Panorama

Italiens Zivilschutz zu Corona "Das ist die härteste Maßnahme"

Angelo Borrelli leitet den italienischen Zivilschutz.

Angelo Borrelli leitet den italienischen Zivilschutz.

Bisher wurde bei fast 1700 Menschen in Italien das Coronavirus nachgewiesen. 140 von ihnen liegen auf der Intensivstation, wie der Direktor des Zivilschutzes Angelo Borrelli gegenüber ntv sagte. 106 von diesen 140 sind auf Intensivstationen in der Lombardei. Die Krankenhäuser dort kommen dadurch an ihre Grenzen.

So etwas habe er in 42 Jahren im Beruf noch nicht erlebt, sagte Prof. Massimo Galli, Chefarzt für Infektiologie des Krankenhauses "Sacco" in Mailand, der Zeitung "Corriere della Sera". "Unsere Intensivstationen sind bis an die Grenzen ausgelastet und wir sind in der Lombardei eine der am besten vorbereiteten Regionen."

Kein Gesundheitssystem der Welt sei auf eine so große Anzahl von Patienten, die alle zugleich in Quarantäne isoliert werden müssen und die hochkritisch sind, vorbereitet. "Letzten Freitag hatten wir in der Lombardei schon 85 Patienten mit Covid-19 auf den Intensivstationen, die alle beatmet werden mussten, das ist ein Großteil der Plätze!" Im Interview mit ntv schildert Zivilschutz-Direktor Angelo Borrelli den Ernst der Lage.

ntv: Herr Direktor Borrelli, welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, wenn das Virus sich weiter ausbreiten sollte?

Angelo Borrelli: Wir haben bereits eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen, von den Stärksten überhaupt bis hin zu Leichteren. Im Gebiet der sogenannten "roten Zone", zehn Gemeinden im Kreis Lodi und in Vò Euganeo in Venetien, haben wir das gesamte Gebiet abgeriegelt: Die Menschen dort können weder rein noch raus, dieselbe Maßnahme wie in Wuhan in China. Wir versorgen die Menschen mit dem Notwendigen zum Leben.

Eine sehr drastische Maßnahme.

Das ist die härteste Maßnahme. Das ist die Maßnahme, die man treffen muss, wenn die Zahl der Infektionen immer größer wird, und man verhindern muss, dass sich der Virus im ganzen Land ausbreitet.

Würden Sie eine solche drastische Maßnahme auch ergreifen, wenn so große Städte wie Mailand oder Bergamo betroffen wären?

Wenn sich das Virus noch weiter ausbreiten sollte, es dramatisch werden würde, dann werden wir die Gruppen von Menschen, für die das Virus ein hohes Risiko darstellt, dazu einladen, zu Hause zu bleiben. Jeden Kontakt zu vermeiden, über den sie sich anstecken könnten, auch sogenannte gesunde Virusträger. Das sind dann Maßnahmen, die insgesamt noch relativ wenig in das Leben der Menschen eingreifen sollten.

Wer versorgt dann diese Menschen mit Lebensmitteln?

Das werden wir dann übernehmen. Dafür haben wir Freiwillige des Zivilschutzes in Italien. Das ist, im Vergleich auch zu Ihrem Land, der große Vorteil für uns. Wir verfügen über mehr als 130.000 Freiwillige, unermüdliche Freiwillige. Und die sind auf allen Ebenen, von der Gemeinde bis auf nationaler Ebene einsatzbereit.

Also sollen die Freiwilligen die Isolierten, insbesondere die älteren Leute versorgen?

Genau.

Die Zahl der Infizierten ist schon hoch. Im Norden sind schon knapp 100 in der Intensivtherapie, aber jetzt gibt es dort bald keine Plätze mehr. Was soll nun passieren mit noch mehr schwerkranken Leuten, die beatmet werden müssen?

Zuerst einmal muss besser ausgewählt werden, wer auf die Intensivstation kommen muss. Wer am Coronavirus erkrankt ist, kann auch mit einer etwas weniger intensiven Therapie behandelt werden. Dann müssen einfach mehr Betten mit Beatmung in der Intensivtherapie geschaffen werden. Wir stellen uns vor, das ähnlich wie in Wuhan zu machen, wo man zusätzlich neue Krankenstationen errichtet hat. Unser Gesundheitssystem muss schnell erweitert werden, dazu müssen sich die Regionen solidarisch verhalten. Patienten aus dem Norden müssen in nicht so betroffene Regionen verlegt werden.

Das Interview führte Udo Gümpel.

Quelle: ntv.de

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