Musik

Frauen in der Männerdomäne Heavy Metal Sie schreit nicht, sie growlt

10.03.2014, 11:04 Uhr
imageVon Matthias Bossaller
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Angela Grossow sieht aus wie eine Frau und klingt auch wie eine! (Foto: imago stock&people)

Muskulöser Hüne mit nacktem Oberkörper - ihm zu Füßen eine halbnackte Frau: So sieht für viele Heavy Metal aus. Doch das Klischee einer testosterongesteuerten Macho-Welt, in der das weibliche Wesen als reines Lustobjekt dient, gibt es kaum noch.

Angela Gossow schreit oder besser gesagt: Sie growlt. Das ist der Fachbegriff für das gutturale Gegrunze, wie es im Death Metal verwendet wird. Die Sängerin der Band Arch Enemy hat sogar im Rahmen eines wissenschaftlichen Kongresses einen Gesangs-Workshop zu dem Thema "Extreme, Aggressiv, Female" gegeben. Die 39-Jährige mag es nicht, wenn ihr gesagt wird, dass sie sich beim Growlen wie ein Mann anhört. "Ich klinge wie eine Frau, die ein kräftige Stimme hat", stellt sie klar. Männer hätten schon immer "laut und wütend sein dürfen, Frauen klein und leise sein müssen", sagt Gossow, "doch dieses alte Denken löst sich zum Glück langsam auf."

Die Kölnerin verhält sich außerhalb der Konzerthalle eher unauffällig, fast schon schüchtern. Auf der Bühne wird die Blondine aber zur Berserkerin. Da gilt das Motto: geiferndes Gebrüll statt Goldkehlchen-Geträller. Zu Beginn ihrer Karriere habe sie sich noch trauen müssen, aus sich herauszugehen. "Heute sind brüllende Frauen aber nicht mehr ganz so revolutionär", findet sie.

Nicht nur sexy

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Doro - mehr als ein Pin-Up für Heavy Metaller. (Foto: imago stock&people)

Eine der ersten Frauen, die ihre Stimme erhoben hat, war Doro. Als Vorreiterin im hart rockenden Geschäft hat sich die Düsseldorferin den Titel Metal-Queen redlich verdient. Sie startete 1982 mit Warlock ihre Karriere und ist bis heute als Solistin immer noch erfolgreich. "Ich habe damals einfach das gemacht, was ich fühlte, egal, ob ich jetzt ein Mann oder eine Frau bin", erzählt Doro, die zunächst gar nicht wusste, "dass die Musik, die wir gespielt haben, Heavy Metal war". Die heute 49-Jährige zeigte früh, dass sie etwas kann, was ihr die männlich dominierte Metal-Szene nicht zugetraut hatte. Dass die blonde Sängerin in vielen Zimmern von Metalheads vor 30 Jahren als Poster über dem Bett hing, verdankte sie indes nicht nur ihren musikalischen Fähigkeiten.

Allein auf ihr Sex-Appeal reduziert werden möchte aber keine der Frauen. Sie wollen für ihre künstlerische Arbeit respektiert und akzeptiert werden. "Wenn du deinen Job machst und nicht nur das schöne Mädchen bist, ist alles kein Problem", sagt Cristina Scabbia von der Band Lacuna Coil. Die Italienerin ist Sängerin bei einer der Gruppen, die in den 1990er Jahren das Spektrum des Genres mit dem sogenannten Symphonic Metal erweitert haben. Der Wechselgesang zwischen den hohen weiblichen und den tiefen männlichen Stimmen war stilprägend.

Platz für jede(n)

Bands mit Frauen am Mikrofon wie Within Temptation oder Nightwish sind zusammen mit Lacuna Coil führende Vertreter ihres Genres. An ihnen orientierten sich viele andere Bands, was immer mehr Frauen in den Heavy Metal brachte. "Mittlerweile gibt es so viele verschiedene Richtungen im Metal, da gibt es Platz für jeden", erklärt Scabbia, die auf ihrem Weg nach oben nur zu Beginn komisch angeschaut wurde. Wirklich schlechte Erfahrungen hat sie mit dem männlichen Geschlecht nie gemacht. "Selbst wenn ich ziemlich sexy angezogen bin, hat sich kein Mann in meiner Gegenwart danebenbenommen."

Scabbia findet es nicht anstößig, ihre weiblichen Reize gezielt einzusetzen. Mit ihrer Band war sie 2007 Teil der vom US-amerikanischen Revolver-Magazin gesponserten "Hottest Chicks in Metal-Tour". Der Titel ist ihrer Meinung nach nicht glücklich gewählt, er unterstreiche lediglich, dass auf dieser Tour in jeder Band eine Frau stand. Und nein, es handelt sich auch nicht um eine Stripclub-Show. Der Mailänderin ist es wichtig, Kontrolle über ihr Image zu haben. "Ich würde nie meine Seele oder meinen Körper auf billige Art und Weise verkaufen."

Eine Metal-Sängerin, die sich gerne etwas freizügiger präsentiert, ist Jill Janus von der Band Huntress. Das frühere Model, das von sich behauptet, eine Hexe zu sein, scheut das Spiel mit dem Feuer keineswegs. "Wenn du das gewisse Etwas hast, zeige es", lautet ihre Devise. Gleichzeitig gibt sie aber zu bedenken: "Wenn sich die Frauen dazu entscheiden, Haut zu zeigen, bringen sie sich automatisch in eine Situation, in der sie kritisiert werden können. Du musst also aufpassen, dass du dir nicht die Finger verbrennst." Was sie damit meint? Die Stimme sollte im Vordergrund stehen, nicht die scharfen Kurven.

Von Männern für Männer?

Die studierte Opernsängerin kam erst recht spät zum Metal und hatte anschließend das Glück, einen wichtigen, wenn nicht den wichtigsten männlichen Fürsprecher im Rock'n'Roll-Business zu haben. Lemmy von Motörhead schrieb ihr einen Songtext mit dem expliziten Titel: "I want to f**k you to death". Janus seufzte: "Das ist das Romantischste, was ein Mann jemals für mich getan hat".

Warum der Frauenanteil im Heavy Metal immer noch relativ gering ist, erklärt die Musikwissenschaftlerin Sarah Chaker. Für sie ist der Metal eine Welt, die von Männern für Männer gemacht wurde. "Die Szene ist für Männer ein Art Nische oder Spielwiese, in der sie von Frauen weitgehend ungestört unter sich sein können und dann dort all die Dinge tun können, die Männer ihrer Meinung eben so tun sollten ...", vermutet Chaker.

Die Band Arch Enemy hatte allerdings keine Probleme, eine Frau in ihren Reihen aufzunehmen. Damit eventuelle Akzeptanzprobleme gegenüber Gossow erst gar nicht auftreten konnten, bediente sich das Quartett eines Tricks: Als Gossow im Jahr 2000 als Nachfolgerin für Johan Liiva der Death-Metal-Kombo beitrat, verriet die Band zunächst nicht, dass die vakante Stelle eine Frau besetzt hatte. Als die Gruppe das erste gemeinsame Album veröffentlicht hatte, wusste die Öffentlichkeit noch immer nicht, wessen Stimme dort zu hören war. Die Fans spekulierten im Internet: "Geil, das könnte der oder der sein." Als die Band dann das Geheimnis lüftete, konnte niemand mehr sagen: "Für eine Frau klingt das ja ganz gut."

Quelle: ntv.de