Kaffee, Krimi und Kaninchen Bock auf Torte in Münster
16.09.2021, 18:16 Uhr
Entspannter Blick über Münster aus der Lounge im "1648" - unter den Bildern der Kaffeehausgründer Albert und Bertha Grotemeyer.
(Foto: ©Michael Kerstiens/Wermeling Verlag)
"Grotemeyer" war das älteste und letzte münstersche Café mit Konditorei in Wiener Kaffeehaustradition, das nach 169 Jahren in Familienhand 2019 dichtmachte. Zwei Bücher, mit bisher streng gehüteten Originalrezepten und passend gemacht für den Hausgebrauch, bewahren das Erbe.
Ich weiß nicht viel über Münster; offenbar ist das eine echte Bildungslücke. Münster - bisher waren das für mich Wilsberg, Thiel und Boerne. Ich liebe diese aus dem Rahmen fallenden Typen. Und ich habe einen prima Kollegen, den es irgendwann aus Münster nach Berlin gespült hat. Das war's eigentlich schon.
Kriminelle und Kriminale tummeln sich ja allerorten, flimmern auf den TV-Schirmen und sind bis auf die münsterschen Ausnahmen doch mehr oder weniger ernst zu nehmen. In Münster-Krimis dagegen kann Spannung regelrecht entspannend sein. Was mich überlegen lässt, ob die Münsteraner so sind, so skurril-liebenswert? Dann muss das an den Karnickeln liegen! Denn welche Stadt hat schon Kreisverkehr mit Kaninchen? Kurios auch, dass es keine offizielle Sprachregelung gibt, ob der Münsteraner nun in ein münsteraner, ein münstersches oder ein münsterisches Café geht. Oder Kneipe, je nach Gusto. Alles Münster! Geholfen, mich da durchzufitzen, hat mir allesmuenster.de. Die meinen: "Hauptsache, das Bier schmeckt." Gebraut wird übrigens auch in Münster.
In Münster ging man zu Grotemeyer

Es war einmal: Das Café Grotemeyer auf einer historischen Postkarte.
(Foto: ©Michael Kerstiens/Wermeling Verlag)
Was weiß ich noch so über Münster? Studenten- und Radlerstadt, das Flüsschen mit dem komischen Namen Aa und der gleichnamige See, Allwetterzoo und eine schöne Altstadt. Habe ich gelesen, aber ich war noch nie dort. Erst jetzt geraten mir zwei Bücher in die Hände, die mir zeigen, was ich noch so alles verpasst habe. Das Schlimme daran: Auch wenn ich sofort losfahren würde, meinen Fehler, nie in Münster gewesen zu sein, kann ich nicht richtig ausbügeln: Das "Grotemeyer" gibt's nicht mehr! Dabei haben die Münsteraner und ihre Stadtväter - selbstverständlich auch die -frauen beziehungsweise vor allem sie - dieses historische Kaffeehaus über alles geliebt. Dennoch ist es nun "dauerhaft geschlossen". Aber was ist schon von Dauer?
Dankenswerterweise haben sich Dorothée und Michael Kerstiens auf die Spur der Grotemeyer-Generationen begeben, tatkräftig unterstützt von Dr. Gabriele Kahlert-Dunkel, die das "Grotemeyer" in 5. Generation führte. "Es soll nicht alles mit mir enden", meinte sie einmal. Die Kerstiens und Gabriele Kahlert-Dunkel haben die Familiengeschichte aufgeschrieben und lassen das Leben und Wirken der Grotemeyers in Münster lebendig werden, von der Zuckerbäckerei-Gründung 1850 an der Aegidiistraße und dem Umzug an die Salzstraße, der Wiedereröffnung des Kaffeehauses nach dem Zweiten Weltkrieg. Und als 1970 die Mutter von Gabriele Kahlert-Dunkel, Annelie Kahlert, geborene Grotemeyer, dort Münsters erstes Straßencafé eröffnete, kam das einer "Revolution" gleich: Kaffeetrinken auf der Straße! Und eine Frau als Inhaberin!

