
Sagen Sie mal einen Satz mit x - früher mehr so Sex, heute mehr so Netflix? Muss doch nicht sein!
(Foto: imago images/Ikon Images)
Mal eine Pause von der Menopause, gern am Weltmenopausentag - das ist das, was sich Frauen, die mittendrin sind, wünschen. Dabei sollten Frauen wissen, dass sie nicht allein sind in ihrer zweiten Pubertät. Nur eben rückwärts. Hat auch viel Gutes!
Fangen wir von vorne an: Sie erinnern sich an die Zeit Ihrer Pubertät? Ihre Gereiztheit, Ihre Geilheit? Ihr Unverständnis für ältere Personen, Ihre Genervtheit durch die Eltern, die ständig etwas von Ihnen wollten: "Um 23.30 Uhr bist du zu Hause", "Räum' dein Zimmer auf", "Wie siehst du denn aus/kämm' dir mal die Haare/zieh' was Anständiges an", "Sitz' gerade", "Gib Tante Uschi ein Küsschen" ... und so weiter. Schrecklich! Dabei wollten Sie nur in Ruhe gelassen werden. Mädchen bekamen ihre "Tage" und ab jetzt hieß es "Obacht beim Fummeln". Bei geschlossenen Fenstern und runtergelassener Jalousie wollten Sie Musik hören und einen Joint rauchen, schreien und weinen und tanzen und laut sein und verrückt. Sie wollten ganz einfach SIE SELBST sein. Sie dachten, die Welt steht Ihnen offen, und dass 30-Jährige scheintot sind. Für ab 40-Jährige hatten Sie nur noch ein Schulterzucken, wer wollte schon so alt werden? So spießig.
Nun, die Zeiten haben sich geändert, die Pubertiere von damals sind die Berufsjugendlichen von heute, die sogenannte Generation X, kurz nach den Baby-Boomern. Den Generation-X-Zugehörigen wurde suggeriert, dass alles läuft, dass man alles im Griff hat. Unsere Eltern (zumindest die Väter) machten Karriere, immer haben wir gedacht, dass wir das auch mit links schaffen. Irgendwann. Sogar Mädchen dachten, sie könnten alles erreichen. Da wusste man noch nicht mal, dass es eines Tages eine Bundeskanzlerin geben würde. Mit einer gewissen Selbstverständlichkeit lebte man also recht sorglos vor sich hin.
Die Anfang/Mitte der 60er-Jahre bis Anfang der 80er-Jahre Geborenen werden als Generation X bezeichnet (in Deutschland auch gern mal Generation "Golf", bezeichnenderweise nach einem Auto benannt). Nach Einschätzung des Autors des Romans "Generation X", Douglas Coupland, ist für diese Generation charakteristisch, dass ihr prophezeit wurde, dass sie sich einerseits erstmals ohne Kriegseinwirkung mit weniger Wohlstand und ökonomischer Sicherheit begnügen müsse als die Elterngenerationen, aber andererseits für deren ökonomische und ökologische Sünden büße. Ursprünglich sollte der Begriff "Generation X" andeuten, dass sich diese Generation bislang erfolgreich der Benennungswut von Werbeindustrie und journalistischem Gewerbe entzogen habe.
Und nun, ein paar Jahrzehnte, Krisen, Jobwechsel, Scheidungen, Kinder, Pfunde, abgesackte Kniescheiben später, stellt man sich neue - und doch auch so alte - Fragen. Eltern wollen, dass ihre jugendlichen Kinder am liebsten um 23.30 Uhr zu Hause sind, man ist gereizt und weiß, dass Geiz auf keinen Fall geil ist, die Bezeichnung "ältere Person" ist sehr dehnbar geworden, die eigenen Eltern müssen nun gepflegt werden oder in ein Heim (mit viel Glück haben sie genug für eine schicke Seniorenresidenz verdient und nicht alles verbraten, ansonsten ziehen Mutti und Vati eben wieder ein), Aufräumen gehört zum Standardprogramm. Bei Frauen. Männer empfinden Socken im Flur immer noch als Deko-Gegenstand. Schon gut, das ist politisch und auch sonst überhaupt nicht korrekt, mir aber total schnurz, denn das ist das Schöne am Alter: Eine gewisse Easyness, Wurschtheit, F***-Off-Mentalität, die sich um die schmerzenden Büroschultern legt wie ein Kaschmir-Plaid.
