Panorama

Eine für alle Immer locker durch die Hose atmen

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Tief durchatmen, volle Konzentration auf's Ich (oder so) - das ist der Plan der Kolumnistin.

Tief durchatmen, volle Konzentration auf's Ich (oder so) - das ist der Plan der Kolumnistin.

(Foto: imago images/Mary Evans)

Das alte Jahr neigt sich dem Ende entgegen, das neue scharrt bereits mit den Hufen. Noch nie habe ich bereits am 26., 27. oder 29. Dezember so viele "Goodbye 2023"-Texte wahrgenommen wie 2023. Dieses Jahr wollen wohl alle schnell loswerden. Aber bitte überfrachten Sie das zarte Pflänzlein 2024 nicht! Die Kolumnistin hält eh nix von guten Vorsätzen.

Heute mit meiner Freundin B. telefoniert, wir sind die Königinnen des Deep Talks. Also für uns beide. Andere halten uns vielleicht für oberflächliche, verwöhnte Schnuspeln - wir wissen, dass das nicht so ist. Hatten nicht viel Zeit, haben das Jahr also nur schnell durchgehechelt, was ist das Fazit? Anstrengend, aber schön. Auf persönlicher Ebene. Was in der Welt los ist, wissen Sie ja selbst, da kann es einem nicht 24/7 supi gehen. Aber wenn man nur sich selbst betrachtet, dann darf man, wenn es denn so ist, durchaus ein positives Fazit ziehen.

Schon lange nicht mehr war ich so viel verreist - easy nach Corona. Leider wieder nicht dienstlich, das ist nicht gewünscht gewesen, aber privat. Dafür hab' ich an anderen Stellen dann echt geackert, muss man sich ja auch leisten können, zeitlich und finanziell. Das Leben hält sich also die Waage, und das ist gut so, dieses Gleichgewicht. Für meinen Geschmack hab' ich auf der einen Seite aber doch ein bisschen zu viel hampeln müssen, um dieses Gleichgewicht hinzukriegen, aber daran kann man arbeiten. Und die Ausschläge sowohl in die eine als auch in die andere Richtung sind wohl das, was man wahres Leben nennt.

Ich will Sie nun nicht langweilen mit meinem Urlaubs-Diavortrag von Ostsee über London, Nizza und Ibiza bis nach Südafrika, ich will nur den Tipp geben: Je weiter weg, desto besser die Erholung. Also in meinem Fall. Das sehen andere anders, nehme ich an, aber das muss jeder für sich ausprobieren. Und lange muss es sein, lange weg. Weg vom Üblichen, das macht die Birne frei. Das alte Lied "Everywhere you go always take the weather with you" (Crowded House, 1991) klingt durch mein Leben seit X.s Hochzeit. Es ist viel Wahres dran, aber es nervt zutiefst, dieses Lied. Danke also an mich für den ätzenden Ohrwurm.

Was ich sagen will, ist ja nur: Bloß weil Sonntag Silvester und Montag Neujahr ist, bloß weil ich heute in Berlin und morgen in der Antarktis sein werde, sind meine Probleme, meine Sorgen, meine Nöte objektiv nicht weniger. Meine Freuden, das, was ich kann, meine Liebe(n) aber auch nicht. Wenn ich so tue, als würde sich am 1.1. die Welt ändern, bloß weil wir ein neues Jahr begrüßen, dann werde ich unweigerlich enttäuscht sein. Wenn ich aber, und das deutete ich in der Überschrift ja bereits an, locker durch die Hose atme, dann kann ich mich und meine Emotionen, meine Erwartungen, besser im Griff haben.

