Tonnenschwere Bombe im Rhein Koblenz erwartet die Räumung
30.11.2011, 11:20 Uhr
Der Rhein bei Koblenz: Die Fundstelle liegt ungefähr in der Bildmitte.
(Foto: dpa)
Der außergewöhnlich trockene November enthüllt bei Koblenz eine brisante Gefahr: Im Uferschlamm steckt eine tonnenschwere Luftmine aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Stadt muss sich auf die umfangreichste Evakuierungsaktion der Nachkriegsgeschichte einstellen.
Koblenz rüstet sich für die Entschärfung von gleich drei Bomben: Am kommenden Sonntag sollen neben einer 1,8-Tonnen-Bombe britischer Herkunft auch eine 125 Kilogramm schwere US-Fliegerbombe sowie ein Nebelfass in der Nähe unschädlich gemacht werden.

4000 britische Pfund: Munitionsexperte Jost Anderhub (l.) und Rolf Wirtgen, Leiter der Wehrtechnischen Studiensammlung in Koblenz, vor einem Exponat, das der im Rhein bei Koblenz gefundenen Luftmine entspricht.
(Foto: dpa)
Entdeckt wurden die gefährlichen Altlasten erst durch die im November: Da der Rhein seit Wochen Niedrigwasser führt und die Pegel in den vergangenen Tagen noch einmal deutlich gesunken sind, tauchen überall entlang des Rheins und in der Nähe größerer Städte Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg auf.
Das Besondere in Koblenz: Die Fundstelle der tonnenschweren Luftmine liegt in Ufernähe des Stadtteils Pfaffendorf. Für die geplanten Entschärfungen am Sonntag müssen rund 45.000 Menschen ihre Wohnungen verlassen. Die Stadt ließ bereits 40.000 Handzettel mit Informationen für Bewohner der Sperrzone drucken, die seit Dienstag verteilt werden.
Die betroffenen Anwohner werden aufgefordert, am Sonntag alle Fenster zu verschließen, gegebenenfalls mit Rollladen zu sichern und den Gefahrenbereich ab 9.00 Uhr zu verlassen. "Bitte denken Sie daran, eventuell benötigte Medikamente in ausreichender Menge mitzunehmen", heißt es in der Evakuierungsaufforderung der Behörden. "Falls spezielle Nahrung (z.B. Baby- oder Diabetikernahrung) benötigt wird, bitten wir daran ebenso zu denken wie an Windeln und Ersatzkleidung."
Keine Verpflegung in der Notunterkunft
Da die Polizei die Sperrzone nach Beginn der Evakuierung nach verbleibenden Bewohnern absucht, sollen Mieter und Hausbesitzer unter anderem auch alle Zeitschaltuhren abschalten. So soll verhindert werden, dass automatisch aktivierte Hausfunktionen die Beamten in die Irre führt. "Denken Sie auch an ihre Haustiere, um unnötige Kontrollmaßnahmen einzelner Wohnungen zu verhindern", heißt es in den Anweisungen. Mit der Entschärfung dürfen die Experten vom Kampfmittelräumdienst erst beginnen, wenn die Polizei nach Kontrolle der Evakuierungszone grünes Licht gibt.
Den Anwohnern stehen sieben Notunterkünfte in Schulgebäuden der näheren Umgebung zur Verfügung. Geöffnet haben diese "Aufenthaltsmöglichkeiten" am Sonntag ab 7.00 Uhr. Kostenlose Sonderbusse pendeln zwischen "Evakuierungshaltestellen" und "Betreuungsstellen". Für Essen und Getränke müssen die Evakuierten selbst Vorsorge treffen. "In den Betreuungsstellen wird grundsätzlich keine Verpflegung zur Verfügung gestellt", heißt es.
Zur Dauer der Evakuierungsmaßnahme konnten die Behörden noch keine Angaben machen. Die Arbeitsgemeinschaft Hilfsorganisationen im Katastrophenschutz Rheinland-Pfalz prüft derzeit, wie viele zusätzliche Rettungskräfte aus dem Land nach Koblenz beordert werden. Vorgesehen sind bislang mehr als 350 Fahrzeuge und mehr als 900 ehrenamtliche Helfer.
Helfer errichten Sandsackring
Die Einsatzkräfte haben bereits begonnen, den 1,8 Tonnen schweren Sprengkörper der Luftmine trockenzulegen. "Die ersten Big Bags sind gesetzt", sagte Thomas Weckop vom Wasser- und Schifffahrtsamt Bingen. Mit "Big Bags" sind große Sandsäcke gemeint, die jeweils eine Tonne wiegen. Sie sollen eine Staumauer bilden und die Bombe von ihrer Umgebung abschirmen.
Mit rund 350 Stück dieser Säcke soll ein Kreis um die Bombe gelegt werden, aus dem das Wasser abgepumpt wird. Grund dafür ist, dass das gefährliche Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg etwa 40 Zentimeter unter Wasser liegt, aber nur im Trockenen entschärft werden kann.
Gefährlicher Säurenebel
Die bei Koblenz entdeckte Luftmine stammt möglicherweise aus dem großen Luftangriff auf die Stadt vom 6. November 1944. An diesem Tag legten britische Bomberverbände große Teile der Innenstadt in Schutt und Asche. Das Nebelfass, das nach Angaben lokaler Medien am Peter-Altmeier-Ufer unterhalb der Europabrücke weit abseits der Luftmine aufgefunden wurde, geht aller Wahrscheinlichkeit auf Bemühungen der Wehrmacht aus dem letzten Kriegsjahr zurück.

Ein Kranschiff ankert vor Pfaffendorf: Im Hintergrund ist die Koblenzer Festung Ehrenbreitstein zu sehen.
(Foto: dpa)
Mit künstlichen Nebelbänken versuchten deutsche Truppen, die Rhein- und Moselübergänge der Umgebung vor Tieffliegerangriffen zu schützen. Nach einem Bericht der "Rhein-Zeitung" enthalten solche Fundstücke üblicherweise zwar keinen Sprengstoff, dafür aber giftige Substanzen wie Chlorsulfonsäure und Schwefeltrioxid, die bei Kontakt mit feuchter Luft gefährliche Salz- und Schwefelsäure freisetzen können.
Die Stadtverwaltung Koblenz hat eine Telefon-Hotline eingerichtet: Unter 0261 / 40404-10 und 0261 / 40404-20 können Bürger Fragen zur Bombenentschärfung stellen oder sich melden, wenn sie Hilfe benötigen.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa