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Greenpeace führt Messungen in Fukushima durch Tepco: Verstrahltes Wasser floss ins Meer

Rauch über Fukushima Eins.

Rauch über Fukushima Eins.

(Foto: Reuters)

Verstrahlte Arbeiter, verstrahltes Wasser, mit Salz verkrustete Brennstäbe - im AKW Fukushima Eins werden die Aufgabenstellungen für die Helfer immer komplexer. Bis zu 1,50 Meter hoch steht die radioaktiv verseuchte Flüssigkeit in drei Reaktoren. Betreiber Tepco gibt zu, dass wahrscheinlich verstrahltes Wasser ins Meer geflossen ist. Greenpeace führt indes eigene Messungen am Kraftwerk durch.

Die radioaktive Verstrahlung der Küstengewässer vor dem Atomkraftwerk Fukushima hat einen neuen Höchstwert erreicht. Die Belastung mit Jod-131 in Meerwasser nahe der Anlage übertraf den zulässigen Grenzwert um das 1250fache, wie die Reaktorsicherheitsbehörde (NISA) mitteilte. Zuvor wiesen die 330 Meter südlich der Anlage entnommenen Proben lediglich eine 100 Mal so hohe Strahlenbelastung aus. Der AKW-Betreiber Tepco räumte ein, dass mit großer Wahrscheinlichkeit radioaktives Wasser aus dem Atomkraftwerk ins Meer geflossen ist.

Reaktor 1 von oben.

Reaktor 1 von oben.

(Foto: REUTERS)

Die Probe wurde einige hundert Meter von der Anlage entfernt im Pazifik entnommen. Ein Sprecher der Behörde sagte, die Konzentration sei "relativ hoch". Würde ein Mensch einen halben Liter Wasser mit einer solchen Jodkonzentration trinken, dann hätte er auf einen Schlag die Menge an radioaktivem Jod zu sich genommen, die er in einem Jahr aufnehmen könne.

Die Auswirkungen auf die Umwelt seien aber vergleichsweise gering, hieß es. Das radioaktive Material werde sich im Meerwasser verteilen. Die Konzentration müsste deutlich höher sein, um von Algen oder Meerestieren aufgenommen zu werden. Zudem betrage die Halbwertszeit von Jod 131 lediglich acht Tage.

Greenpeace führt Messungen durch

Experten der Umweltschutzorganisation Greenpeace haben damit begonnen, in der Umgebung des Atomkraftwerks Fukushima Eins eigene Stahlenmessungen vorzunehmen. Seit dem Beginn der Krise vor zwei Wochen hätten die Behörden offenbar ständig sowohl die Risiken als auch das Ausmaß radioaktiver Verseuchung unterschätzt, erklärte Greenpeace. Mit den eigenen Messungen solle eine Alternative zu den häufig "widersprüchlichen" Angaben der Behörden geschaffen werden, hieß es.

In den Reaktorblöcken 1 bis 4 war zuvor radioaktives Wasser mit teilweise 10.000fach erhöhter Strahlung ausgetreten, das entweder aus dem Reaktorkern oder aus dem Abklingbecken für abgebrannte Kernbrennstäbe stammt. Das verstrahle Wasser in Block 1 des Atomkraftwerks Fukushima enthält hohe Mengen von Cäsium 137, wie es auch nach der vor nahezu 25 Jahren in großen Mengen in die Umwelt gelangt ist. Die japanische Reaktorsicherheitsbehörde (NISA) veröffentlichte eine Analyse dieses Wassers, wobei acht radioaktive Substanzen festgestellt wurden. An der Spitze der Aktivität steht Cäsium 137 mit 1,8 Millionen Becquerel.

Verstrahltes Wasser in drei Blöcken

Die Arbeiter müssen sich immer wieder zurückziehen.

Die Arbeiter müssen sich immer wieder zurückziehen.

(Foto: dpa)

versuchen mit Hochdruck, das ausgelaufene Wasser zu entfernen, um die Arbeiten zur Verkabelung der Kühlsysteme fortsetzen zu können. Das verstrahlte Wasser am Boden von Räumen in der Nähe des Reaktorbehälters steht in Block 3 nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Kyodo 1,50 Meter hoch. In Block 2 sind es 1 Meter, in Block 4 0,80 Meter und in Block 1 wurden 40 Zentimeter gemessen.

