"Weniger ist mehr" Klar und nachhaltig, nicht nur im nächsten Lockdown
22.12.2021, 18:29 Uhr
Ein Stück Seife - mehr braucht es manchmal gar nicht.
(Foto: Typology)
Der nächste Lockdown steht ins Haus, wir machen es uns daheim gemütlich und schön, weil wir so viel Zeit wie selten dort verbracht haben in den letzten Monaten. Und anscheinend auch weiterhin - dank erneut anstehendem Lockdown, dem wievielten? - dort verbringen werden. Die Möbelbranche und die Innenarchitekten, Streamingdienste und die Kosmetikindustrie gehören zu den Gewinnern dieser neuen, wenn auch irgendwie verordneten Kuscheligkeit. Nun gut, machen wir das Beste draus und kaufen uns ein neues Sofa, dimmbare Lampen, Badesalz und pflegende Hautcreme. Zumüllen wollen wir uns aber nicht, wir haben schließlich aufgeräumt seit März 2020. Klassisches Design und Nachhaltigkeit sind gefragt, wir wollen übersichtlich bleiben. Dachte sich auch Ning Li: Der Unternehmensgründer von made.com und Typology erzählt ntv.de daher, wie er auf seine erfolgreichen Ideen kam und warum weniger mehr ist.
ntv.de: Sie sind der Macher und der Mann hinter made.com, einem Online-Möbelhaus, und jetzt auch noch der Gründer einer Kosmetikmarke. Beides gibt es bereits zuhauf - Sie sind trotzdem irre erfolgreich …
Ning Li: Naja, ob irre erfolgreich weiß ich ja nicht (lacht), aber es läuft gut, stimmt. Nehmen wir nur Deutschland: Deutschland ist ein guter Markt, sowohl für Kosmetik als auch für Möbel. Deutsche Konsumenten achten auf die Qualität und den Preis - und beides ist etwas, das ich mir ganz groß auf die Fahne geschrieben habe: gute Produkte herzustellen zu einem guten Preis. Deutsche Konsumenten wollen immer ganz genau wissen, was in einem Produkt enthalten ist. Oder wie es hergestellt wurde. Und das ist auch richtig so!
Ist das typisch deutsch - beste Qualität, aber zu teuer darf es bitte nicht sein ….
Die Kosmetikindustrie beruht darauf, den Leuten Träume zu verkaufen. Franzosen sind eher bereit dazu, mehr Geld für diese Träume auszugeben. Wir gehen da jetzt aber viel rationeller heran, bei uns gibt es keine Zauberei oder Träume, unsere Philosophie ist geerdet. Die Produkte müssen einfach zum Hauttyp passen.
Wie wichtig ist es, dass die Produkte gut aussehen? Also eine gewisse Reinheit, die dahintersteht, sowohl in den Inhaltsstoffen als auch bei der Verpackung?
Ich komme ja nicht aus der Kosmetikindustrie, ich bin ein Outsider (lacht). Das hat mir eine gewisse Perspektive von außen verpasst, nämlich die, die sagt, dass man nicht alles machen sollte, was die anderen machen. Mein Design-Background ist sicher auch nicht verkehrt. Ich habe schon immer versucht, die Dinge simpel zu halten, das ist auch bei den Möbeln so. Es geht um Klassiker.
Apropos Klassiker - die gibt es bei Ihren Möbeln ja auch inzwischen.
Als ich damit angefangen habe, mich selbst einzurichten, habe ich mir immer gedacht: Warum kann ich mir keine schönen Möbel kaufen? Ich meine, als Student hat man weniger Geld, aber nicht unbedingt weniger Geschmack. Warum also nicht Dinge herstellen, die gut aussehen und auch erschwinglich sind? Echte Klassiker kann sich schließlich kaum jemand leisten. Und genauso begann auch es auch mit der Kosmetik, und zwar, als ich Vater wurde. Es war wieder ein persönlicher Grund, etwas Neues zu starten.
Welcher Grund war das?
Weil mein Kind die üblichen Produkte nicht vertragen hat. Ich habe mich nie sonderlich für Kosmetik oder Beauty-Produkte interessiert und außer der Tatsache, dass man mit einem Kind auch immer mal wieder ein neues Sofa braucht - möglichst kein weißes - braucht man spezielle Produkte für ein Baby, vor allem dann, wenn es empfindliche Haut hat. Wir waren inzwischen von London nach Paris gezogen und ich habe nichts für mein Baby finden können, was zufriedenstellend war. Als ich mir dann mal genauer angeguckt habe, was alles in einer einzigen Creme enthalten war, war ich mehr oder weniger schockiert. So viele Inhaltsstoffe, so viel Chemie, so viele Zusatzstoffe zum Haltbarmachen und so weiter. Das war geradezu gruselig.
