Mythen, Sagen und Seemannsgarn mit sprachwissenschaftlicher Finesse und Detailreichtum kombiniert - und dabei einige Überraschungen bereit hält. Wer etwa wüsste schon noch, dass die Nordsee bis zum Ersten Weltkrieg auch Deutsches Meer oder German Sea genannt wurde, bis dieser Name bei den damaligen Kriegsgegnern verschmäht wurde? Und was hat Benjamin Franklin mit dem Golfstrom zu tun, was der Taifun mit den Titanen, woher bekam Detroit seinen Namen und welcher Ozean ist nach einem Fluss benannt? Essig geht diesen Fragen gewissenhaft nach - und bezieht dabei dankenswerterweise auch etliche nicht-europäische Quellen ein. Das macht er so penibel, dass man manchen Satz ob seiner Detailwucht zweimal lesen muss. Aber die Zeit sollte man sich nehmen, wenn man sich am Strand eines Sees lümmelt. Oder einer See. Je nachdem. (mli)

"Ein Meer ist eine See ist ein Ozean" bei Amazon bestellen.

Ein Familienschicksal

Walter Benjamin war Philosoph und Autor. Hilde Benjamin war als Justizministerin der DDR und als "rote Guillotine" verschrien. Georg Benjamin war Kommunist und Arzt, ermordet im KZ Mauthausen. Dora Benjamin war Sozialwissenschaftlerin, als Jüdin ins Exil getrieben. Michael Benjamin war Rechtsprofessor in Moskau und Ost-Berlin. Die verschiedenen Leben der Benjamin-Familie stehen exemplarisch für die deutsche Geschichte.

"Die Benjamins", Aufbau, 361 Seiten, 22,99 Euro.

"Die Benjamins", Aufbau, 361 Seiten, 22,99 Euro.

Das hat auch Uwe-Karsten Heye gesehen, als er im Familienarchiv zunächst nach Spuren von Hilde Benjamin suchte. Doch irgendwie hing jeder mit jedem zusammen, und so wurde aus der ursprünglichen Idee ein Familienporträt. Da sind zunächst Walter, Georg und Dora, Kinder einer assimilierten, wohlhabenden und gebildeten Familie, die mit dem Ersten Weltkrieg politisch angezündet werden. Jüdisch und kommunistisch, das wurde später eine lebensbedrohliche Mischung. Georg heiratet später Hilde, sie bekommen Sohn Michael, über das Schicksal von Frau und Kind reicht die Geschichte bis in die DDR und darüber hinaus ins Heute hinein.

Doch obwohl Heye durchaus fasziniert von seinen Protagonisten ist, nimmt er sie dann doch nicht wichtig genug. Besonders wenn es um die Bewertung der DDR, die Arbeit von Hilde Benjamin und seine eigene Meinung über den Wiedervereinigungsprozess geht, wäre mehr Zurückhaltung angebracht gewesen. Zu oft steht der Buchautor im Fokus, anstelle der äußerst erzählenswerten Lebenswege der Benjamins. (sba)

"Die Benjamins: Eine deutsche Familie" bei Amazon bestellen.

Von Bunkern und Bomben

Mal duckt er sich in den Sand an der Meeresküste, mal überragt er monströs die Skyline einer Stadt: "Ein Bunker muss unförmig sein, ein unförmiges Ungetüm. Die Bomben müssen Respekt vor ihm empfinden. Aber Bomben sind zynisch, zynisch wie Menschen. Sie kennen keinen Respekt. Menschen erfinden neue Bomben gegen Bunker und neue Bunker gegen Bomben und wieder neue Bomben und wieder neue Bunker und so weiter", schreibt Christian Welzbacher in seinem Essay "Bunker. Expedition zum Nullpunkt der Moderne".

"Bunker", Matthes & Seitz, 188 Seiten, 22,90 Euro.

"Bunker", Matthes & Seitz, 188 Seiten, 22,90 Euro.

Der Journalist und Kunsthistoriker geht in seinem Buch der Frage nach, was die Betongiganten über ihre Erbauer verraten - und stellt provokante Thesen auf. Zum Beispiel die: Der Bunker wurde erfunden, um den Menschen Sicherheit zu bieten, wird aber nicht selten zur Todesfallen, als Schutzraum sei er daher möglicherweise "eine grandiose Fehlkonstruktion" und nichts als ein Kunstwerk. Oder die: Wer sich mit Bunkern versucht zu panzern, der hat nicht nur Angst, sondern auch den ausgeprägten Impuls, selbst anzugreifen. Warum dann ausgerechnet die neutrale Schweiz mit geschätzten 300.000 Schutzräumen das am besten verbunkertste Land der Welt sein soll, auch dafür hat Welzbacher eine Erklärung.

Das Buch bietet nicht nur inhaltlich einige Überraschungen. Der Autor spielt mit unterschiedlichen Textformen: Eine Reportage führt zu bunkerähnlichen Betonkirchen wie Notre-Dame-du-Haut de Ronchamp von Le Corbusier, ein "princecharming" schreibt an "eliza" E-Mails über Entstehung und Form der Schutzräume und kurze Texte sind als Lektüre für den Aufenthalt in einem Bunker gedacht. Ein Skype-Gespräch unter Experten lässt mitunter die Grenze zwischen Fakten und Fiktion verwischen und am Ende stellt sich der Leser unweigerlich die Frage: Lebte Familie Miller tatsächlich wegen eines vermeintlichen Atomangriffs fast 40 Jahre lang in einem unterirdischen Bunker und war unwissentlich Teil eines Experiments, das böse endete? (kse)

"Bunker" bei Amazon bestellen.

Die seltsame Welt der Oper

"Bravo, bravissimo", Reclam, 216 Seiten, 19,95 Euro.

"Bravo, bravissimo", Reclam, 216 Seiten, 19,95 Euro.

Opern sind angestaubt und langweilig? Von wegen, sie sind Psychothriller, Liebesromanze, Heldendichtung und keine noch so abwegigen Intrigen sind ihnen fremd. Auf dieses musikalische Feuerwerk der Emotionen möchte Stefan Siegert mit seinem Buch "Bravo, bravissimo! Oper für Einsteiger" Lust machen und stellt 17 der gängigsten Opern auf sehr persönliche Art und Weise vor. Seine Inhaltsangaben sind alles andere als ein dröges Nacherzählen der Handlung: Auf bis zu zehn Seiten entwirft der Autor spannend und modern erzählte Geschichten, webt gekonnt Zitate aus den Libretti ein und glättet auch die eigenwilligen und oft wundersamen Wendungen nicht, die eine Oper erst zu einer Oper machen.

An die Erzählungen schließen sich jeweils Dialoge mit dem Holzwurm an, den der Autor ursprünglich für Kinder-Opern-CDs erfunden hat. Das Gliedertier ist ein ausgewiesener Kenner der Werke, hockte es doch bei diversen Uraufführungen in einem der Holzinstrumente. Munter plaudert der Wurm über die Komponisten, die Entstehungsgeschichte, die historischen Hintergründe der Opern und gibt kleine Anekdoten zum Besten. Nebenbei klärt er charmant darüber auf, warum Tamino langweilig und ein ganz anderer der Held der "Zauberflöte" ist, weshalb die Zensur an Verdis "Rigoletto" herummäkelte und bei welchem Komponisten immer die Frauen den Schlamassel der Männer ausbaden müssen. Nicht nur für Einsteiger, sondern auch für Kenner ist das Buch eine schöne Einstimmung auf einen Opernabend. (kse)

"Bravo, bravissimo" bei Amazon oder bei iTunes bestellen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen