Jasmin Tabatabai - "Eine Frau" Sie singt aus der Seele
15.09.2011, 12:50 Uhr
Kann denn Liebe Sünde sein?
Gerade hat sie ein Telefon-Interview geführt, das ihr irgendwie gegen den Strich ging. Blöde Fragen nerven. Da hat sie überhaupt keine Lust drauf, berechtigterweise. Vor allem, wenn man echt was zu sagen hat. Jasmin Tabatabai will zwar eigentlich nur ihr Album promoten, aber so ganz gegen ihre Natur kommt sie natürlich - sympathischerweise - nicht an. Und so redet sie eben nicht nur über ihr neuestes Projekt, sondern auch mit gleicher Leidenschaft über dies und das, Gott und die Welt, weniger allerdings über Krethi und Plethi.
n-tv.de: Ich wollte mir heute mal so nebenbei Ihr neues Album anhören ... das geht aber nicht. Entweder man hört das richtig oder gar nicht.
Jasmin Tabatabai: Oder beim Putzen, zum Putzen ist es auch super. Oder zum Bügeln.
Nee, da muss es doch immer eher etwas härtere Musik sein.
Atari Teenage Riot?
Ja, laut und schlimm eben.
Ja, okay, oder eben mein neues Album, dann putzt es sich ein wenig beschwingter. (lacht)
Dann kommen wir mal zum Album. Ich hoffe, ich frag jetzt nicht so blödes Zeug wie die Dame vor mir am Telefon. Und auch nichts Doppeltes.
Ja, bitte, aber es ist eigentlich ganz einfach mit mir, ich erzähl' nämlich gern! (lacht wieder) Man muss mich eher stoppen!
Wir unterhalten uns ein bisschen über ihre bisherigen Rollen und die ihres Lebensgefährten Andreas Pietschmann, über Kinder und deren Musikvorlieben und über Filme, die man für Kinder drehen sollte (Tabatabai ist bald in Beutolomäus zu sehen), kommen dann aber auch endlich zum neuen Album.
Dann mal los. Und keine Boulevard-Fragen, hab' ich gehört.
Ach, von mir aus. Obwohl die Frage, die mich eigentlich am meisten nervt, ist: "Sagen Sie mal, Frau Tabatabai, sind Sie denn nun eigentlich Schauspielerin oder Sängerin?" Also echt, das kann ich nicht mehr hören.
Mist, das war eigentlich meine erste Frage, dann überspring ich die mal. Aber ich hätte noch so eine, die Sie bestimmt super finden: "Wann heiraten Sie?"
Ach so, ja, stimmt, weil ich gesagt habe, dass wir verlobt sind. Das ist natürlich klar, dass da alle fragen. Wir haben es noch nicht getan, würden aber natürlich SOFORT Bescheid sagen! (lacht)
Da bin ich beruhigt.
Wir heiraten bestimmt, ich weiß nur noch nicht wann. Ja, es ist doch selbstverständlich, dass der Mann, wenn man mit ihm ein Kind hat, fragt, oder? Stell dir vor, du hast ein Kind mit einem Mann und der sagt: Alles schön, Schatz, aber heiraten kann ich dich nicht.
Ja, das soll vorkommen ...
Verstehe ...
Ja, also, heiraten ist vielleicht total überbewertet, aber doch auch sehr romantisch. Never say never.
Genau. Irgendwann mal, egal, wie selbstbewusst du bist, willst du mal gefragt werden. Das geht doch nicht, dass man jemanden liebt und sagt: "Ja, ich liebe dich, aber heiraten muss echt nicht sein." Oder: "Ein Kind kommt für mich überhaupt nicht in Frage mit dir!" Ich meine, irgendwann denkst du dann doch: Warum eigentlich nicht?" Und dann geht der Schlamassel los.
Jetzt sind wir immer noch nicht beim Album, sondern reden erstmal über die Brautkleider von Kaviar Gauche, aber jetzt!
Ist "Eine Frau" denn ein reines Frauending? Und was bedeutet es für Sie, eine Frau zu sein?
Im Kontext mit der Platte ist es ganz eindeutig so gemeint, dass Frau sein einfach etwas völlig anderes ist, als ein Mädchen zu sein. Oder auch eine ganz junge Frau. Es bezieht sich wirklich auf eine Frau, die in meinem Alter ist. Ich bin jetzt 44, das ist mein Alter, und ich finde, es ist ein ganz tolles Alter. Man ist natürlich nicht mehr so ganz jung, das Spiegelbild sagt auch oft schon mal: "Oh Mann, nee, naja ..." (Tabatabai schneidet ein paar Grimassen)
Aber da bewegt sich noch alles!
Ja, ich will auch unbedingt noch weiterhin so und so und so machen können (runzelt die Stirn, rollt mit den Augen), und ich will ja auch gar nicht mehr zwanzig sein, aber ich denke schon, man, das ging ganz schön schnell! Ich mag allerdings diese Gelassenheit, die man im Laufe der Jahre gewinnt. Auf der anderen Seite ist die Vorstellung, dass die nächsten zwanzig Jahre auch so schnell vergehen, schon gruselig. Wo bin ich denn dann mit sechzig?
