Leben

"Alles scheiße, deine Elli" Ist mit dem Tod wirklich Schluss mit lustig?

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Der Ton ist Todesanzeigen ist längst nicht mehr so formal wie früher.

(Foto: imago images/Eckhard Stengel)

"Eine tapfere Leber hat aufgehört zu arbeiten" - könnte auch auf dem Grabstein stehen. Oder? Der Totenmonat November steht eigentlich für Trauer. Doch ist am Ende eines Lebens wirklich Schluss mit lustig, fragen sich Christian Sprang und Matthias Nöllke, die ein Buch mit den "schönsten Todesanzeigen" herausgebracht haben.

Graue Grabsteine, unauffällige Traueranzeigen: Beim Tod gibt es selten etwas zu lachen. Oder? "Mein Lieblings-Spacken, nun bist du gegangen. Das hast du gut gemacht" - auch so kann eine Traueranzeige klingen. Christian Sprang und Matthias Nöllke haben solche kuriosen Anzeigen gesammelt - hier kann über den Tod auch geschmunzelt werden. Die schönsten Fundstücke haben sie in ihrem Buch "Eine tapfere Leber hat aufgehört zu arbeiten" zusammengefasst. Es ist bereits der vierte Band der Autoren.

"Wir haben über die Jahre die Neigung gesehen, alles nicht so schwer zu nehmen. Also im Grunde fast den Tod zu banalisieren", sagt Nöllke. "Das ist eine Unfähigkeit, dieser Trauer auch Raum zu geben." Da seien beispielsweise auch die Einladungen zu Trauerfeiern, in denen es heiße, bloß keine Trauerkleidung zu tragen und dass alle zum Feiern kommen sollten.

Gleichzeitig gebe es die gegenläufige Neigung, unangenehme Wahrheiten auszusprechen: Da liegen Trauer und Lachen nah beieinander. "In einer Todesanzeige steht als Resümee 'Alles Scheiße'. Das wäre früher gar nicht gegangen", sagt Nöllke. "Zum Teil sind da auch Dinge genannt, die einen ergreifen. Da wird von Mobbing berichtet und von Krankheiten."

Der Tod als Spiegel der Gesellschaft

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Die Corona-Pandemie macht sich in den Anzeigen ebenfalls bemerkbar. "Wir haben eine Traueranzeige von einer Frau, die an Corona gestorben ist und die ist wirklich sehr ergreifend", sagt Nöllke. "Corona ist ernst" und "Schützt euch alle" stehe da. Der Tod als Spiegel der Gesellschaft - so betrachten es die Soziologen Matthias Meitzler und Thorsten Benkel. "Wir haben zum Beispiel ein riesengroßes, pinkes Hello-Kitty-Grab gesehen - für eine über 60 Jahre alte Frau. Da fragt man sich, wie kommt das? Warum entscheidet sich eine Person oder deren Familie ausgerechnet für so ein Grab?", sagt Meitzler. Die beiden Wissenschaftler haben bereits zwei Bücher rund um das Thema Sterblichkeit veröffentlicht, zuletzt zu Grabsteinen.

Was verrät denn der Friedhof über gesellschaftlichen Wandel? "Früher gab es das Familiengrab, das sozusagen die ganze Dynastie versammelt hat. Das waren große Gräber, die waren teuer, die waren auf lange Zeit angelegt", sagt Benkel. "Wenn Sie heute über einen Friedhof gehen, in Berlin zum Beispiel, da finden Sie eher kleine Rasengräber für eine einzige Person, die haben eine kurze Liegedauer, also vielleicht zehn Jahre." Daran sehe man, dass die Menschen anders leben, sich nicht mehr als Teil eines Kollektivs, sondern eher als Individuen verstünden.

Tierische Begleiter sind inzwischen auch Teil des Prozesses rund ums Sterben. "In einer Gesellschaft, in der immer mehr Menschen kinderlos bleiben, werden Haustiere oftmals zum Kindersatz. Wenn sie sterben, werden sie betrauert und bekommen zum Teil eigene Gräber, die dann sehr emotional eingerichtet sind", sagt Benkel. Auch Nöllke berichtet von vermehrt tierischen Todesanzeigen: "Sogar auch, indem Tiere vermeintlich die Anzeige aufgeben. Also da steht dann, dass der Hund um sein Herrchen trauert".

"Die sollen sich was einfallen lassen"

Dass der Mensch nicht nur um Tiere, sondern auch um Pflanzen trauern kann, zeigt sich in einer ganz besonders kuriosen Anzeige: In der baden-württembergischen Stadt Kehl hat eine Frau eine Todesanzeige für eine Tanne namens Alexandra aufgegeben. "Diese Tanne hat sie in ihrem elterlichen Garten die Kindheit über begleitet. Und diese Tanne ist gefällt worden. Also gab es eine Todesanzeige mit Foto", sagt Nöllke.

Wie soll die eigene Todesanzeige mal aussehen? "Da habe ich eine klare Haltung, dass das meine Hinterbliebenen gestalten sollen", sagt Nöllke. "Die sollen sich etwas einfallen lassen."

Quelle: ntv.de, Stella Venohr, dpa

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