Nachts sind wir auch wieder wach, aber aus Schlaflosigkeit und nicht, weil wir um die Häuser ziehen. Wir finden uns manchmal auch noch heiß (meist im Urlaub, da ziehen wir total crazy Sachen an, die wir sonst nie tragen würden, kurze Hosen zum Beispiel), ansonsten ist uns nur noch heiß, und zwar in Wellen. Sie kommen und gehen und sie sind heimtückisch. Früher wurden wir rot aus Verlegenheit, heute glühen wir wie der Kamin, den wir nun endlich in unserem Eigenheim haben.
Wir denken immer noch, dass wir bestimmte Sachen machen können, aber wir können kein komplett neues Leben mehr beginnen. Medizin studieren? Kann man machen, aber bringt's noch was? Nach England ziehen? Kann man machen, aber die Mieten sind noch schlimmer als bei uns, also kein Cottage mehr in Gloucestershire. Wir bedauern, Erb-Tante Uschi nicht viel mehr Küsschen gegeben zu haben und tragen Kopfhörer, um unseren eigenen Tinnitus zu übertönen.
Frauen, feiert!
Und manchmal fühlen wir - wir Frauen - den unwiderstehlichen Drang, einfach loszuschreien. Oder zu heulen, aus dem Nichts. Oder zu lachen. Dann kommt eine Hitzewelle und wir hören schnell auf. Wenn sie abebbt, dann sind wir wieder die Alte, die Liebe, die Sorgende, die Kümmernde, die Umsichtige, so, wie wir es beigebracht bekommen haben. Wir glaubten schon, uns mit den Dingen, die angeblich nicht zu ändern sind, abgefunden zu haben und beobachten nun staunend, wie die Männer anfangen, sich fette Motorräder zu kaufen und zweite Familien gründen. Mist, Hitzewelle, wo ist der Fächer? Und plötzlich kommt, bei manchen bereits mit Anfang 40, bei anderen erst mit über 50, dieses Alte Freche Ich wieder zum Vorschein, das motzt und sich auf dem Sofa lümmelt, das keinen Bock mehr hat, für alle alles zu organisieren, das egoistisch wirkt und dabei doch nur einfach auch mal wieder nur an sich denkt. Und warum das alles? Die Hormone!! Sie spielen verrückt! Wieder! Nur eben in die andere Richtung.
Anstatt jedoch zu feiern, dass wir - und nun spreche ich endgültig nur noch für Frauen - endlich wieder "normal" werden und nicht diese angepasste Super-Frau in Dauerschleife sind, wundern wir uns und bekommen Angst. Sollte frau nicht froh sein, wenn sie endlich nicht mehr ihre Periode hat und Sex haben kann, wann sie will, ohne schwanger zu werden? Ist es nicht prima, dass all die Erfahrungen nun gelebt werden können, wenn die Kinder das Haus verlassen? Das Serotonin, im Volksmund auch "Glückshormon" genannt, hat uns jahrelang in eine Wolke gehüllt, hat uns lieblich und milde gemacht, wenn die Kinder Geige lernten (selbst wenn sie völlig talentfrei waren), es hat uns geduldig gemacht auf nicht enden wollenden Elternabenden, es hat uns brav fragen lassen: "Wie war dein Tag, Liebling?", obwohl wir die Antwort längst kannten. Jetzt kämpfen Cortisol und Adrenalin (Hitzewelle, sorry) in uns um die Regulierung des Stresspegels, Adrenalin gewinnt noch sehr häufig.
Immer stoned und süß dank Hormonen
Wenn die Eierstöcke nicht mehr eiern und der Körper nicht mehr fortwährend von Östrogen, Progesteron und Testosteron geflutet wird, ist es schwerer für eine Frau, nett zu sein. Zu dieser Erkenntnis kommt auch Caitlin Moran in "The Times". Dort schreibt sie regelmäßig über ihr Leben, ihr Befinden und ihre Pläne, auch die gescheiterten. Und allein, dass sie das tut, ist hilfreich für Leserinnen. "Diese Hormone, die während deiner fruchtbaren Jahre durch dich hindurchfließen, sie machen dich einfach netter. Du fühlst dich immer ein bisschen stoned und süß, es ist wie Dauerhighsein auf Naturbasis. Ansonsten könnte man auf keinen Fall Kinder großziehen, denn Kinder sind mitunter schrecklich, immer wollen sie was." Wenn die Hormone eine Frau verlassen, dann sieht sie klarer und der Spruch "Alles wird gut" zieht nicht mehr (wann, mit 60? Heatwave!!) und ihr wird klar: Wenn du willst, dass alles gut wird, dann jetzt!