Nicht nur Torten: Grotemeyer war auch für seine Pralinen berühmt.
(Foto: ©Michael Kerstiens/Wermeling Verlag)
Nach durchschlagendem Erfolg folgte dem Buch "169 Jahre Grotemeyer" in diesem Jahr ein zweites: "Grotemeyer 2". Beide Bücher sind im Wermeling Verlag erschienen. Seit 2019 ist "169 Jahre Grotemeyer" in den Läden, nun bereits in dritter Auflage. Der Nachfolger "Grotemeyer 2" kommt am 29. September in den Handel. Selbstverständlich können die Bücher auch online gekauft werden, zum Beispiel direkt beim Verlag - hier gibt's als "Praline" obendrauf eine kostenlose Signatur. Wer möchte, kann die Bücher in einer Geschenkverpackung bestellen: Das Papier mit dem Grotemeyer-Wappen wurde eigens für die beiden Bücher gedruckt. Die Rezeptverzeichnisse können auf der Seite direkt eingesehen werden und es gibt weiterführende Informationen und Links zu Rezepten.
Kaffeehaus heißt jetzt Lounge

Es ist geschafft! Dorothée Kerstiens, Gabriele Kahlert-Dunkel und Michael Kerstiens bei der Buchpremiere (v.l.).
(Foto: ©Nico Tillmann)
Seit 2019 gibt es in Münster außerdem einen Ort, an dem Kuchen und Torten nach Grotemeyer-Originalrezepten - "Torten "Grotemeyer Art" - gebacken werden: Die ehemalige Stadtverwaltungs-Kantine in der 11. und 12. Etage im Stadthaus 1 heißt nun "1648" ("Café/Lounge/Gastronomie"). Der Name erinnert an den Westfälischen Frieden und die 12. Etage mit der "Grotemeyer Lounge" an die berühmte Familie. Ein bisschen tröstend ist das schon, dass Münster ganz ohne Grotemeyer unvollkommen wäre. Rundum verglast, bietet die Lounge als höchstgelegenes Lokal der Stadt einen spektakulären Blick auf Münster. Hier haben die Gemälde der Kaffeehausgründer Albert und Bertha Grotemeyer als Dauerleihgabe von Gabriele Kahlert-Dunkel einen neuen Platz gefunden. Geführt wird die Café Lounge wie das gesamte "1648" als Inklusionsbetrieb von den Alexianern.
1. Buch: "169 Jahre Grotemeyer"
Das erste Buch fesselt mit spannenden, berührenden und bewusst persönlich geschriebenen Erinnerungen an die Grotemeyer-Frauen und -Männer. Es erzählt nicht nur, wie die Familie Krankheiten und Kriege, Wirtschaftskrisen und Rückschläge überstanden hat, sondern es ist zugleich ein Stück münstersche Kaffeehaus-Geschichte. Es ist eine Geschichte von Unternehmergeist, vom Zusammenhalt einer Familie - von Optimismus. Eine kleine Sensation bietet das Buch außerdem: Erstmals wurden 25 bis dahin nur mündlich von Konditormeister zu Konditormeister weitergegebene Originalrezepte aufgeschrieben, unter Privatküchenbedingungen getestet und fotografiert. Sie finden in dem Buch vielfach von den Kunden nachgefragte Rezepte, auch für Grotemeyers "weltbestes" Teegebäck und Pralinen. Als Bonus gibt es Tipps von Konditormeister Günter Brast und natürlich auch Grundrezepte.
Der Untertitel "das Café, der Maler, die Rezepte" verrät, dass es hier nicht nur um Tortenkunstwerke geht: Ein Stadtspaziergang auf den Spuren von Münsters berühmtestem Maler, Fritz Grotemeyer, lädt dazu ein, den vielseitigen Künstler zu entdecken.

