Der Tag Wagenknecht will mal wieder den Druck auf Ukraine für Verhandlungen erhöhen
24.01.2023, 12:18 UhrLinken-Politikerin Sahra Wagenknecht wird offenbar nicht müde, Deutschland und seine Verbündeten als diejenigen hinzustellen, die den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine weiter anheizen oder unnötig verlängern würden. In einem Interview im Deutschlandfunk fordert die umstrittene Linken-Politikerin, den Druck für Verhandlungen im Ukraine-Krieg zu erhöhen. Es sei unverantwortlich, immer nur in militärischer Logik zu denken, sagt die Bundestagsabgeordnete im Deutschlandfunk. Stattdessen müsse der Westen die Ukraine unter Druck setzen, mit Russland zu verhandeln. "Die jetzige Strategie der ukrainischen Regierung ist ja: Wir wollen gar nicht verhandeln." Zudem spricht sich Wagenknecht gegen weitere Waffenlieferungen aus. "Ich sehe nicht, dass das den Kriegsverlauf entscheidend verändert. Es erhöht den Blutzoll."
Wagenknechts Argumentation würde ich hier ein paar Gedanken gegenüberstellen:
- Worüber soll die Ukraine verhandeln? Über ihr souveränes Staatsgebiet, das Wladimir Putin in einem einseitig begonnenen Angriffskrieg versucht zu rauben? Ist das der Ansatz, den man verfolgen sollte? Was ist dann die Krim? 2014 hat die Welt der Ukraine nicht beigestanden, Russland weitestgehend gewähren lassen und so den von Wagenknecht gewünschten "Druck" auf die Ukraine erhöht, die Annexion der Krim irgendwie hinzunehmen. Das führte bekanntlich zu folgendem Ergebnis: einem Angriffskrieg auf die ganze Ukraine Anfang 2022. Putin wird sich mit Zugeständnissen wie dem Donbas nicht zufriedenstellen lassen.
- Auch Wagenknechts Vorwurf, es werde nur in militärischer Logik gedacht, ist angesichts umfassender Sanktionen gegen Russland haltlos. Was die Politikerin komplett verkennt: Es steht nicht "unentschieden" bei etwa gleichstarken Kontrahenten, bei deren Kampf eine Seite unterstützt wird. Für die Ukraine geht es gerade um alles und Russland bleibt weiterhin eine Übermacht in Bezug auf Truppen und Ressourcen. Solange der Kremlchef nicht eines Besseren belehrt wird, wird er gewiss keine diplomatischen Wege in Betracht ziehen. Das war und ist nötig, damit Menschen wie Henry Kissinger, ein Großmeister der Weltdiplomatie, vielleicht doch Frieden für die Region bewirken können.
- Der Krieg ist in der Tat so etwas wie "festgefahren" an der Front. Für Russland dürften weitere Landgewinne auf dem Schlachtfeld schwierig werden. Für die Ukraine dürfte eine Gegenoffensive bis an die Grenze zu Russland aktuell kaum umsetzbar sein. Daran werden auch "Leopard"-Kampfpanzer aus Deutschland wohl wenig ändern. Dennoch könnte sich das Blatt zugunsten Moskaus wenden. Das ist eine reale Gefahr und die Ukrainerinnen und Ukrainer haben mehr als bewiesen, dass sie militärische Unterstützung verdienen.
- Wagenknecht spricht davon, dass Waffenlieferungen an die Ukraine nur den "Blutzoll erhöhen". Selbstverständlich sollte die Lieferung von Waffen immer mit Bedacht erfolgen (Olaf Scholz gilt manchen momentan wohl als der nachdenklichste Europäer überhaupt); auch sind Helmut Schmidts Worte "Lieber 100 Stunden umsonst verhandeln als eine Minute schießen" wichtig wie eh und je. Aber wäre man den Ansichten Wagenknechts gefolgt, wäre die Ukraine heute wahrscheinlich nicht mehr. Sie wäre von Moskaus Truppen längst überrannt, unterworfen und ausradiert worden. Putins Vorgehen, um Kriege anzufangen und Staaten aus wirtschaftlichen oder geopolitischen Gründen zu unterwerfen, hat seit Jahrzehnten Methode: Meist zum "Schutz russischer Landsleute" brauche es "Spezialoperationen" wie in Tschetschenien und Teilen Georgiens. Oder jemand habe ihn um "Hilfe" gebeten wie Syriens Machthaber Assad im Bürgerkrieg. Mit Putin lebt jemand seit vielen Jahren seine Großmachtsfantasien auf Kosten unzähliger unschuldiger Menschen aus - lässt man ihn wirklich weiter gewähren oder sollte der Westen dem Größenwahn nicht an dieser Stelle mal klar Einhalt gebieten?
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Quelle: ntv.de