Diskussion um Monika Gruber Leute, lasst mal die Kirche im bayerischen Dorf
31.12.2023, 07:02 Uhr Artikel anhören
Der "Spiegel" nannte sie "charmante Hetzerin": Monika Gruber.
(Foto: IMAGO/STL)
Aus den Vorwürfen einer Bloggerin gegen Monika Gruber ist ein kleinkarierter, bösartiger Streit geworden, der für die Spaltung und Enthemmtheit der Gesellschaft steht. Dabei ist es wichtig, dass Bücher wie das der Kabarettistin erscheinen, weil sie Leute abholen, die mit Böhmermann nichts anfangen können.
Im Mai erhielt Monika Gruber eine Anstecknadel mit der offiziellen Bezeichnung: "Medaille für besondere Verdienste um Bayern in Europa und in der Welt". Sie selbst nahm das Ding mit Humor. "Ich bin nicht genau sicher, wofür", erklärte die Kabarettistin - eine Wissenslücke, die sie mit vielen Millionen Bayern und sonstigen Deutschen teilen dürfte. Ihre Vermutung: Wegen ihrer Aufritte in der Schweiz, Südtirol und in Österreich sei sie als "humorige Vertreterin - bisserl wahrscheinlich auch über die Frauenquote - da reingerutscht". So jedenfalls sagte sie es "München.tv".
Der Sender erkundigte sich bei Melanie Huml, damals bayerische Staatsministerin für Europaangelegenheiten, nach dem Motiv für die Ehrung. Die CSU-Politikerin konnte schlecht sagen: "Wer Witze über 'verblendete Woke-Aktivisten' und 'Gender-Wahnsinn' macht, erhöht das Ansehen Bayerns rund um den Globus. Außerdem ist bald Landtagswahl und da legen wir uns besser nicht mit Frau Gruber an." Das hätte einen Shitstorm nach sich gezogen. Also erklärte Huml in allerbestem "Heute-Show"-Politdeutsch: Die Ausgezeichnete sei "eben jemand, die auch sehr engagiert in ihrem Kabarett auch immer wieder auch auf eben die Geschehnisse, die gerade in der Welt sind, auch immer wieder sie mit verarbeitet".
Die Ehrung wie die Statements bewiesen: Politik und Satire lassen sich nicht immer auseinanderhalten. Und deshalb werden ihre Vertreter inzwischen nach denselben Maßstäben bewertet und im Schwarz-Weiß-Verfahren eingeteilt: in Gut und Böse. Gruber kennt das, Kabarettisten leben von Zuspitzungen. Inzwischen aber ist sie Grenzgängerin zwischen Politik und Satire. In Erding organisierte die Bayerin die "allererste Demo in meinem Leben" unter dem Motto "Stoppt die Heizungsideologie" - was plumper AfD-Rhetorik entsprach. Hubert Aiwanger, Chef der Freien Wähler, forderte dabei eine "schweigende Mehrheit" auf, sie solle sich "die Demokratie wieder zurückholen". Aiwanger, wohlgemerkt, nicht Gruber.
Schluss mit lustig
Trotzdem war von da an Schluss mit lustig. Der Kabarettistin wurden - wie man es aus den Debatten über ihre Kollegen Lisa Eckhart und Dieter Nuhr kennt - die Etiketten "umstritten" und "rechtslastig" angeheftet. Keine Rolle spielte, dass sich Gruber von Leugnern der Erderwärmung distanzierte, eine "Klimapolitik mit Vernunft, Besonnenheit und Transparenz" forderte, die AfD auf ihrer Demo für unerwünscht erklärte und dafür warb, Pfiffe gegen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sein zu lassen und ihm zuzuhören: "Bissl mehr Respekt bitte, gell."
Das Urteil ward sogleich gefällt. Der "Spiegel" nannte die Frau eine "charmante Hetzerin" und unterstellte ihr "Hass" gegen die Grünen, was ein krasser Vorwurf ist, wenn man sich vor Augen führt, was tief in der Seele sitzende Verachtung für wen oder was auch immer anrichten kann. Grubers Witze sind bisweilen platt, ordinär, mal dumm, auch dümmlich, dann wieder komisch und unterhaltsam. Die feine Klinge, wie Lisa Eckhart sie führt, ist nicht ihr Ding. Gruber fühlt sich mit dem Holzhammer wohl. Und sie hat die Gabe, was weiten Teilen der Bevölkerung - links wie rechts - zunehmend abgeht: Sie kann über sich selbst lachen.
