Unglück auf der "Norman Atlantic"Retter vermuten weitere Tote in Fähre

Elf Menschen kommen nach offiziellen Angaben beim Feuer auf der Adria-Fähre "Norman Atlantic" um, außerdem zwei Helfer. Doch die Rettungskräfte suchen weiter nach Dutzenden Vermissten. Passagiere üben derweil erneut Kritik an den Zuständen an Bord.
Nach dem Brand der Fähre "Norman Atlantic" in der Adria geht die Suche nach möglichen Opfern weiter. Der italienische Ermittlungschef Giuseppe Volpe erklärte, es sei "wahrscheinlich", dass in dem Schiff weitere Leichen gefunden werden. Bisher wurden elf Todesopfer geborgen, zudem starben zwei albanische Seeleute bei der Bergungsaktion für das Schiff. Angesichts offensichtlich fehlerhafter Passagierlisten war weiterhin völlig unklar, wie viele Menschen tatsächlich an Bord waren.
Schiffe und Hubschrauber suchten in rauer See rund um das ausgebrannte Wrack weiter nach Leichen. Die Fähre war am Montag komplett evakuiert worden. 427 Menschen wurden gerettet, darunter 56 Besatzungsmitglieder. Laut Passagierliste waren jedoch insgesamt 475 Menschen an Bord - damit wäre das Schicksal von fast 40 Passagieren ungewiss.
Vermutlich auch Flüchtlinge an Bord
Nach Angaben der italienischen Behörden sind unter den von der Fähre geretteten Menschen auch mehrere Flüchtlinge, die als blinde Passagiere an Bord gelangt waren. Dies mache es "wahrscheinlich", dass in dem Wrack weitere Leichen gefunden würden, sagte Staatsanwalt Volpe. Es wird befürchtet, dass sich in parkenden Lastwagen Migranten versteckten, und dass weitere Passagiere in ihren Kabinen verbrannten oder erstickten.
Die fortgesetzte Suche zwang einen Großteil der geretteten Passagiere dazu, noch weitere lange Stunden auf dem stürmischen Meer zu verbringen. Die "San Giorgio" mit mehr als 180 Geretteten an Bord erreichte erst zwei Tage nach dem Unglück den Hafen von Brindisi. An Bord waren auch die Leichen von fünf Menschen, wie die Nachrichtenagentur Ansa meldete. Im Hafen der süditalienischen Stadt war eine Krankenstation aufgebaut.
Das Drama hatte am frühen Sonntagmorgen begonnen, als auf einem Autodeck der "Norman Atlantic" ein Feuer ausbrach und sich rasend schnell ausbreitete. Manövrierunfähig trieb das brennende Schiff danach in Richtung albanischer Küste. Erst nach einer anderthalbtägigen Rettungsaktion konnten die letzten Menschen von der Fähre geborgen werden.
Kritik an der Crew
Gerettete Passagiere beschrieben die Besatzung der Fähre als komplett unvorbereitet für den Notfall. Die Crew habe keinerlei Anweisungen erteilt. Die Griechin Theodora Doulis, deren Mann Giorgos bei dem Unglück ertrank, berichtete zudem, das Autodeck der Fähre habe nach Benzin gestunken.
Andere Überlebende berichteten von der Panik an Bord. Ute Kilger aus Deutschland schilderte italienischen Medien, wie sich ein beleibter Mann an Frauen, Kindern und alten Menschen vorbeidrängelte, um vor ihnen in einen Hubschrauber gezogen zu werden: "Er ist einfach hingegangen und hat sich in den Rettungskorb gesetzt, der ganz klar für die Kinder bestimmt war", sagte die 45-jährige Anwältin.
Die italienischen Behörden ermitteln inzwischen wegen fahrlässigen Totschlags gegen die italienische Reederei des Schiffes, das griechische Fährunternehmen Anek und den italienischen Kapitän. Auch die griechische Justiz leitete inzwischen Ermittlungen ein.