Es sei sehr wichtig, das Wasser aus den Turbinengehäusen zu entfernen, bevor die radioaktive Verstrahlung noch weiter steige, teilte die Atomaufsicht mit. Man arbeite daran, das Wasser sicher zu bergen und dabei nicht die Umwelt zu verschmutzen. Temperatur und Druck hätten sich in allen Reaktoren stabilisiert.

Die Reaktorblöcke 1 bis 3 wurden wieder mit Wasser von außen gekühlt, um die drohende Überhitzung zu stoppen. Wegen der hohen Strahlenbelastung geschah dies nach einem Bericht des Fernsehsenders NHK aus größerer Entfernung als bisher.

Verkrustete Kernbrennstäbe

Dabei wurde nun nicht mehr Meerwasser, sondern Süßwasser eingesetzt. Mehrere Experten, vor allem in den USA, haben sich besorgt über eine durch Meerwasser verursachte Verkrustung der Kernbrennstäbe mit Salz geäußert. Zuvor kündigte Verteidigungsminister Toshimi Kitazawa an, es sei notwendig, sehr schnell die Umstellung auf eine Kühlung mit Süßwasser zu erreichen. Dazu habe die US-Regierung ihre Hilfe angeboten.

Trotz intensiver Arbeiten gerät die Situation in Fukushima immer weiter außer Kontrolle.

Trotz intensiver Arbeiten gerät die Situation in Fukushima immer weiter außer Kontrolle.

(Foto: AP)

Nach Einschätzung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) sind noch viele Vorarbeiten nötig, bevor Ingenieure die vermuteten Lecks in den Reaktoren untersuchen und eventuell abdichten können. Der IAEA-Sicherheitssprecher Denis Flory erklärte, zunächst müssten die Reaktoren weiter gekühlt werden, um überhaupt erst eine Umgebung zu schaffen, in der Menschen innerhalb des Reaktors arbeiten und den Schaden beurteilen könnten. "In dieser Phase sind wir noch lange nicht", sagte Flory.

Seit Beginn der Krise im Atomkraftwerk Fukushima wurden nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Kyodo 17 Arbeiter verstrahlt. Dabei wurden jedoch nur diejenigen Unfälle berücksichtigt, bei denen eine Radioaktivität von mehr als 100 Millisievert gemessen wurde - dies entspricht der maximalen Belastung für AKW-Arbeiter über ein ganzes Jahr hinweg. Allerdings hat das Arbeitsministerium diesen Grenzwert für Arbeiter in Fukushima jetzt auf 250 Millisievert heraufgesetzt. Bei dem Unfall vom Donnerstag im Turbinengebäude von Block 3 wurden zwei Arbeiter ohne Schutzstiefel nach Informationen von NHK einer Strahlenbelastung von 2000 bis 6000 Millisievert ausgesetzt.

Die Umweltorganisation Greenpeace hat bereits gefordert, die AKW-Havarie auf die einzuordnen. Das wäre Stufe 7 der Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES). Aus der Atomanlage seien schon jetzt entsprechend große Mengen an Radioaktivität entwichen, teilte Greenpeace mit. Die japanischen Behörden sprechen bisher nur von Stufe 5. Andere Atom-Experten meinten aber auch bereits, der Super-GAU sei schon da.

Schneefall behindert Rettungsarbeiten

Die Arbeiter riskieren ihr Leben.

Die Arbeiter riskieren ihr Leben.

(Foto: dpa)

Schneefall und Temperaturen um den Gefrierpunkt behinderten unterdessen die Aufräumarbeiten im Katastrophengebiet im Nordosten der japanischen Hauptinsel Honshu. "Es ist so kalt, dass wir nichts machen können", sagte ein Überlebender dem Fernsehsender NHK, der zusammen mit seiner Frau in sein beim Erdbeben beschädigtes Haus zurückkehrte. In einigen Orten unterstützten Freiwillige die Betroffenen, ihre Habe in zerstörten Häusern zu sichern.

Bei dem Erdbeben der Stärke 9,0 und dem dadurch ausgelösten Tsunami kamen nach offiziellen Angaben mindestens 10.102 Menschen ums Leben. Als vermisst gelten noch 17.053 Menschen, so dass die Behörden eine weiter steigende Zahl von Todesopfern erwarten.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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