Laufendes Compliance-Verfahren "Bild"-Chef Reichelt lässt sich beurlauben
13.03.2021, 20:21 Uhr
Julian Reichelt ist seit 2018 Chefredakteur bei der "Bild".
(Foto: imago images/Jörg Schüler)
Nach Berichten über möglichen Machtmissbrauch und Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen lässt sich "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt vorerst freistellen. Gegen den Chef der größten deutschen Tageszeitung läuft derzeit ein internes Compliance-Verfahren. Der 40-Jährige selbst bestreitet die Vorwürfe.
"Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt ist inmitten eines laufenden Compliance-Verfahrens befristet freigestellt worden. Der Medienkonzern Axel Springer teilte mit: "Um eine ungestörte Aufklärung sicherzustellen und die Arbeit der Redaktion nicht weiter zu belasten, hat er den Vorstand darum gebeten, bis zur Klärung der Vorwürfe befristet von seinen Funktionen freigestellt zu werden. Die Freistellung ist inzwischen erfolgt."
Reichelt, der Vorsitzender der "Bild"-Chefredaktionen und Sprecher der "Bild"-Geschäftsführung ist, weise die Vorwürfe zurück. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier veröffentlichte auf Twitter den Screenshot einer internen Slack-Nachricht Reichelts an seine Redaktion. Darin schreibt der 40-Jährige: "Bild und die Menschen bei Bild sind mein Leben. Ich habe immer alles getan, dass es Bild, dass es uns gut geht und das tue ich auch heute, auch wenn es mir unendlich schwerfällt." Er habe den Vorstand von Axel Springer darum gebeten, ihn vorerst zu beurlauben.
Gleichzeitig bestritt Reichelt die Vorwürfe gegen ihn. "Die Vorwürfe sind falsch. Ich werde mich gegen die wehren, die mich vernichten wollen, weil ihnen Bild und alles wofür wir stehen, nicht gefällt."
Vor Tagen war das Compliance-Verfahren gegen den Chefredakteur bekanntgeworden. Eine solche Untersuchung in einer Firma zielt darauf abzuprüfen, ob das Verhalten regelkonform war und die Richtlinien einer Firma eingehalten worden sind. Der Medienkonzern betonte: "Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen. Daher wird das Unternehmen derzeit keine weiteren Angaben zum Verfahren und zum Gegenstand der Vorwürfe machen."
Das Medienhaus betonte zudem: "Axel Springer hat immer und sehr grundsätzlich zu unterscheiden zwischen Gerüchten, Hinweisen und Beweisen. Wenn aus Gerüchten über andere Personen konkrete Hinweise von Betroffenen selbst werden, beginnt das Unternehmen - wie im aktuellen Fall - sofort mit der Aufklärungsarbeit." Wenn aus Hinweisen Beweise werden, handele der Vorstand. "Diese Beweise gibt es bisher nicht. Auf Basis von Gerüchten Vorverurteilungen vorzunehmen, ist in der Unternehmenskultur von Axel Springer undenkbar."
Nach Andeutungen des Satirikers Jan Böhmermann in seiner ZDF-Show vor gut einer Woche hatte der "Spiegel" unter Berufung auf Informationen berichtet, dass es Vorwürfe von mehreren Beschäftigten geben soll. Das Nachrichtenmagazin schrieb von Machtmissbrauch und Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen sowie Verfehlungen gegenüber Frauen.
Reichelt ist seit 2002 und damit seit fast 20 Jahren beim Konzern Axel Springer in unterschiedlichen Funktionen tätig. Im Februar 2017 wurde er neben seinem Posten als Chefredakteur "Bild" Digital zusätzlich Vorsitzender der "Bild"-Chefredaktion und trägt die übergeordnete redaktionelle Verantwortung der "Bild"-Marke. 2018 übernahm er dann zudem den Posten des Chefredakteurs "Bild" Print.
Die Führung der Redaktion übernimmt vorerst nun Alexandra Würzbach, Chefredakteurin der "Bild am Sonntag" und Mitglied der Chefredaktion der "Bild"-Gruppe, wie der Verlag bekanntgab.
Quelle: ntv.de, hek/dpa