Panorama

Vergewaltigung und KinderpornosErzieher wegen Missbrauchs angeklagt

27.08.2018, 17:42 Uhr
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Der ehemalige Erzieher vergewaltigte einen Jungen und filmte das auch. (Foto: picture alliance / Arne Dedert/d)

Wegen sexuellen Missbrauchs und Kinderpornografie steht ein ehemaliger Kita-Leiter vor Gericht. Viele in Heilbronn sind fassungslos, dass der Mann noch lange Zeit als Erzieher arbeitete, als schon gegen ihn ermittelt wurde. Auch ein Behördenfehler spielte eine Rolle.

Der Fall sorgt bundesweit für Entsetzen: Fast sechs Jahre lang soll ein Erzieher einen Schuljungen schwer sexuell missbraucht haben. Mehrere Fälle gelten als Vergewaltigung. Laut Anklage soll der Mann sich von 2012 bis Anfang 2018 insgesamt 19 Mal meist in seiner Wohnung an dem Kind vergangen und diese Taten auch gefilmt haben. Der Mann sitzt seit Anfang März im Gefängnis. Nun droht ihm eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren.

Die Eltern hatten Vertrauen zu dem auch ehrenamtlich aktiven Erzieher, heißt es. Sie ließen ihren Sohn sogar bei ihm übernachten. Mit Handschellen und in einem gestreiften Hemd lässt der Mann die Anklage mit den hässlichen Details der ihm vorgehaltenen Vergehen nahezu regungslos über sich ergehen. Die Opfereltern und ihr Kind ersparen sich den Prozessauftakt. Zuschauer im voll besetzten Sitzungssaal verfolgen die Anklage mit Kopfschütteln.

Zu den Vorwürfen wolle der Angeklagte sich beim nächsten Prozesstag am 18. September äußern, kündigte Verteidiger Thomas Amann an. "Er will für seine Taten einstehen", sagte Amann, der schon ein Geständnis seines Mandanten angekündigt hat. Meike Pirkner, die Vertreterin des heute 13 Jahre alten Opfers, äußerte sich am ersten Prozesstag nicht dazu, wie es dem Jungen geht. Sie scheiterte mit dem Versuch, die Öffentlichkeit für den Opferschutz gänzlich vom Prozess auszuschließen. Das Interesse der Öffentlichkeit sei in diesem Fall sehr groß, sagte die Vorsitzende Richterin Eva Bezold.

Junge muss vielleicht aussagen

Fünf Zeugen sind geladen, darunter das Opfer. Ob der Junge aussagen muss, hängt vom Verlauf des Verfahrens und nicht zuletzt vom Geständnis des 31-Jährigen ab. Er lernte das Kind in einem Kindergarten kennen, heißt es. Die Eltern kannten den Erzieher von einem Büchercafé, das er mit seiner Mutter organisierte. Der Mann war auch privat und ehrenamtlich umtriebig in Heilbronn. Er organisierte Geburtstagspartys und Ausflüge, hatte sehr viele Kontakte. 2014 wurde er vom Bundesfamilienministerium für seine Arbeit ausgezeichnet.

Für Entsetzen und Kritik an den Ermittlungsbehörden und der Kirche sorgte, dass der Mann noch als Erzieher arbeitete und das Kind missbraucht haben soll, als bereits wegen Kinderpornografie gegen ihn ermittelt wurde. Anfang 2016 kam er ins Visier der Ermittler, im Mai 2016 beschlagnahmte die Polizei bei ihm 13.000 Bilder und Videos mit Kinderpornografie. Der Beruf des Mannes sei damals nicht ermittelt worden, heißt es später. Ein Fehler, wie die Polizei einräumte.

Warum der Mann danach noch bis Anfang 2018 für die Kirchengemeinde arbeitete, versucht derzeit ein Krisenteam aufzuklären. Danach werde entschieden, welche Konsequenzen zu ziehen seien, sagte ein Sprecher der Landeskirche. Nach bisherigen Erkenntnissen blieben die Kinder im Kindergarten von den sexuellen Übergriffen verschont.

Der Deutsche Kinderschutzbund fordert im Zusammenhang mit dem Heilbronner Fall mehr Beachtung der verpflichtenden Schutzkonzepte vor sexuellem Missbrauch in Kindergärten. "Man muss grundsätzlich weg von dem Gedanken 'Bei uns passiert sowas nicht', weil es leider überall passieren kann", sagte Vize-Präsident Christian Zainhofer. "Zu einem Erzieher in einem Kindergarten besteht natürlich ein besonders Vertrauensverhältnis", sagte Zainhofer. Der Kindergarten sei ein Ort, an dem sich Kinder sicher fühlen sollten. "Wenn es stimmt, dass es 15 Monate dauerte, bis der Arbeitgeber des Mannes informiert wurde, ist das natürlich eine Katastrophe."

Quelle: sgu/dpa

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