Bis zu 400 Liter möglich "Anett" flutet Nachbarländer - Hochwasser im Osten möglich
12.09.2024, 15:40 Uhr Artikel anhören
Im Alpenraum und in Polen und Tschechien stehen massive Niederschläge an.
(Foto: picture alliance / Jan Eifert)
Südlich und östlich von Deutschland braut sich in den kommenden Tagen eine ungemütliche Wetterlage zusammen. Die Temperaturen fallen bereits oberhalb von 1000 Meter in den Frostbereich. Hinzu kommen teils gewaltige Niederschlagsmengen, wie ntv-Meteorologe Björn Alexander weiß. Das Wasser wird dann wohl über Elbe und Oder nach Deutschland abfließen.
ntv.de: Wie ist die momentane Wetter-Situation?
Björn Alexander: Auf der Rückseite von Skandinavientief "Zilan" ist kalte Luft polaren Ursprungs über Deutschland und die Alpen hinweg bis ans Mittelmeer geströmt. Dabei hat sich über dem Golf von Genua ein weiteres Tief gebildet, Tief "Anett", das international den Namen "Boris" trägt und jetzt in Teilen Europas für teils extreme Niederschlagsmengen sorgen wird.
Welche Regionen sind betroffen?
Von Norditalien aus verlagert sich "Anett" in Richtung Österreich, Tschechien und anschließend nach Südpolen - mit dem Potenzial für zum Teil massive Regenfälle, die auf den Bergen in Schnee übergehen. Die Schneefallgrenze liegt hierbei am Samstag in den Alpen um 1200 Meter, in manchen Tälern kann es auch bis knapp unter 1000 Meter schneien. Das hängt von der Intensität der Niederschläge ab, die wiederum natürlich auch entscheidend ist für die Neuschneemengen.
Wie viel Schnee wird fallen?
Insgesamt dürfte der Wintereinbruch den Hochlagen mitunter um die 50 bis 100 Zentimeter Neuschnee bringen. Selbst größere Summen sind in den Gipfellagen nicht auszuschließen. Der Schwerpunkt erstreckt sich dabei von den Zentral- bis in die Ostalpen. Neben Glätte und winterlichen Straßenverhältnissen muss teilweise mit massivem Schneebruch gerechnet werden. Auch Verwehungen und Schneeverfrachtungen sind denkbar, da der Wind zum Teil stark bis stürmisch weht.
Mit Blick auf das Bergwandern: Wie drastisch ist der Temperatursturz im Gebirge?
Auf 2000 Metern Höhe ging es von 5 bis 10 Grad am Mittwoch auf um oder unter minus 3 Grad am heutigen Donnerstag. Ein ähnliches Bild zeigt sich auf 3000 Metern, wo die Werte von über 0 Grad gegen minus 10 Grad absacken. Der Windchill, also die gefühlte Temperatur, liegt dann bei unter minus 15 Grad.
Stichwort Regen: Was passiert im Flachland?
Grundsätzlich sind solche Tiefdruckentwicklungen die regenreichsten Situationen, die wir in Deutschland und Mitteleuropa kennen. Sogenannte Vb-Wetterlagen (gesprochen 5b) - also mit einem Tief, das von Norditalien nordostwärts zieht. Mit dem Potenzial für Rekordregenmengen auch hierzulande, die der Blick auf den August 2002 zeigt. Damals wurde in Zinnwald-Georgenfeld (Erzgebirge) mit 312 Litern pro Quadratmeter die größte 24-stündige Regensumme seit Aufzeichnungsbeginn gemessen.
Welche Wassermassen sind jetzt durch "Anett" zu befürchten?
Die Größenordnung ist ähnlich wie im Jahr 2002 - in der Spitze mit über 300 bis um die 400 die Liter je Quadratmeter. Hierbei erstreckt sich der Fokus vom Osten Österreichs über Tschechien bis nach Südpolen. Dementsprechend ist dort im Laufe der nächsten Tage leider von einer außergewöhnlichen bis katastrophalen Hochwasserlage auszugehen.
Wie viel Regen fällt in Deutschland?
Die größten Regenmengen bei uns sind am Alpenrand drin. Je nach Wettermodell werden es bis Montagabend 100 bis 200 Liter pro Quadratmeter. Auch im Bereich Erzgebirge und südliches Sachsen zeigen die Prognosen Regenmengen von bis um die 100 Liter. Hierbei besteht die Gefahr von kleinräumigen Überschwemmungen und Erdrutschen.
Was lässt sich über die Hochwassergefahr bei uns sagen?
Eine größere Hochwasserlage ist für den Süden, sprich an der Donau, nicht wahrscheinlich, da die Flüsse noch reichlich Platz haben und ein ganzer Teil der Niederschläge ja als Schnee gebunden ist.
Und im Osten?
Für den Osten spielen die Regenmengen und Abflüsse aus Tschechien und Polen eine gewichtige Rolle. Denn hier haben Elbe, Oder und Neiße ihre Einzugsgebiete. Eine Bewertung ist hierbei allerdings noch sehr schwierig, da die Niederschlagsprognosen im Detail noch größere Unsicherheiten aufweisen. Fest steht, dass es in unseren Nachbarländern bange Tage werden dürften und wir - nach jetzigem Stand - deutlich weniger heftig getroffen werden.
Welche Aussichten bringt unser Wochenendwetter im Detail?
Der Samstag verläuft südlich der Donau grau und nass mit kräftigem Dauerregen - mit Schnee oberhalb von 1000 bis 1200 Meter. Gleichzeitig wird es auch in der Osthälfte durchwachsen mit einem teilweise lebhaften bis stürmischen Wind. Im übrigen Land schaut es derweil freundlicher aus und die Schauer sind selten. Dazu erreichen die Temperaturen am Alpenrand kaum mehr als 5 oder 6 Grad, während es mit Sonne im Nordwesten bis zu 18 Grad werden.
Und am Sonntag?
Könnte der Regen im Süden auch mal längere Pausen einlegen. Der Osten zeigt sich unterdessen regnerisch, der Westen wechselhaft mit Schauern. Am schönsten geht es noch in Richtung Nordsee durch den Sonntag. Bei den Temperaturen gilt aber überall: Der Spätsommer bleibt auf Tauchstation bei 9 Grad an den Alpen und windigen 13 bis 19 Grad im großen Rest.
Wohin soll die Reise nächste Woche gehen?
Der Montag verläuft - vom schöneren Norden mal abgesehen - meistens wechselhaft oder grau, bevor es allgemein freundlicher werden dürfte. Denn ab Dienstag setzen die Prognosen auf eine deutliche Besserung mit zunehmend sonnigem und spürbar wärmerem Wetter. Im Norden wahrscheinlich mit Schlagdistanz zur Sommermarke von 25 Grad. Sonst ist es etwas frischer - zumal der Ostwind dabei stramm bis lebhaft auffrischen dürfte.
Quelle: ntv.de