Das ist sehr privat

Außerdem werde ich diese sieben Fragen, die nun im Text folgen, die C. ihrer Mutter und ihrer Großmutter dieses Jahr zu Weihnachten stellte, wie einen Leuchtturm vor mir flackern lassen. Wenn die Irrlichter zu hell werden, dann will ich mich also fragen: "Für welchen Moment bist du besonders dankbar?" Da ich hier nur für eine Kolumne und nicht einen ganzen Roman bezahlt werde, fasse ich mich kurz: Ich bin dankbar für meine Gesundheit. Für diese Momente, in denen ich festgestellt habe, ja, ich bin dann wohl gesund. Und meine Leute. Das ist nicht selbstverständlich, denn diese Gesundheit kann einem schnell genommen werden. In meinem Umfeld ist das einige Male geschehen dieses Jahr, und ich bin die glücklichste Person, wenn ich höre, dass die meisten Bedenken der Vergangenheit angehören.

"Welche drei Menschen haben dein Jahr positiv beeinflusst?" Das ist sehr privat. Und da muss ich auch nachdenken, weil ich sagen würde, dass es mehr als drei waren. Und wenn ich mich dann auf drei reduzieren müsste, dann wären 4 und 5 vielleicht sauer. Zu meinem Geburtstag hatte ich immerhin meine 70 besten Freunde eingeladen. Es war ein wunderschöner Tag. Aber ich kann mich natürlich auf drei reduzieren. Ich bin gespannt, wer die drei nächstes Jahr sein werden. Vielleicht ja dieselben?

Nächste Frage: "In welcher Situation bist du über dich hinausgewachsen?" Das kann ich aber sofort beantworten: Ich habe ein Buch geschrieben. Ich verdiene daran keinen Cent, weil jeder Cent, den dieses Buch einbringt, dafür benutzt wird, ukrainische Kinder, die von Russen verschleppt wurden, zu retten. Ich habe Interviews mit diesen Kindern geführt, mit ihren Eltern, Omas, Patentanten, Anwältinnen und Psychologinnen, ich habe meinen Co-Autor Wladimir Klitschko getroffen und so weit es geht versucht, mich nicht in ihn zu verlieben. Ich habe nachts geschrieben, in den Ferien, am Wochenende, auf Geburtstagen und während Partys mit Betroffenen telefoniert, ich habe Angst gehabt um meine Helfer in der Ukraine und ich bin froh, dass ich das durchgehalten habe. Ich habe wenig geschlafen und ich sah aus wie ein Geist, aber das war es wert. Hundertprozentig.

Über wie viele Brücken muss ich nochmal gehen, sieben?

"Welche Tätigkeiten haben dir besonders gutgetan?" Schreiben. Schlafen. Tanzen. Tennis. Repeat.

"Was hast du Neues gelernt?" Dass ich mehr kann, als ich dachte. Und gleichzeitig habe ich gelernt, nein zu sagen. Noch nicht genug, ich weiß (ich weiß auch, wer jetzt mit den Augen rollt, jahaa).

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"Was hättest du gerne anders gemacht?" Easy: Ich wär' gern netter. Ehrlich. Ich bin morgens nicht nett. Ich hätte mein Gesicht gerne im Griff, wenn mir was nicht passt. Ich würde meinen Mann und meine Kinder immer wissen lassen wollen, dass ich sie über alle Maßen liebe und schätze. Aber es gelingt mir eben nicht immer. Manchmal liegt es selbstverständlich auch an ihnen. Glaub' ich. Da komme ich wieder zum Punkt: Ich wäre immer gerne netter und ich hätte mein Gesicht gern besser im Griff.

Letzte Frage: "Wofür nimmst du dir mehr Zeit 2024?" Also, das wird jetzt aber wirklich zu privat, aber ein gewisser J. darf sich angesprochen fühlen.

Ich wünsche Ihnen einen fantastischen Jahreswechsel, nicht mehr, nicht weniger. Doch: Bleiben Sie gesund, mir gewogen, und nehmen Sie sich nicht zu viel vor: Wer heute noch raucht, wird es übermorgen höchstwahrscheinlich immer noch tun.

Quelle: ntv.de

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