Fußball

Bundesliga-Check: Frankfurt Schaafs Ritt auf der Rasierklinge

"Am Ende werden die Fans die Platzierung wahrnehmen und honorieren, weniger die Spielweise": Trainer Thomas Schaaf und Alexander Ignovski.

"Am Ende werden die Fans die Platzierung wahrnehmen und honorieren, weniger die Spielweise": Trainer Thomas Schaaf und Alexander Ignovski.

(Foto: dpa)

Die Fußball-Bundesliga geht in ihre 52. Saison. Vor dem Start lassen wir die Experten zu Wort kommen - wie sehen Vereinsblogger die Chancen ihrer Klubs? Björn Wisker schreibt auf "Eintracht-Inside" über Eintracht Frankfurt. Er sieht für seinen Lieblingsverein in dieser Spielzeit nur ein Ziel - nämlich irgendwie in der Liga zu bleiben. Keine leichte Aufgabe für den neuen Trainer Thomas Schaaf. Löst er sie, könnte er zum Helden werden.

Mehrere Stammspieler sind weg, mit Thomas Schaaf ist ein neuer Trainer da. Welche Ambitionen erlaubt das für die neue Saison?

Aus Leidenschaft für die Eintracht

Björn Wisker ist 31 Jahre alt und lebt in Marburg. Sein Blog "Eintracht-Inside" ging in dieser Form im Oktober 2011 online, berichtet er. "Maßgeblich für den Blog ist der Mix aus kritischer Analyse der Zustände des Teams und Vereins, Bewertung der Äußerungen von Funktionären sowie vor allem der Emotion. So werden Spielbewertungen und Einzelkritiken in der Regel bereits kurz nach Abpfiff veröffentlicht. Obwohl der Autor Journalist ist, soll der Blog keine Fortsetzung der Arbeit mit journalistischem Handwerk sein. Es ist die Kombination aus der Leidenschaft für Eintracht Frankfurt und der für das Schreiben. Der Blog ist Hobby, nicht Beruf."

Die einzige realistische Ambition ist es, die Klasse zu halten. Das gilt für einen finanziell eher schwachen Verein wie Eintracht Frankfurt selbst in Bestbesetzung. Jetzt, da von der nominell besseren (auch 2013/2014 Schwierigkeiten habenden) Mannschaft so viele gegangen sind, gilt das umso mehr. Natürlich muss das Bestreben, nicht nur lang- bis mittelfristig sein, immer mal wieder einen Coup in Richtung Europa Liga zu landen. Aber für diese Saison wäre so etwas als Zielvorgabe und auch als Hoffnung eines Fans illusorisch. Es geht von Spieltag eins - Start gegen Freiburg - nur um das frühestmögliche Knacken der 36-Punkte-Marke, also der Punktzahl, die seit Jahren für den fixen Klassenerhalt reicht.

Wie sieht die erste Elf ohne Leistungsträger wie Mittelfeldmann Sebastian Rode und Rechtsverteidiger Sebastian Jung vermutlich aus?

Als Rechtsverteidiger wird wohl Timothy Chandler auflaufen, obwohl in der Vorbereitung Alexander Ignovski häufig dort spielte. Aber Chandler scheint der spielstärkere zu sein, Ignovski sieht sich selbst auch eher als Sechser. Sebastian Jung wird auch von Chandler, der sicher ein guter Ersatz für Jung ist, nicht so ohne Weiteres zu ersetzen sein, der Qualitätsverlust ist enorm. Im Mittelfeld halte ich, das Tempo und die Dynamik von Sebastian Rode außen vor gelassen, diesen noch für ersetzbarer. Je nach System, das Thomas Schaaf wählt, wird aktuell Martin Lanig als Nebenmann von Neuzugang Makoto Hasebe (der Pirmin Schwegler ersetzen soll) gehandelt. Den lange verletzten Johannes Flum darf man aber nicht vergessen, außerdem hält sich das Gerücht, dass noch ein Mittelfeldspieler verpflichtet werden soll, wenn das Transferfenster Ende August schließt. Ziel: Eben doch einen Spieler zu finden, der ähnlich wie Rode Tempo und Bissigkeit - letzteres hat etwa Marco Russ, ersteres aufgrund der Körpergröße eher weniger - in die Rückwärtsbewegung bringt.

Schaaf steht für Offensivfußball, ihm ist ein 4:3 lieber als ein 1:0. Wie sehr kommt diese Spielphilosophie den Frankfurter Fans entgegen?

