"Kirk"-Reste treffen Europa "Hurrikan 'Milton' ist ein meteorologisches Monster"
08.10.2024, 14:50 Uhr Artikel anhören
"Milton" trifft in der Nacht zu Donnerstag auf Land.
(Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com)
In den USA steuert "Milton" auf die Küste Floridas zu. Der Hurrikan ist ein Sturm der Superlative und schiebt zerstörerische Wassermassen vor sich her, wie ntv-Meteorologe Björn Alexander erklärt. Das bringt meterhohe Wellen und massive Niederschläge. Europa bekommt derweil die Reste von "Kirk" zu spüren. Hierzulande deutet sich ein versöhnliches Wochenende an.
ntv.de: Der nächste Hurrikan in den USA, ein ehemaliger Hurrikan trifft Europa und bringt zum Teil enorme Wassermassen - die Wetterextreme häufen sich in diesen Tagen. Welche Wetterkapriolen stehen besonders im Fokus?
Björn Alexander: Die größte Zerstörungskraft hat sicherlich Hurrikan "Milton" in den USA. Aktuell liegt der Tropensturm nördlich der mexikanischen Halbinsel Yucatan und hat eine extreme Intensivierung erfahren. Der Kerndruck sank zwischenzeitlich auf 897 Hektopascal - Platz 5 in der Liste des tiefsten gemessenen Luftdrucks auf dem Atlantik.
Was bedeutet das in Windgeschwindigkeiten?
Zu diesem Zeitpunkt wehten um das Auge der Hurrikans, an der sogenannte Eyewall, mittlere Windböen von 285 Kilometer pro Stunde. Damit hat sich "Milton" binnen eines Tages auf die höchste Hurrikan-Stufe 5 von 5 verstärkt. Ein meteorologisches Monster, der jetzt seinen Weg gen Florida weiter fortsetzen wird.
Wann wird er auf Land treffen?
Landfall in Florida wird im Laufe des Mittwochabends und in der Nacht auf Donnerstag sein. Eine Abschwächung ist dabei wahrscheinlich - dennoch liegen die Windgeschwindigkeiten sicherlich noch bei über Tempo 200. Gleichzeitig schiebt "Milton" zerstörerische Wassermassen vor sich her. Einerseits mit einer massiven Sturmflut und meterhohen Wellen. Andererseits kann auch der Regen verheerende Folgen haben. Die Größenordnung liegt bei 150 bis 300 Liter pro Quadratmeter.
Welche Bereiche sind im Fokus?
Im Zentrum der momentanen Prognosen liegt Tampa in Zentralflorida - mit einem Warnbereich in etwa 200 Kilometern nach Norden und 200 Kilometern nach Süden. Dort also etwa bis nach Cape Coral und knapp bis nach Naples. Vor allem in den südlicheren Bereichen droht den Menschen die volle Wucht des Sturms.
Gleichzeitig wird der ehemalige Hurrikan "Kirk" auf Europa treffen. Wie ist die Zugbahn?
Die aktuellen Berechnungen sehen "Ex-Kirk" tendenziell auf einer etwas südlicheren Route als in den vergangenen Tagen prognostiziert. Sprich: Portugal und Nordspanien liegen in der Einflugschneise. Hier drohen am Mittwoch mitunter Böen über 150 km/h. Außerdem sind in Galizien und Nord-Portugal je nach Wettermodell 100 bis gut 200 Liter Regen binnen weniger Stunden zu erwarten.
Ist auch Deutschland anschließend vom Sturm betroffen?
Das ist derzeit schwer zu sagen, da ein Teil der Wettercomputer die südlichere Zugbahn gen Italien bevorzugt. Insofern wäre Deutschland noch nicht ganz aus der Geschichte raus. Aber wenn, dann wären eher der Südwesten und der Süden betroffen. So oder so wird sich "Ex-Kirk" auf seinem weiteren Weg durch Europa abschwächen, sodass wir im Flachland von Sturm- bis schweren Sturmböen und nur auf den Bergen von Orkanböen ausgehen. Das alles aber im Zeichen der Unsicherheiten in den Vorhersagemodellen.
Welche Regenmengen sind zu erwarten?
Bei den Regenprognosen müssen wir mit unserer Wettergeschichte sogar noch vor dem Eintreffen von "Ex-Kirk" beginnen. Denn außer dem Gast aus tropischen Gefilden gibt es ja auch noch die klassischen Tiefs, was uns jetzt zu "Gerda" führt. Das liegt über den Britischen Inseln und schickt Ausläufer über Frankreich und bis runter nach Italien und ans Mittelmeer - eine brisante bis gefährliche Lage, wie der Blick auf die bisherigen Regenmengen zeigt.
Um wie viel Regen geht es?
Zwischen Montpellier und Lyon sind binnen 24 Stunden zuletzt häufig um die 100, in Spitzen bis zu 160 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen. Zur Einordnung: Das entspricht gut einem Drittel des gesamten Jahresniederschlags von Magdeburg. Abgeschwächt hat uns der Regen im Südwesten auch schon erreicht. In Bruchsal sind in 24 Stunden 61 Liter je Quadratmeter niedergegangen. Damit ist aber bei Weitem noch nicht Schluss.
Wo ist es jetzt am nassesten?
Im Südstau der Alpen lassen es die Ableger von "Gerda" heftig regnen. Betroffen ist insbesondere der Bereich von den Französischen Alpen über Norditalien und die Schweiz sowie von Südösterreich bis herüber nach Slowenien und Kroatien. Wobei sich räumliche Schwerpunkte der Prognosen auf die Regionen rund um Genua, Mailand sowie Venetien und Slowenien konzentrieren. Hier können binnen zwei Tagen teilweise um die 150 bis 250 Liter je Quadratmeter zusammenkommen. Selbst Regensummen von um die 400 Liter sind nicht ganz auszuschließen.
Und bei uns in Deutschland?
Sind die Trends etwas gemächlicher - Hochwassergefahr besteht aber dennoch. In den westlichen Mittelgebirgen regnet es nämlich bereits länger, womit die Böden durchnässt sind. Am Mittwoch regnet es dann sehr intensiv. Auf die nassen Böden treffen vom Saarland bis zur Eifel und eventuell bis zum Bergischen Land 30 bis 60 Liter, in Spitzen bis 100 Liter in 24 Stunden. Am Donnerstag könnten auch nochmal bis zu 40 Liter draufkommen. Wo genau wie viel runterkommt, ist noch etwas unsicher, das dürfte aber an kleinen Flüssen und Bächen zu Hochwasser und Überflutungen führen. Mosel oder Rhein haben hingegen genug Luft, um diese Mengen aufzufangen.
Bei so vielen Extremen: Gibt es auch gute Nachrichten für unser Wetter hierzulande?
Zum Wochenende wird es zwar kühler und nachts kann es temperaturtechnisch mal gen Frost gehen. Dafür wird es ruhiger und abseits beziehungsweise nach Nebel freundlich, teils sonnig. Höchstens im Nordosten ziehen am Sonntag mal Schauer durch. Tagsüber erreichen die Temperaturen am Samstag zwischen 10 und 16 und am Sonntag zwischen 12 und 18 Grad. Ein durchaus versöhnliches Wochenende nach einer bis dahin sehr turbulenten Wetterwoche.
Quelle: ntv.de