Panorama

Hotlines in Corona-Krise Hilfs-Telefone stehen nicht mehr still

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Frauen, die von Männern geschlagen werden; Menschen, die unter Depressionen leiden; Kinder, die direkte Hilfe brauchen: In der Corona-Krise verschärfen sich bestimmte Lebenslagen. Viele Menschen sind verzweifelt und suchen ein offenes Ohr. Hilfstelefone sind in dieser Zeit der Isolation besonders wichtig.

Bei der Nothilfe-Hotline "Gewalt gegen Frauen" arbeiten 80 Beraterinnen, um Frauen in schwierigen Situationen beizustehen. In der Corona-Krise, in der viele Menschen eng zusammen leben und Konflikte eskalieren, rufen nun immer mehr Frauen die Notrufnummer an.

  • Bei akuter Bedrohung: Notruf 110
  • Beratung in Krisensituationen: Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" (08000 116 016, Anruf kostenfrei)
  • Kinder- und Jugendtelefon (Tel.: 0800/111-0-333 oder 116-111; Mo-Sa von 14 bis 20 Uhr)
  • Das Hilfetelefon bietet auch eine Online-Beratung per E-Mail oder Chat an.
  • Frauenhäuser bieten Schutz vor Bedrohung und die Mitarbeiterinnen können bei weiteren Schritten beraten.

Nach Angaben von "Gewalt gegen Frauen" ist im April eine steigende Tendenz der Anrufe erkennbar gewesen. Demnach haben die Beratungen - telefonisch und online - um etwa 20 Prozent zugenommen. "Wir beobachten die Situation weiter, können diese aber nicht voraussehen. Die Beratungskontakte im Bereich Häuslicher Gewalt und Gewalt in (Ex-)Paarbeziehungen sind im April um rund 17,5 Prozent angestiegen", erklärt eine Sprecherin auf Anfrage von ntv.de. "In der anonymisierten Statistik des Hilfetelefons 'Gewalt gegen Frauen' wird jedoch nicht erfasst, ob die Gewaltform im Zusammenhang mit dem Coronavirus steht. Unsere Beraterinnen berichten jedoch, dass es Beratungskontakte im Zusammenhang mit Corona gibt", erklären die Verantwortlichen.

Neben der telefonischen Beratung können sich Ratsuchende zudem auch über den gesicherten Zugang auf der Webseite www.hilfetelefon.de per Chat oder per E-Mail an die Beraterinnen wenden. In Zeiten häuslicher Isolation und Enge könne das eine wichtige Alternative zu einem Telefonat darstellen. Die Helfer am Telefon leisten psychosoziale Erstberatung und Krisenintervention und vermitteln auf Wunsch an Unterstützungseinrichtungen vor Ort weiter, beispielsweise an eine Frauenberatungsstelle oder ein Frauenhaus. Allerdings zeichnet sich nach Angaben der Organisation schon ab, dass die wichtige Lotsenfunktion zu den Hilfseinrichtungen nur eingeschränkt wahrgenommen werden kann. Immer mehr Einrichtungen mussten aufgrund der Pandemie schließen und sind dann nur telefonisch erreichbar.

Mehr Jugendliche suchen in der Krise Hilfe

Eine steigende Nachfrage gibt es derzeit auch bei der "Nummer gegen Kummer": "Wir stellen fest, dass es bei dem Hilfetelefon 'Nummer gegen Kummer' einen Anstieg der Anrufe um mehr als 20 Prozent gibt", sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey "Zeit Online". "Es rufen sowohl mehr Kinder als auch mehr Eltern an", erklärte sie.

"Wir haben nach wie vor viele junge Ratsuchende, die uns über unsere telefonischen Angebote und auch über die Online-Beratung erreichen. Einen deutlichen Anstieg verzeichnen wir in der Chat-Beratung für Kinder und Jugendliche mit einem Plus von rund 26 Prozent im Vergleich zum Vormonat“, sagte Anna Zacharias von der "Nummer gegen Kummer" ntv.de.

Rat und Nothilfe bei Suizid-Gefahr und Depressionen
  • Bei Suizidgefahr: Notruf 112
  • Deutschlandweites Info-Telefon Depression, kostenfrei: 0800 33 44 5 33

  • Beratung in Krisensituationen: Telefonseelsorge (0800/111-0-111 oder 0800/111-0-222, Anruf kostenfrei) oder Kinder- und Jugendtelefon (Tel.: 0800/111-0-333 oder 116-111)
  • Bei der Deutschen Depressionshilfe sind regionale Krisendienste und Kliniken zu finden, zudem Tipps für Betroffene und Angehörige.
  • In der Deutschen Depressionsliga engagieren sich Betroffene und Angehörige. Dort gibt es auch eine E-Mail-Beratung für Depressive.
  • Eine Übersicht über Selbsthilfegruppen zur Depression bieten die örtlichen Kontaktstellen (KISS).

Doch die Themen, die die Jugendlichen beschäftigen, haben sich offenbar während der Corona-Krise geändert: Junge Menschen, die sie erreichen, suchen normalerweise häufig Rat und Unterstützung zu den Themenbereichen 'psychosoziale Probleme und Gesundheit' sowie 'Partnerschaft, Liebe und Sexualität'. "Seit der Corona-Pandemie gab es hier deutliche Verschiebungen. Normale Probleme und Sorgen treten in den Hintergrund. Die Corona-Krise beschäftigt die jungen Menschen zunehmend. So gibt es vermehrt Gespräche zu Zukunftsängsten, Einsamkeit und Konflikten in der Familie", berichtet Zacharias weiter.

Hotlines bei Depressionen besonders wichtig

Auch im Bereich der Depressionshilfe ist die Erreichbarkeit für Hilfesuchende enorm wichtig und in der aktuellen Phase wohl relevanter denn je. Weil Menschen mit Depressionen oft für sich alleine leiden, ist die Isolation in der Pandemie für sie besonders gravierend - und kann unter Umständen schlimmer Folgen haben, wie die Experten der Stiftung Deutschen Depressionshilfe erklären.

Für Menschen mit Depressionen und anderen schwereren psychischen Erkrankungen sind die psychiatrischen Kliniken weiterhin geöffnet. Doch wegen der Pandemie entstehen auch Schwierigkeiten: "Betroffene berichten uns zunehmend, dass Behandlungsangebote in psychiatrischen Kliniken wegen Covid-19 reduziert werden oder dass sie aus Angst vor einer Ansteckung zögern, ambulante Versorgungsangebote wahrzunehmen"; erklärt Ulrich Hegerl von der Stiftung. Das kann allerdings fatale Folgen nach sich ziehen: "Werden Menschen mit Depressionen und anderen psychischen Erkrankungen nicht konsequent und leitlinienkonform behandelt, entsteht unnötiges Leid, und die Suizid-Zahlen werden steigen", befürchtet er. Umso wichtiger ist die Versorgung und Beratung in der Hotline, damit die Betroffenen nicht alleine sind und sich Hilfe holen können.

Besonders weil viele Hilfseinrichtungen aufgrund des Infektionsschutzes geschlossen haben, kommt diesen Beratungs-Hotlines in der aktuellen Lage eine wichtige Rolle zu. Betroffene können sich fast rund um die Uhr melden. Die Hotline "Gewalt gegen Frauen" ist beispielsweise jederzeit erreichbar.

Quelle: ntv.de

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