Während sich Eckhart auf der Bühne als Kunstfigur präsentiert und die Öffentlichkeit rätseln lässt, wie ernst sie all das Fiese meint, das sie über Frauen, Österreicher und Migranten sagt, gibt Gruber in breitestem Bayerisch unverstellt und mit Freuden die Ulknudel vom Lande. Sie ist das weibliche Pendant zu Dieter Nuhr, eine weiße, ältere Frau, die mit dem, was junge Leute als "progressiv" empfinden, nicht oder schwer zurechtkommt. Ihr gutes Recht ist es, sich darüber lustig zu machen. Kritik an Politikern, einem handwerklich miserabel gemachten und schlecht kommunizierten Gesetz eines Bundesministers muss Kabarettisten erlaubt sein - auch mit der Wortwahl wie "Wärmepumpenfetischisten".
Kann man lesen - muss man aber nicht
Jedenfalls ist Gruber keine gefährliche Rechtsradikale, die den Umsturz plant, die Demokratie abschaffen, alle Einwanderer des Landes verweisen und durchgeknallte Reichsbürger zu Regierenden machen will. Es deutet noch nicht einmal etwas darauf hin, dass die Bayerin die Grenzen des Sagbaren überschreitet oder einreißt. Das gilt auch für ihr neues Buch, das dem Niveau der Witze und Witzchen ihrer Bühnenshow entspricht. Darin steht nichts, was nicht schon tausendfach in den sozialen Medien, längst erschienenen Büchern oder Kolumnen durch den Kakao gezogen worden ist. Der "Stern" brachte es charmant auf den Punkt: "Ein kleines böses Buch zur Lage der Nation. Und zugleich eine Impfung gegen Hysterie und Panikmache."
Übersetzt heißt das: Kann man lesen - muss man aber nicht. Vermutlich wäre das Buch einer breiteren Öffentlichkeit, obwohl weit oben auf der "Spiegel"-Liste, verborgen geblieben, hätte nicht eine unbekannte Bloggerin moniert, von Gruber durch ehrverletzende und falsche Behauptungen "rassistisch beleidigt und lächerlich gemacht" worden zu sein - und das als "Privatperson mit vollem Namen". Die Hamburgerin hatte auf X geschrieben: "Rechtsextreme Frauen unterwandern aktuell aktiv auch die textile Hobbyszene (z. B. zum Thema Stricken). Bitte setzt euch aktiv damit auseinander, wer was anbietet und wer Angebote bietet."
Gruber orakelt in ihrem Buch, wie man derlei Weibsbilder erkenne. "Haben diese Frauen womöglich acht oder gar 33(!) Kinder, für die sie nur braune Pullover, Schals in AfD-Blau oder gar schafswollene SS-Uniformen stricken?" Und sie fragt, ob die Bloggerin, deren Name auf einen Migrationshintergrund deutet, vielleicht "Maria Müller" heiße, sich umbenannt habe, um eine biedere deutsche Herkunft zu leugnen und nicht nach "Bund deutscher Mädel" zu klingen, der zur Hitler-Jugend gehörte.
Groteske Boykottaufrufe
Natürlich darf man linken Hyper-Aktivismus aufs Korn nehmen. Aber dann vielleicht nicht so maßlos und gehässig, wie es Gruber hier getan hat. Und in der Tat muss man sich - jenseits der juristischen Bewertung - fragen, ob es notwendig war, die junge Frau beim Namen zu nennen. Die Bloggerin hat nicht mal 4000 Follower bei X und ist eine von Millionen Stimmen im Internet. In jedem Fall ist die nun entstandene Diskussion schnell zu einem kleinkarierten, aber auch bösartigen Streit geworden, der für die Spaltung und Enthemmtheit der Gesellschaft steht. Gipfel des Unsäglichen sind Vergewaltigungs-, Gewalt- und selbst Morddrohungen gegen die junge Frau.
Grotesk sind aber auch Boykottaufrufe gegen Grubers Buch und den Piper-Verlag, in dem es erschienen ist. Es ist gut und richtig, dass gerade die großen Verlage Stimmen zu Wort kommen lassen, die all jene Leute abholen, die mit Böhmermann und Kebekus nichts anfangen können. Es mutet verrückt an, dass ein Haus wie Piper, verlegerische Heimat von Hannah Arendt und Ingeborg Bachmann, beteuern muss, für "Meinungsvielfalt und Toleranz" zu stehen, dass ihm vorgeworfen wird, "schmallippig" zu reagieren.
Was sollte Piper denn tun? Sich von Gruber trennen? Auf keinen Fall, selbst wenn es vertraglich möglich wäre. Der Aufschrei wäre groß. Zu Recht. Er wäre Beleg dafür, was ohnehin eine wachsende Mehrheit denkt: dass Meinungsvielfalt und Toleranz in Deutschland zu Grunde gehen. Dass sich ein großer Teil der Bevölkerung vom Diskurs ausgeschlossen fühlt, ist x-fach gefährlicher als ein paar Albernheiten über Woke-Aktivisten und politisch Korrekte in einem Buch. Also, Leute, lasst mal alle die Kirche im bayerischen Dorf. Dort gehört sie nämlich hin.
Quelle: ntv.de