Forscher schlagen Alarm2050: Deutschland ohne Schnee
Die Befürchtungen der Klimaforscher drohen Realität zu werden: Das Weltklima erwärmt sich einer Hamburger Studie zufolge so schnell wie nie zuvor.
Die Befürchtungen der Klimaforscher drohen Realität zu werden: Das Weltklima erwärmt sich einer Hamburger Studie zufolge so schnell wie nie zuvor. Zugleich ist das Eis am Nordpol auf ein Rekordtief geschmolzen. Die Eisbären könnten angesichts der Schmelze verhungern, noch ehe das Eis unter ihren Tatzen ganz weggetaut ist.
Die globale Temperatur werde bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu vier Grad Celsius steigen, berechneten Wissenschaftler des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie in einer Studie für den Klimarat der Vereinten Nationen (IPCC). Der Meeresspiegel könne im Durchschnitt bis zu 30 Zentimeter klettern, in der Nordsee sogar etwas mehr. "Das ist der stärkste Klimawandel, der in den letzten Millionen Jahren auf der Erde im globalen Mittel aufgetreten ist", betonte Klimaforscher Prof. Hartmut Graßl.
Trockene Sommer - Feuchte Winter
Die Sommer in Mitteleuropa werden den Berechnungen zufolge trockener und wärmer, die Winter ebenfalls wärmer, aber feuchter, sagte Projektleiter Erich Roeckner. Die Gefahr von starkem Regen und Überschwemmungen nimmt den Berechnungen zufolge deutlich zu. Heiße Trockenperioden sollen auch in Deutschland bald zum durchschnittlichen Sommer gehören. In den Wintern werden Kälte bringende Hochdrucklagen seltener.
Der Geschäftsführende Institutsdirektor Prof. Jochem Marotzke betonte, die Berechnungen hätten keine grundlegend neuen Erkenntnisse gebracht, die bisherigen Annahmen aber untermauert. Für die neuen Berechnungen seien wesentlich mehr Daten verwendet worden als für den IPCC-Bericht von 2001. "Viele Ergebnisse sind deutlich stabiler." Das gelte zum Beispiel für das erwartete sommerliche Abschmelzen des Meer-Eises in der Arktis. Dadurch veränderten sich die Lebensbedingungen für Pflanzen und Tiere dramatisch, so etwa für Eisbären, die vom Eis aus auf die Jagd gehen.
Kein Eis mehr für die Eisbären
Die Eisfläche der Arktis schrumpft bereits im vierten Jahr in Folge in Rekordtempo, wie eine weitere Studie ergab. Im September 2005 habe das Eis im Nordpolgebiet ein neues Minimum erreicht, schreibt das Nationale Schnee- und Eis-Datenzentrum der USA (NSIDC). "Wenn der derzeitige Schwund des Meer-Eises anhält, könnte die Arktis bis zum Ende des Jahrhunderts im Sommer komplett eisfrei sein", hieß es.
"Wie sollen die Eisbären das überleben?", fragt sich auch NSIDC-Chef Roger Barry. Sie wandern mit der Meereseiskante und können auf den Eisflächen im Meer leichter Robben jagen als an Land. Die Bären warten unter anderem an Eislöchern auf die Beutetiere, die regelmäßig Luft holen müssen.
Das Eis verringere sich derzeit um etwa acht Prozent pro Jahrzehnt, berichtete das NSIDC. Von 2002 bis 2005 hatte es demnach jedes Jahr eine um 20 Prozent geringere Ausdehnung als im Schnitt der Jahre 1978 bis 2000. Der Schwund entspricht 1,3 Millionen Quadratkilometern oder etwa der vierfachen Fläche Deutschlands. Am 21. September 2005 bedeckte das Eis eine Fläche von 5,32 Millionen Quadratkilometern, das sei die geringste Ausdehnung seit Beginn der Satellitenmessungen 1978.
Die arktische Eisfläche erreicht jedes Jahr im September ihr Minimum, nimmt danach im Laufe des Jahres aber wieder zu. Doch auch für das Winter-Eis 2004/2005 wurde ein relatives Rekordminimum registriert. Zudem hatte die Eisschmelze im Frühjahr seit dem Jahr 2002 immer früher eingesetzt.
Die Eisdaten an den Polen hätten gewöhnlich zyklische Verläufe, sagte Liz Morris vom British Antarctic Survey dem Sender BBC. Doch eine Reduzierung über vier Jahre hinweg sei nicht zu erwarten gewesen. Dies deute zusammen mit den steigenden Temperaturen in der Arktis stark auf den Einfluss industrieller Treibhausgase hin. An den Polen ist die Temperatur in den vergangenen 100 Jahren mit zwei bis drei Grad Celsius besonders stark gestiegen.
2050 deutsches Flachland ohne Schnee
Der Kieler Klimaforscher Mojib Latif hält die Hamburger Angaben, dass noch in diesem Jahrhundert ein Anstieg der Temperatur auf der Erde um 2,5 bis 4 Grad Celsius zu erwarten ist, für sehr wahrscheinlich. Fast alle Modelle kämen zu der gleichen Auffassung, "dass wir für den Fall, dass wir so weiter machen wie bisher für das Jahr 2100 einen Temperaturanstieg bekommen, der wirklich einmalig ist", sagte Latif dem ZDF. So werden die Winter in Deutschland weiterhin wärmer. Ohne künftigen Klimaschutz "wird es im Jahr 2050 in Deutschland keinen Schnee mehr geben - zumindest nicht im Flachland". Der beobachtete Trend zu wärmeren Wintern werde sich fortsetzen.
Der Chef des UN-Umweltprogramms (UNEP), Klaus Töpfer, forderte, das Klimaschutz-Protokoll von Kyoto mit weit reichenderen Zielen zu verbinden. Die vereinbarte Verminderung um 5,2 Prozent reiche bei weitem nicht aus, sagte er dem Radiosender NDR Info. Ende November beginnt im kanadischen Montral eine UN-Klimakonferenz, die neue Klimaziele für den Zeitraum nach 2012 diskutieren soll. Deutschland und Europa müssten sich fragen, was sie beitragen könnten. Er verwies auf Österreich, wo nach einem neuen Gesetz der Bio-Stoff Ethanol in Kraftstoffe eingefügt werden müsse. "Ich hoffe, das viele, viele Zeichen an der Wand dazu führen, das schneller gehandelt wird", sagte Töpfer.
Wie viele andere Klimaforscher rechnet auch Latif insgesamt mit stärkeren Niederschlägen im Winter und damit steigender Hochwassergefahr. "Im Sommer werden wir einen Zweiklang haben: Auf der einen Seite lang anhaltende Trockenperioden, so wie wir es zum Beispiel im Jahrhundertsommer 2003 beobachtet haben, und dann immer wieder diese sintflutartigen Niederschläge", sagte Latif. "Das sind zwei Seiten ein und derselben Medaille, und die heißt globale Erwärmung."
Machtlos gegen diesen Klimawandel sei man nicht: "Wir müssen innerhalb der nächsten Jahre mit dem Kohlendioxid-Ausstoß runter" - weltweit bis 2050 um 50 Prozent und bis zum Jahr 2100 um 100 Prozent.