Das Haus der Gründerfamilie Bertha und Albert Grotemeyer, gemalt von ihrem Sohn Fritz.
(Foto: ©Dr. Gabriele Kahlert-Dunkel/Foto:©Michael Kerstiens/Wermeling Verlag)
Fritz Grotemeyer (1864-1947), neuntes von elf Kindern der Kaffeehausgründer Albert und Bertha, musste zwar etwas "Anständiges" im Warenkaufhaus seines Patenonkels lernen, doch trotz väterlicher Proteste und Ermahnungen, bloß keine "ösigen" (anstößigen) Bilder zu malen wie "Rubens dat Swin", wurde Fritz Maler. "Bei meinem Elternhaus Aegidiistraße belebten Schweine, Hühner, Katzen, Karnickel, Raben, Eichhörnchen und Eulen den langgestreckten Hof", heißt es in seinen Kindheitserinnerungen. Faksimiles von Dokumenten und Handschriften sowie zahlreiche Abbildungen seiner Gemälde aus dem Stadtmuseum und Privatarchiven zeichnen ein eindrucksvolles Bild seines künstlerischen Schaffens als Porträt-, Historien- und Kriegsmaler sowie der Stationen seines Lebens in Münster, Berlin, in Ländern Europas und des Orients.
2. Buch: "Grotemeyer 2"
Das zweite Buch trägt den Untertitel "Konditoren-Rezepte aus dem legendären Café" und hat den Wunsch von Gabriele Kahlert-Dunkel "Dieser Schatz darf nicht verloren gehen" in die Tat umgesetzt. Für dieses Buch hat sie noch einmal die Tür zu Grotemeyers Konditoren-Backstube geöffnet. Sie hätte es sich nie vorgestellt und auch nicht gewollt, diejenige zu sein, "die zuletzt die Tür des Café Grotemeyer zuschließen würde", schreibt sie im Vorwort. "Die Tür wieder aufschließen zu können, das ist für mich ein besonderes Geschenk."
Wie so oft bei Familienbetrieben sind es das Alter und die offene Nachfolgeregelung, die irgendwann einen Schlusspunkt setzen. Auch bei den Grotemeyers steht eine sechste Generation nicht in den Startlöchern, die Kinder gehen eigene berufliche Wege.

Hat die Tür zu Grotemeyer zugemacht - aber nicht ganz: Gabriele Kahlert-Dunkel.
(Foto: ©Fotomontage: Michael Kerstiens/Wermeling Verlag)
Dorothée Kerstiens hat mit Unterstützung von Günter Brast, der über vier Jahrzehnte Konditormeister bei Grotemeyer war, die Rezepte ausprobiert, für die Privatküche angepasst und erneut getestet. Ich stelle mir das ziemlich schwierig vor, Kaffeehausmengen auf Familienhaushalte herunterzurechnen. Mitunter gab es ja nicht einmal Mengenangaben bei Grotemeyer! Ein Riesenaufwand - und alles musste auch noch gegessen werden ... Es hat sich gelohnt: Herausgekommen sind tolle Rezepte für fruchtige, festliche und ausgefallene Torten, für Tee- und Käsegebäck, Canapés und so weiter. Es gibt Kapitel zu Tortenböden und Grundrezepten, wie Marzipantiere modelliert oder Dekorationen gespritzt werden, wie Torten glutenfrei gebacken werden können. Alle Rezepte werden gelingsicher erklärt und illustriert. Ein Extra für kleine Haushalte: Die Grotemeyer-Torten gibt es neben den klassischen Größen auch mit Mengenangaben für kleine Formate.
Die Münsteraner kriegen es jetzt selbst gebacken

"Es hört sich ja blöd an - aber Ihr Teegebäck ist weltweit das beste." Eine Kundin zu Gabriele Kahlert-Dunkel.
(Foto: ©Michael Kerstiens/Wermeling Verlag)
Wir erfahren in den Büchern viel aus der Grotemeyer-Vergangenheit und auch aus der Grotemeyer-Gegenwart. Gibt es aber auch eine Grotemeyer-Zukunft? Jetzt, wo das Haus Grotemeyer aufgehört hat, eine Institution in Münster zu sein? Dorothée Kerstiens hat diese wunderbare Konditorei-Geschichte tatsächlich in die Zukunft gedacht: Im zweiten Grotemeyer-Buch heißt ein Kapitel "Was Hugo heute erfinden würde". Zu finden sind da sizilianisch oder mallorquinisch inspirierte Torten, Zutaten wie Pumpernickel oder Bier, Limonen, Karotten, Pinienkerne, Ziegenfrischkäse oder Schmand, Kaktusfeigen oder Chiasamen.
Kriegen die Münsteraner es jetzt selbst gebacken? Ja - mit diesen zwei wunderbaren Büchern. Und natürlich nicht nur die Münsteraner. Münsterfans und Kunstfreunde, Hobbybäcker und Kaffeehausliebhaber kommen bei diesen Büchern gleichermaßen auf ihre Kosten.