Diese Frage haben Sie sich bereits gestellt?
Sicherlich. Wenn man so in der Mitte seiner Jahre steht, dann guckt man doch: Was habe ich alles und was möchte ich noch? Und ist das, was ich gerade mache, auch gut? Oder reibe ich mich eigentlich nur auf? Muss ich hier und da vielleicht etwas neu überdenken, sollte ich mich von Menschen und Dingen trennen, die nicht gut für mich sind? Ich glaube, das ist ganz natürlich. Das bedeutet für mich aber auch, erwachsen zu sein, das auch zu akzeptieren.
Ist man Mitte vierzig vielleicht in so einer Art zweiten Pubertät? Wo man sich nochmal neu erfindet und wo auch ganz viel passiert?
Habe ich noch nicht so empfunden, aber bei Menschen, die nicht in einer Beziehung stecken mag das schon sein. Oder Leute, die sich nicht ausgelebt haben. Oder warum kaufen sich - meist ja Männer - sonst einen Porsche oder eine Harley?
Hat man mit Mitte vierzig vielleicht auch nochmal so Mädchenattitüden?
Ja, vielleicht, die kann man ja nun mit und ohne Beziehung haben. Am besten ist es doch, wenn man es nimmt, wie es ist.
Und das Tolle für mich am Gesang ist, vor allem wenn er reduziert ist, eher jazzig, nicht technisch überlagert und wo man ganz genau die Stimme hört, dass du deine Stimme echt nicht faken kannst. Und dass man ganz genau hören kann, ob das echt ist, was man da von sich gibt. Hat der Sänger oder die Sängerin was erlebt, oder eher nicht? Weiß er oder sie, wovon er redet? Mit zwanzig kann man einfach nicht so singen wie mit vierzig, und in nichts spiegelt sich das meiner Meinung nach so wider wie in der Stimme.
Auf der CD kann man das tatsächlich gut hören, dass Frau Tabatabai wohl weiß, wovon sie da singt. Und das Album ist fantastisch aufgenommen.
Wann kann man Sie denn live erleben?
Ende Oktober geht's auf Tour, da freu ich mich drauf! Ich bin schon sehr gespannt, wer da alles kommt und wer nicht. Es ist ja eine vollkommen andere Art von Musik. Ich weiß überhaupt nicht, ob die Leute, die mich von meinen bisherigen Solo-Platten kennen oder von "Bandits", ob die mir folgen werden. Die sind ja Kummer gewöhnt. (lacht) Ich mach' ja immer wieder etwas anderes und probiere viel aus. Aber das gehört für mich eben dazu.
Im Zusammenhang mit Ihnen fällt gern das Wort "eigenwillig". Stört Sie das oder ist es okay?
Ach, ich mach' mir darüber eigentlich keine Gedanken, was die anderen sagen oder wie sie mich finden. Ich bin so, wie ich bin. Und was ist eigenwillig denn eigentlich? Einen eigenen Willen zu haben? Dann ist es doch gut, dann bin ich gerne eigenwillig. Oder hat das was Schrulliges?
Nee, ...
So seh' ich mich auch nicht, ich habe ja keine besonderen Spleens oder so. Aber generell ist es wohl nicht so leicht, mich in eine Schublade zu packen.
Das gefällt Ihnen aber, oder?
Ja, wobei ich echt auch nicht weiß, wozu man das braucht. Aber so funktioniert anscheinend unsere Gesellschaft. Man will wissen woran man ist, und hier in Deutschland auch noch mehr als anderswo auf der Welt. Früher war es zum Beispiel ganz normal, dass man singen und spielen konnte als Künstler. Schauspieler haben gesungen und Sänger haben geschauspielert. Wenn man zum Beispiel mal an diese Revuefilme denkt.
Interessiert Sie das?
Ja, ich hab' ja "Bandits" gemacht, das war schließlich ein Musikfilm. Aber vor 50 Jahren wäre ich wohl eine klassische Revue-Film-Darstellerin geworden.
Hätten Sie da gern gelebt?
Weiß ich nicht, vielleicht mal ein Ausflug in die Zeit wäre schön. Aber ich lebe schon gern im Hier und Jetzt. Gerade für Frauen hat sich viel getan und das ist auch gut.
Wenn man die Lieder: "Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben" aus den Zwanziger Jahren und "Eine Frau", ein Song von heute, der extra für Sie geschrieben wurde, auf dem neuen Album hört, dann ist es eigentlich fast egal, aus welcher Zeit die stammen, beide klingen höchst aktuell.
Ja, das ist aus einer ganz besonderen Zeit, die Texte von Alfred Grünwald oder Robert Liebmann aus den Zwanzigern sind sehr speziell. Die waren damals schon sehr modern! Schlagertexte aus den Fünfzigern hingegen sprechen eine ganz andere, viel konservativere Sprache.
Anderseits kann man sich einen Song von Alexandra aus den Sechzigern heute auch noch gut anhören. An Stellen vielleicht ein wenig pathetisch, aber durch diese Ernsthaftigkeit ist es immer noch gut.
Ist sie ein Vorbild - auch rein optisch?