Offensivfußball hat sich zu einem PR-Wort entwickelt, eines, das Fans aller Mannschaften hören wollen, egal ob es sinnvoll ist so spielen zu lassen, oder nicht. Ich habe noch nie einen Trainer - außer dem hochgeschätzten José Mourinho - sagen hören, er wolle defensiv auftreten und lieber ein 1:0 über die Zeit bringen als 4:3 gewinnen. Die Maßgabe Spektakel statt Ergebnis wird öffentlich propagiert - mehr ist es nicht. Die einzig relevante Frage ist, was der Kader kann, was die Spieler im Mix am besten können. Armin Veh versuchte es ein halbes Jahr mit brutalem Offensivfußball, das gelang vor allem deshalb, weil kein Gegner mit diesem konsequenten Auftreten rechnete. Als sich die Gegner darauf einstellten, passte Veh die Ausrichtung an, am Ende seiner Amtszeit war von dem einst beworbenen Offensivfußball nicht mehr viel übrig - was nicht schlimm ist, weil der Kader andere Stärken entwickelte, anderen Fußball besser, erfolgreicher beherrschte. Am Ende werden die Fans die Platzierung wahrnehmen und honorieren, weniger die Spielweise.

Wo liegt die größte Baustelle?

Im Zusammenspiel, der mangelnden Eingespieltheit der neu zusammengestellten Mannschaft. Die Hälfte der Saisonvorbereitung hat das Team nur deshalb halbwegs regulär trainieren können, weil es durch viele Jugendspieler aufgefüllt wurde. Wochenlang fehlte es an Profis, an Neuzugängen die für die Bundesliga vorgesehen sind. Erst mit den späten Verpflichtungen von Nelson Valdez, Lucas Piaszon und Haris Seferovic Anfang August hat die Vorbereitung richtig begonnen. Dem Team fehlen zwei, drei Wochen - was man auch an den Ergebnissen, vor allem aber am oft konfusen Auftreten des Teams bei Testspielen gegen nominell nicht allzu starke Gegner erkennt.

Nach der Europacup-Saison im Vorjahr und dem Pokal-Viertelfinale - was wird diesmal das Saisonhighlight?

Der Nicht-Abstieg ist die Meisterschaft der kleineren, finanziell nicht so gepämperten Vereine. Von daher wäre der Klassenerhalt der Höhepunkt. Ansonsten wird sich das Highlight spontan ergeben, gedrehte Spiele wie vor drei Jahren beim 3:3 gegen Dortmund oder dem alle Jubeljahre mal erkämpften Sieg oder Punktgewinn gegen Bayern München. Da eigentlich alle Eintracht-Spiele einem Ritt auf der Rasierklinge gleichen, kann das beste Erlebnis aber genauso gut ein unverdienter 95-Minute-1:0-Handelfmeter-Sieg gegen Hannover 96 sein.

Wer wird in dieser Saison zum Frankfurter Helden?

Vorausgesetzt die Saison verläuft so, dass es überhaupt Helden geben kann, hätte Trainer Thomas Schaaf gute Chancen. Jeder Fan weiß, sollte wissen, unter welchen Vorzeichen - Stichwort Umbruch, späte Neuzugänge - er gestartet ist. Bei den Spielern ist Alexander Meier seit langem der Frankfurter Fußballgott, aber in der kommenden Abstiegskampf-Saison wird (erneut) Torhüter Kevin Trapp im Fokus stehen. Der vergangene Saison grotesk schwache Takashi Inui soll ja auch wieder besser sein, was man hört. Alles in allem taugt bei Eintracht Frankfurt niemand so recht zum Star, wieder mal wird es weniger über individuelle Klasse als vielmehr über das kollektive Zerreißen gehen.

Welches Duell wird für Frankfurt besonders heiß?

Jedes Eintracht-Spiel gleicht einem Ritt auf der Rasierklinge, in jedem Spiel gibt es drei Punkte, von daher ist von Spieltag eins bis 34 alles irgendwie gleichwertig. Den Luxus, sich besonders brisante Spiele zu erfinden, damit sollen sich die Anhänger der Nobelvereine auseinandersetzen. Sicher wird die Partie gegen Mainz wieder zum Derby erhoben, aber im Sinne von Abstiegskampf werden die sportlich brisanten Duelle wohl eher die gegen Freiburg, Paderborn, eventuell Berlin und die anderen Teams, die sich wohl zwischen Rang zehn und 18 aufhalten werden.

Und, wie finden wir das Trikot?

Hat sich ja eigentlich nix geändert, jetzt ist oben halt ein Nike-Haken statt Jako-Schriftzug. Das Schwarz-Rote gefiel mir letztes Jahr ganz gut, so auch dieses. Das Auswärtstrikot fand ich 2013/2014 schicker, jetzt ist es doch sehr karg.

Quelle: ntv.de

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