Was helfen kann: Drüber reden, drüber reden, drüber reden! Denn nicht allein zu sein mit all diesen Gefühlen und Gedanken, dem ganzen Schweiß und den nächtlichen Zweifeln, das ist, was eine Frau wieder stark machen kann. Und das ist auch etwas, was Ada Calhoun in ihrem lesenswerten Buch "Why We Can't Sleep At Night" ihren Leserinnen mit auf den Weg gibt: Du bist nicht allein! Sie erklärt, in welche Fallen wir immer wieder hineintappen, zum Beispiel: "Viele Möglichkeiten zu haben, ist etwas Großartiges, es verursacht aber auch Druck." Druck, eine perfekte Mutter, Frau, Geliebte, Freundin, Tochter sein zu müssen. Vermeintlich. Der Job - nicht nur zum Geldverdienen soll er sein, auch Spaß soll er machen, und sinnstiftend sein. In einem anderen Kapitel geht es um Geldsorgen oder darum, ständig Dinge entscheiden zu müssen, nie enden wollende To-do-Listen zu haben. Auch die Themen Scheidung oder gar nicht verheiratet zu sein lassen Frauen nicht schlafen, mal abgesehen von dem Thema "Figur" - oder was davon noch übrig ist.
Die Perimeno-was?
Calhoun widmet ein Kapitel in ihrem Buch der "Perimenopause". Der was? Noch nie gehört? Das geht nicht nur Ihnen so. "Die Perimenopause kann viel früher einsetzen, als wir denken", erklärt Peggy Reichelt. Reichelt ist zertifizierter Food-Coach und hat ein Unternehmen gegründet, das es sich zur Aufgabe macht, Frauen in der vollen Bandbreite der Menopause zur Seite zu stehen: mit Rat und Tat, aber auch mit Nahrungsergänzungsmitteln. Reichelt und Mitgründerin Monique Leonhardt fragen sich schon lange: Warum sind Wechseljahre ein No-go-Thema? Warum ist Altern in unserer Gesellschaft ein Stigma? Die "xbyx"-Macherinnen wollen Tabus brechen, aufklären und das Narrativ der Wechseljahre neu gestalten - eine gute Idee.

Monique Leonhardt und Peggy Reichelt: Wissen ist Macht, deswegen wollen die Gründerinnen vor allem eines: Aufklären.
(Foto: Johannes C. Hüsch)
Dass die Hormone, die nicht mehr von allein produziert werden, durch künstliche Hormone ersetzt werden müssen, schien bisher der einzige Weg aus der Misere zu sein. "Vieles kann man schon durch eine Ernährungsumstellung hinkriegen", so die 46-Jährige, "und mit Zusätzen, die das Leben erleichtern". Ihre Produkte haben so schönen Name wie "Lass locker", "Bauchgefühl" oder "Energie", beinhalten Proteine und andere Stoffe, die ein Körper in der Menopause benötigt. Damit Frauen ihren weiterhin anstrengenden Alltag gelassener und zuversichtlicher und ohne sich von Hitzewellen kaputtmachen zu lassen bewältigen können.
Krise? Oder lieber doch' ne Pause? Have a break!
Was Frauen sich unbedingt klarmachen sollten, ist Folgendes: Sie haben die einmalige Chance, in eine neue Phase einzutreten, eine Phase, die ganz anders sein kann als alles je zuvor - ohne das bisherige Leben bereuen zu müssen. Im Vergleich - und Frauen werden gern verglichen - könnte man sagen: Männer sind die Lego-Bausteine und Frauen der Fisher-Price-Chemiebaukasten: Männer kommen auf die Welt und haben ihr Set an Hormonen, das sich im Laufe des Lebens kaum verändert.
Deswegen heißt es bei Männern "Midlife-Crisis" - in der Krise greifen Männer auf Bewährtes zurück, und weil früher alles schöner war, verhalten sie sich eben wieder wie - früher, genau. Sie wiederholen einfach Phase eins oder zwei (Kindheit/Jugend oder jüngerer Erwachsener), also das, was sie kennen. Sie fahren aber statt Fahrrad nun Motorrad, haben statt alter Frau eine jüngere, statt Bücher zu lesen lassen sie sich lieber ein neues Tattoo mit coolem Spruch und den Namen der neuen Kinder stechen.
Frauen hingegen experimentieren und gehen in eine Pause, um aus dieser gestärkt herauszutreten und etwas Neues zu beginnen. Sie beginnen ihre dritte Phase nach Kindheit/Jugend und Erwachsene-Spielen - und werden zu ihrem wahren Ich. Ein wunderbarer Gedanke.
Quelle: ntv.de