Schon als Foto unwiderstehlich: Grotemeyers Champagner-Royaltorte.
(Foto: ©Michael Kerstiens/Wermeling Verlag)
Vielleicht bin ich ja, weil ich Wiener Kaffeehäuser immer noch schön finde (und nicht nur in Wien), aus der Zeit gefallen. Aber das Leben besteht doch nicht nur aus Coffee to go! Viele reden über Entschleunigung und wie wichtig das für unser seelisches Gleichgewicht ist in dieser schnelllebigen Zeit - ehrlich, ich entschleunige im Kaffeehaus wesentlich besser als mit dem Pappbecher in der Hand auf 'ner Haltestellen-Bank. Wenn ich also mal nach Münster kommen sollte, gibt's Kaffee und Kuchen in der Grotemeyer Lounge - wenigstens dieses Grotemeyer 2.0 ist geblieben und versöhnt mit Süßem nach Originalrezepten. Doch mindestens eine Träne werde ich zerquetschen, das müssen die Münsteraner mir schon gestatten, weil ich das älteste Kaffeehaus der Stadt nicht mehr kennenlernen kann. Aber vielleicht schlurft mir ja der Wilsberg über den Weg (Warum geht der immer nur mit Anna Kaffee trinken?) und kommt mit mir in die Grotemeyer Lounge. Ich zahle auch!
Grotemeyers Ottilienkranz
250 g Butter
250 g Zucker
4 Eier Größe M
15 ml Rum
1 Msp. Vanille, eine Prise Salz, etwas abger. Bio-Zitronenschale
250 g Mehl
7 g Backpulver
135 g Mandelstifte
135 g dunkle Kuvertüre
Einfach, schnell zuzubereiten und durch Mandeln und Schokolade unwiderstehlich lecker!
Zubereitung:
Rodonkuchenform fetten und mit Paniermehl oder Mehl ausstreuen.
Kuvertüre hacken, mit den Mandelstiften und einer Handvoll Mehl gut vermischen.
Butter, Zucker und Gewürze aufschlagen, dabei Eier und Rum nach und nach zugeben.

Grotemeyers Ottilienkranz: Wer war nur diese Ottilie, die einst diesen herrlichen Napfkuchen gebacken hat?
(Foto: ©Michael Kerstiens/Wermeling Verlag)
Nach dem 2. Ei ca. 50 g Mehl zugeben, einrühren. Das restliche Mehl zuschütten, kurz und kräftig verrühren. Zum Schluss die Kuvertüre-Mandelmischung unterheben.
Den Teig in die vorbereitete Form geben und bei 160 Grad Heißluft ca. 50 Minuten backen.
Aus der Form lösen. Nach dem Erkalten mit Puderzucker bestäuben.
(Original-Rezept Konditorei Grotemeyer, Münster © Dorothée Kerstiens. Wermeling Verlag)
Grotemeyers Eierlikörgugelhupf
ca. 10 g Butter und etwas Grieß für die Form
300 g weiche Butter
200 g Puderzucker
1 Prise Salz
1 Tl. Vanillezucker
abger. Schale ½ Bio-Zitrone
6 Eier Gr. M
200 ml Eierlikör
15 ml frisch gepresster Zitronensaft
250 g Mehl, gesiebt
50 gem. Mandeln, blanchiert
10 g Backpulver
Dekoration:
100 g dunkle Kuvertüre oder etwas Puderzucker
Dieser feine Gugelhupf wird durch Eier, Zitronensaft und Eierlikör sehr saftig und bleibt lange frisch.
Zubereitung:
Butter und Eier rechtzeitig aus dem Kühlschrank nehmen, damit beides die gleiche Temperatur hat. Mehl sieben, mit Mandeln und Backpulver mischen.
Gugelhupf Form sorgfältig buttern und mit Grieß ausstreuen.
Butter mit Zucker und Gewürzen aufschlagen. Nach und nach die Eier zugeben, unterschlagen.
Nach dem zweiten Ei 50 g des Mehl-Mandelgemischs zugeben. Eierlikör und Zitronensaft unter ständigem Rühren zufügen. Restliches Mehl zügig einrühren.

Dieser Eierlikörgugelhupf lässt Herzen hüpfen - nicht nur zu Ostern.
(Foto: ©Michael Kerstiens/Wermeling Verlag)
Teig in die vorbereitete Gugelhupf Form füllen, glatt streichen. Bei 160 Grad Umluft auf der 2. Schiebeleiste von unten 50-55 Minuten backen.
Aus der Form lösen. Auf den noch warmen Gugelhupf ein lockeres Muster aus temperierter Kuvertüre ziehen. Alternativ auskühlen lassen und mit Puderzucker bestäuben.
(Original-Rezept Konditorei Grotemeyer, Münster © Dorothée Kerstiens. Wermeling Verlag)
Viel Spaß beim Lesen und Backen - und dem Planen einer Münster-Reise wünscht Ihnen Heidi Driesner.
Quelle: ntv.de