Selbst in der Apotheke?
Ja, selbst dort. Das ist ja eigentlich ein Ort, an dem man denkt, dass man Leuten und Produkten vertrauen kann. Und ich sage jetzt nicht, dass man das nicht kann, aber es sind so viele widersprüchliche Informationen, da blickt keiner mehr durch. Und da habe ich gedacht, dass man als Digital Entrepreneur die besten Chancen hat, etwas Neues zu starten und Leute zu informieren.
Inwiefern?
Ich dachte, ich nehme einen anderen Anlauf - also nicht das bereits erwähnte Versprechen von Träumen, sondern das Versprechen, dass wir keine Sehnsüchte erfüllen, die sowieso niemand erfüllen kann. Wir wollen Vertrauen aufbauen durch Information. Und gute Produkte. Aber keine Falten, keine Hautunreinheiten - das entspricht nun mal nicht der Realität (lacht).
Deswegen haben Sie auch "normale" Models in Ihrer Kampagne?
Keine falschen Versprechungen - der Vergrößerungsspiegel bringt eh alles ans Licht.
(Foto: Typology)
Das hat mehrere Gründe: Erstens können wir uns keine "echten" Models leisten (lacht), wir sind ja eine junge Firma, und zweitens finden wir es super, mit Freunden und Angestellten zu arbeiten. Und auch mit Kunden übrigens.
Das macht einem ein gutes Gefühl, es wirkt so realistisch …
Die Philosophie bei Kosmetik funktioniert oft über eine Art Schuldgefühl: Schau, wenn du unser Produkt benutzen würdest, könntest du auch so toll aussehen. Da wollen wir anders rangehen, mit der Wahrheit. Wir lassen alles Unnötige weg, sowohl beim Inhalt als auch bei der Verpackung. Und eben auch bei den Versprechungen, die sowieso niemand einhalten kann.
Die Kosmetik und die Möbel gibt es "nur" online - funktioniert das bei so körpernahen oder haptischen Dingen? Planen Sie Pop-Up-Stores, damit man auch mal anfassen oder ausprobieren kann?
Guter Punkt, das planen wir tatsächlich. Aber wir bieten Hautanalysen ja auch online an, also eine Typbestimmung. Da finden wir heraus, welche Produkte der Kunde braucht. Und bei Make-up sind es beispielsweise nur sechs Nuancen, das funktioniert auch online. Je weniger Angebot, desto leichter die Auswahl (lacht). Man könnte zum Beispiel zwei Nuancen kaufen, um sie für eine gewisse Übergangszeit selbst zu mixen, bis man von der einen Nuance zur anderen geht, sagen wir, nach einem Sommerurlaub.
Wie hat sich bei Ihnen im Laufe der Jahre Ihre Einstellung als Unternehmer geändert?
Wie man sich einrichtet, bleibt natürlich weiterhin jedem selbst überlassen.
(Foto: imago images/MalkovKosta)
Meine erste Firma habe ich ehrlich gesagt gegründet, um reich zu werden (lacht). Meine zweite Company entstand aus dem Grund, dass ich besessen davon war, schöne Möbel zu einem vernünftigen Preis anbieten zu können. Das hat mich umgetrieben, ehrlich! Ich war so verärgert von den Preisen, die zum Teil für qualitativ schlechte Ware aufgerufen wurde, dass ich gar nicht anders konnte, als mich diesem Thema selbst zu widmen. Und bei Typology habe ich erstens die Motivation gehabt, meinem Baby sofort helfen zu wollen und zweitens - bestimmt auch, weil ich Vater bin - langfristiger zu denken. Ich will mich von Trends und Mode unabhängig machen und dem Kunden ein exzellentes Produkt anbieten. Ich habe inzwischen vor allem das Gefühl, dass ich meine Marke beschützen will, dass ich jeden Schritt ganz bewusst gehen will. Ich denke jetzt eher wie ein Langstreckenläufer, nicht wie ein Sprinter.
Mit Ning Li sprach Sabine Oelmann
Quelle: ntv.de