Ja, ich bin ein riesen Fan, und auch meine Mutter hatte so eine Frisur. Es passt gut zu meiner Musik.
Der Schweizer Produzent und Musiker David Klein hat 10 Jahre versucht, mit Ihnen zusammenzuarbeiten, warum hat das so lange gedauert?
Naja, weil er immer so viel zu tun hat und ich auch. Wir arbeiten ja auch schon eine ganze Weile an der Platte, das ist ja ein langer Prozess.
Wie darf man sich das denn vorstellen, wenn einem ein Lied direkt auf den Leib geschneidert wird?
Naja, da wird die Musik genau auf meine Stimme, meine Tonlage angepasst, sowohl bei neuen Stücken als auch bei alten. Das kann dauern. Es muss die Tonart gefunden werden, zu der meine Stimme am besten passt, in der ich mich am wohlsten fühle, das ist natürlich ein großer Luxus. Vor allem, wenn man mit Musikern zusammen arbeitet, die überwiegend im Jazz zu Hause sind. Die Arbeitsschritte werden von Mal zu Mal, von Probe zu Probe, verfeinert. Bis am Schluss alle glücklich und zufrieden sind.
Das ist dann ein Unterschied wie bei einem Kleid von der Stange und einer Maßanfertigung.
Und bei den Texten, haben Sie da mitgearbeitet?
Nein, das ist mein großer Vorteil als Schauspielerin, ich bin es ja gewohnt, mir fremde Texte anzueignen und zu interpretieren.
Welches sind Ihre Lieblinge auf dem Album?
Mir geht das Herz immer bei den langsamen Sachen auf. "Ich weiß nicht, zu wem ich gehöre" und "Chanson d'Helène" sind momentan meine Favoriten, aber das kann sich schnell wieder ändern.
Und "Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben"?
Das liebe ich auch sehr, es ist so unglaublich lässig. Und wer schreibt heutzutage noch solche Texte?
Was sind die nächsten Pläne?
Erstmal das Album. Dann Ruhe einkehren lassen und dann wahrscheinlich etwas ganz anderes. Obwohl ich mir vorstellen kann, noch so ein Album zu machen. Vor allem aber möchte ich live auftreten. Am liebsten jeden Abend in einer Spelunke in Berlin.
So wie eine Las-Vegas-Show, nur in Klein?
Ja, das wäre großartig. Für drei Jahre verpflichtet werden.
Welche Musik hören Sie zu Hause?
Von Motown über Atari Teenage Riot bis hin zu Tokio Hotel, weil meine Tochter das ständig hört. Ich höre alles, ganz unterschiedliche Sachen.
Was sind Ihre Wünsche für die nächste Zeit?
Dass mein Album gut läuft. Ich bin wirklich so stolz darauf und finde, dass das das Beste ist, was ich musikalisch aus mir herausholen konnte. Deswegen möchte ich dieses Gefühl mit möglichst vielen Menschen teilen.
Und klar möchte ich auch wieder drehen, aber meine Kinder sind ja noch klein, da reicht mir das Programm jetzt eigentlich. (lacht) Es geht ja nicht alles gleichzeitig!
Sind Sie inzwischen eigentlich genervt, wenn man Sie auf Ihre iranische Herkunft anspricht?
Nein, überhaupt nicht! ich rede gerne darüber, wo ich herkomme. Ich rede aber nicht gerne darüber, welchen Glauben ich habe.
Ist das eine häufige Frage?
Ja, in letzter Zeit werde ich verstärkt danach gefragt, ob ich Moslem bin. Und wie gläubig ich bin oder ob ich es überhaupt bin. Das ist so seit der Sarrazin-Debatte, das ist schon sehr auffällig. Ich finde, da herrscht momentan eine ganz merkwürdige Atmosphäre und wir sollten alle nochmal ganz in Ruhe über diese Thematik, die Herr Sarrazin da angesprochen hat, nachdenken. Ich finde, das Klima bei uns hat sich seitdem vergiftet.
Bekommen Sie das persönlich zu spüren oder beobachten Sie es?
Ich beobachte es. Aber ich finde es auffällig. Außerdem finde ich, dass Glauben Privatsache ist. Die Leute bringen auch alles durcheinander: Islamismus und Islam, ich habe ständig das Gefühl, dass ich mich erklären müsste. Das finde ich schon belastend.
Ich rede also gerne über meine Herkunft, aber ich will nicht in irgendeinen Topf geworfen werden. Und die Art und Weise, wie seit letztem Jahr diskutiert wird, finde ich auch verstörend. Unter dem Deckmäntelchen "Das wird man ja wohl mal sagen dürfen" passieren ganz merkwürdige Sachen, finde ich. Viel zu wenige haben sich auf die Seite der Minderheiten gestellt, und viel zu viele haben für Sarrazin Partei ergriffen.
Was müsste man Ihrer Meinung nach denn tun?
Aufklären! Und entspannen! Ich liebe es hier zu leben und meine deutschen Freunde, aber wir müssen vielleicht alle nochmal neu nachdenken.
Mit Jasmin Tabatabai sprach Sabine Oelmann
Quelle: ntv.de