
Wer Freundschaften langfristig erhalten will, muss auch Arbeit investieren.
(Foto: imago/Photocase)
Das Wörtchen "vielleicht" ist der Inbegriff von Unverbindlichkeit. In Zeiten digitaler Freundschaften wird es gern benutzt, um unliebsame Termine zu umgehen, doch das Risiko ist groß, damit auch enge soziale Bindungen zu gefährden.
"Soll ich's wirklich machen oder lass ich's lieber sein?", rappten schon Fettes Brot in ihrem 1996er Hit "Jein" - der Protagonist im Song: zerrissen zwischen den vielen zu treffenden Entscheidungen und Wahlmöglichkeiten. Wenn es um Termine und echte Verbindlichkeit geht, tun wir uns bisweilen schwer. Das gilt im Zeitalter von Social Media auch immer öfter für Freundschaften.
Auf dem weiß-blauen Bildschirm leuchtet die kleine Weltkugel rot: Im Facebook-Postfach liegt die Einladung zu einer Geburtstagsparty am 15. Juli. Noch vier Wochen bis zum veranschlagten Datum. "Ja. Nein. Vielleicht", lauten die drei Möglichkeiten, die für eine Rückmeldung vorgeschlagen werden. Kurzes Zögern, Nachdenken - ein Klick auf "vielleicht", fertig. Die Entscheidung ist vertagt. Abgehakt.
Das unpräzise "Vielleicht" bietet einen großen Reiz, denn man muss sich nicht sofort festlegen - und wer weiß schon, was in vier Wochen ist? So banal eine Entscheidung auch sein mag, für denjenigen, der die Einladung ausspricht, ist sie oft von größter Bedeutung. Gerade, wenn es um gute Freunde geht, denen man sich eigentlich verpflichtet fühlt. Enttäuschungen sind da programmiert. Wohl jeder hat so eine Situation von der einen oder anderen Seite schon erlebt.
Starker Trend zu Unverbindlichkeit
Dass die schwindende Verbindlichkeit bei sozialen Bindungen und alltäglichen Verabredungen nicht nur eine gefühlte ist, zeigt auch eine aktuelle Forsa-Umfrage, an der 1000 Bürger teilgenommen haben. Rund 81 Prozent der befragten Personen geben an, sie hätten den Eindruck, dass Termine und Zusagen heutzutage leichtfertiger und kurzfristiger abgesagt werden als früher. Doch was ist die Ursache dafür?
Der Autor Maximilian Probst hat sich in seinem Buch "Verbindlichkeit: Plädoyer für eine unzeitgemäße Tugend" mit den Fragen der (Un-)Verbindlichkeit befasst - und bietet Antworten. "Wo lebe ich, welche Partnerschaft gehe ich ein und was mache ich eigentlich heute Abend?", schreibt er. "In der Moderne gibt es immer Optionen, nirgends Schicksal. Es besteht keine gesellschaftliche Notwendigkeit mehr, sich auf irgendwas festzulegen." Es gibt also schlichtweg mehr Möglichkeiten, als man überblicken kann.
Auch Erfolgsautor Michael Nast hat mit seinem Bestseller "Generation Beziehungsunfähig" die Unverbindlichkeit beleuchtet - und das vor allem auf das Liebesleben bezogen. Neue Technologien, erklärt er, seien Teil dieses Trends. "Es geht letztlich um Begegnungen, darum, dass richtige Maß zu finden", erklärt er in einem Interview mit der "W&V". "Technologien sind ein Bestandteil, sie sollten nicht alles einnehmen. Wir wissen das, aber wir müssen es auch verinnerlichen. Man wird sich nicht an den Whatsapp-Chat vor einigen Jahren erinnern, sondern an die Begegnung im wahren Leben."
Die digitale Welt erleichtert unsere Kontaktaufnahme mit Freunden, Geschäftspartnern oder Blind Dates, gleichzeitig ist die Vielzahl von Apps, Chats und Einflüssen aber auch riesig und sich aus unliebsamen Verpflichtungen herauszumanövrieren, wird uns immer leichter gemacht. Deshalb sind Whatapp oder Tinder so erfolgreich. Verbindlichkeit bedeutet jedoch, eine Auswahl zu treffen, sich festzulegen, zu priorisieren. Ganz nach der Devise: "Das will ich, das will ich nicht".
Weniger vielleicht würde gut tun
Im analogen Zeitalter traf man Verabredungen noch am Telefon. Und die Treffen funktionierten auch. Die SMS gab es nicht und somit auch nahezu keine Spontanabsagen. Daran mag auch das schlechte Gewissen bei der Vorstellung, jemanden stundenlang allein im Café warten zu lassen, schuld gewesen sein. Heute ist die Hemmschwelle, kurzfristig abzusagen, deutlich niedriger. Über SMS, Whatsapp oder andere Messenger ist eigentlich jeder ständig zu erreichen.
Das beeinflusst unsere zwischenmenschlichen Beziehungen deutlich. Wenn es unangenehm wird, schreibt man eine kurze Textnachricht - das ist nicht so schwierig, wie eine schlechte Nachricht am Telefon zu übermitteln und die Reaktion des anderen direkt zu hören. Rund 76 Prozent der Deutschen sagen, dass der Umgang der Menschen untereinander oberflächlicher und weniger verbindlich geworden ist. Fast 70 Prozent geben gleichzeitig an, einen größeren Termindruck zu spüren und gestresster zu sein.
Sinnvoll ist es deshalb, sich selbst zu fragen: Welcher der Freunde und Bekannten auf Facebook ist wirklich Teil des täglichen Lebens? In der Regel sind es nur wenige. Bei der nächsten Einladung via Facebook oder E-Mail erleichtert das die Entscheidung, zu- oder abzusagen. Auch in Zeiten digitaler Freundschaften ist die Offline-Begegnung aber das, was wirklich zählt. Also, einfach "Zusagen" anklicken. Eine echte Verpflichtung gegenüber den Freunden stärkt die Freundschaft.
Quelle: ntv.de