"Our Idiot Brother" und der kleine Lebowski Ehrlich währt am chaotischsten
16.05.2012, 11:37 Uhr
"Our Idiot Brother" meint es nur gut: Ned, die Mischung aus Big Lebowski und Forrest Gump ist im Auftrag der Ehrlichkeit unterwegs.
(Foto: 2011 The Weinstein Company)
Böse Welt. Zynische Welt. Verlogene Welt. Ned versteht sie einfach nicht. Dabei will er doch nur in Frieden leben, sein Gemüse verkaufen und ab und zu einen Joint rauchen. Als er auf der Straße steht, bietet sich immerhin die Gelegenheit, der Verlogenheit den Kampf anzusagen. Und sei es um den Preis, das Leben seiner Schwestern ins Chaos zu stürzen.
Die Eingangsszene von "Our Idiot Brother" kann man kaum in Worte fassen: Ned (Paul Rudd), schluffiger Hippie und Biobauer, steht auf dem Wochenmarkt an seinem Stand und freut sich des Lebens. In seiner unvoreingenommenen Nettigkeit bietet er dem (uniformierten) Polizisten, der über Stress und Verspannungen klagt, Haschisch an. Dass Ned sich dann aber noch überreden lässt, Geld anzunehmen, wird ihm zum Verhängnis: Die Handschellen klicken und Ned landet als Dealer im Gefängnis.
Diese Eingangssequenz ist nicht nur sehr witzig, sie umschreibt auch Neds Gemüt sehr treffend: Er liebt die Welt und die Menschen und möchte einfach nur in Frieden leben, vielleicht mit einem schönen Joint ab und zu. Dass er so auch die Zeit im Knast gut übersteht (und viele neue Freunde findet), versteht sich von selbst. Doch seine Freundin, der der Bauernhof gehört, hat inzwischen einen Neuen. Ned steht auf der Straße und er darf nicht einmal seinen geliebten Hund wiedersehen. Was liegt da näher, als wieder bei Mutti (Shirley Knight) einzuziehen?
Das Who-is-Who der Klischee-Kiste

Natalie (Zooey Deschanel) mit ihrer Freundin Cindy (Rashida Jones).
(Foto: 2011 The Weinstein Company)
Mutti freut sich und auch der Rest der Familie, der sich zum Sonntagsessen versammelt, ist voller Mitgefühl. Dass Ned, genervt von der Bevormundung durch seine Mutter, die großzügigen Übernachtungsangebote auch annimmt, kann man ja nicht ahnen. Aber so kommt es und systematisch bringt Ned durch seine freundlich-anarchistische Art das Leben seiner drei Schwestern gehörig durcheinander.
Hier wird der Film, der so großartig anarchistisch beginnt, leider etwas zu konventionell. Schon die Schwestern wirken wie ein Who-is-Who aus der Klischeekiste: Liz (Emily Mortimer) ist die aufopfernde Mutter mit dem arroganten Ehemann und dem (vermeintlich) perfekten Leben. Miranda (Elizabeth Banks) ist die Karrierefrau aus dem Lehrbuch, der ihr Handy näher ist als jeder Mitmensch. Die lesbische Natalie (Zooey "New Girl" Deschanel) wiederum mag es eher unkonventionell, was aber auch nicht für weniger Gefühlsverwirrungen sorgt.
Lebenslügen kontra Ehrlichkeit
Wie sich der naiv-nette Ned, eine Mischung aus Forrest Gump und (einem kleinen) Lebowski, in das Leben aller drei Schwestern einmischt, sie mit ihren (Lebens-)Lügen konfrontiert und ein heilloses Chaos anrichtet, ist sehr witzig anzusehen. Denn er benutzt eine so schockierende, wie gefährliche Waffe: Ehrlichkeit. Paul Rudd stellt das sehr charmant und überaus treffend dar und sticht aus dem sonst eher durchschnittlichen Ensemble heraus.
Dass am Ende alles, wirklich alles gut wird, ist klar. Doch diese US-amerikanische Familienidylle hinterlässt einen schalen Beigeschmack. Ohnehin wirkt die Geschichte arg konstruiert: Der Ehemann, der fremdgeht, der Nachbar, der sich als Traummann entpuppt, eine ungewollte Schwangerschaft - die Zufälle sind ein bisschen zu zahlreich, um zu einer glaubhaften Geschichte zu werden. Der Film schafft es nicht immer, dies durch seinen Humor zu überspielen. Die Grauzonen zwischen Gut und Böse, zwischen Lüge und Ehrlichkeit kommen hier nicht vor. Das ist herzerwärmend, aber irgendwie auch öde.
Quelle: ntv.de