Richter stellt Verfahren gegen DSK ein Strauss-Kahn ist ein freier Mann
23.08.2011, 18:43 Uhr
Strauss-Kahn verlässt mit seiner Frau Anne Sinclair und Anwalt Benjamin Brafman das New Yorker Gericht.
(Foto: AP)
Nun ist es offiziell: Dominique Strauss-Kahn ist ein freier Mann. Ein New Yorker Richter stellt auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen den ehemaligen IWF-Chef wegen versuchter Vergewaltigung ein. Die Staatsanwaltschaft hatte die Klägerin zuvor eine "notorische Lügnerin" genannt. In Frankreich wartet allerdings eine weitere Klage auf DSK.
Das Strafverfahren gegen Dominique Strauss-Kahn wegen versuchter Vergewaltigung in New York ist eingestellt. Richter Michael Obus folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft und beendete den Prozess gegen den 62-Jährigen: "Das Verfahren ist geschlossen." Es gebe "keinen Grund", dem Antrag der Staatsanwaltschaft nicht zu folgen, sagte der Richter. Der Franzose sollte auch seine eingezogenen Pässe schnell zurückbekommen. Mehr als drei Monate nach der Festnahme darf er dann ausreisen.
Die Behörde von Oberstaatsanwalt Cyrus Vance hatte bereits am Montag ihre Vorwürfe gegen den früheren Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückgezogen. In der Begründung erklärten sie, das Zimmermädchen Nafissatou Diallo habe durch zahlreiche Lügen ihre Glaubwürdigkeit verloren. Diallo hatte behauptet, der Franzose Strauss-Kahn habe in einem New Yorker Hotelzimmer versucht, sie zum Sex zu zwingen.
Berufungsgericht lehnt Antrag ab
Richter Obus hatte Diallo zunächst die Möglichkeit eingeräumt, in Berufung zu gehen. Ein Berufungsgericht wies den Antrag jedoch zurück, die Klage unter einem anderen Staatsanwalt noch einmal aufzurollen. Damit erhalte Strauss-Kahn auch seine Reisepässe umgehend zurück, sagte die Sprecherin der New Yorker Justiz, Arlene Hackel. Sie erklärte, die nächste Instanz habe das Gesuch umgehend aufgegriffen, um den Fall Strauss-Kahn endgültig zu den Akten legen zu können.
Einer der Anwälte des mutmaßlichen Opfers, Kenneth Thompson, sagte nach dem Termin, Staatsanwalt Cyrus Vance habe "eine unschuldige Frau fallengelassen" und ihr "das Recht auf Gerechtigkeit verweigert". Er beklagte, dass nicht alle, die vor Gericht stünden, gleich behandelt würden. Zugleich kündigte Thompson an, die Zivilklage gegen Strauss-Kahn aufrecht zu erhalten. Diallo verlangt Schadenersatz. Dabei könnte DSK - wie der Franzose kurz genannt wird - auch in Abwesenheit zu einer Geldstrafe verurteilt werden. Im Unterschied zum Strafprozess muss der Zweifel an der Schuld des Angeklagten für eine Verurteilung nicht vollständig ausgeräumt sein.
Unklar ist, ob der 62-jährige Strauss-Kahn trotz der neusten Entwicklungen in seiner Heimat Frankreich noch eine politische Zukunft hat. DSK hatte die Vorwürfe stets bestritten, in deren Folge aber seinen IWF-Posten verloren.
"DSK, du musst zahlen"
Lächelnd verließen Strauss-Kahn und seine Frau Anne Sinclair das Gericht. "Die letzten zweieinhalb Monate waren für mich und meine Familie ein Albtraum", ließ der 62-jährige mitteilten. Er dankte allen Freunden, die an seine Unschuld geglaubt hatten. "Ganz besonders dankbar bin ich meiner Frau und meiner Familie, die diese Tortur mit mir durchgestanden haben." Darüber hinaus wolle er sich nicht mehr dazu äußern und hoffe auf eine Rückkehr zu einem normalen Leben. Strauss-Kahns Anwalt Benjamin Brafman sagte: "Es war ein schrecklicher Alptraum, durch den er und seine Familie bis zu dem jetzigen Ende gelebt haben."
Vor dem Gericht waren an die hundert Kamerateams versammelt. Etwa zwei Dutzend Demonstranten protestierten mit Spruchbändern wie "DSK you must pay" ("DSK, du musst zahlen") und "Diallo we support you" ("Diallo, wir unterstützen dich").
"Notorische Lügnerin"
Oberstaatsanwalt Cyrus Vance beschrieb in der Begründung der Staatsanwalt, das angebliche Opfer, das Zimmermädchen Nafissatou Diallo aus Guinea, als "notorische Lügnerin". Das Zimmermädchen habe bei wiederholten Vernehmungen zu großen und zu kleinen Fragen "durchgehend und manchmal unverständlich" die Unwahrheit gesagt. Sie habe bis zu drei verschiedene Versionen von wichtigen Details geliefert. Die Zeugin sei sogar unter Eid von der Wahrheit abgewichen, schreibt die Behörde.
In dem Schreiben der Staatsanwaltschaft steht: "Wir geben diese Empfehlung nicht leichtfertig ab." Es gebe aber keine andere Wahl. Fest stehe lediglich, dass es zu einer kurzen sexuellen Begegnung gekommen sei. "Wenn wir ihr nicht zweifelsfrei glauben, dann können wir das nicht von einer Jury erwarten", schrieb die Staatsanwaltschaft. Der Fall gegen den einst mächtigsten Banker der Welt stehe und falle mit der Aussage der einzigen Zeugin. Das 25-seitige Dokument der Anklagebehörde war auf der Internetseite der New Yorker Justiz veröffentlicht worden.
In Frankreich wartet eine weitere Klage
In Frankreich wartet eine weitere Anklage wegen angeblicher sexueller Gewalt auf Strauss-Kahn. Eine junge Autorin wirft ihm vor, 2003 in einer Pariser Wohnung über sie hergefallen zu sein. Nach Ansicht von Experten könnte das Verfahren wegen fehlender Beweise allerdings ebenfalls eingestellt werden.
Der 62-Jährige war am 14. Mai kurz vor seinem Abflug nach Paris in New York festgenommen worden. Über seine künftigen Pläne wurde spekuliert: Er könnte nach Frankreich zurückfliegen. Der Zug für eine Präsidentschaftskandidatur Strauss-Kahns gilt zwar als bereits abgefahren. Ex-Kulturminister Jack Lang mutmaßte aber, dass Strauss-Kahns Stimme künftig dennoch Gewicht haben werde.
Parteifreunde von Strauss-Kahn äußerten sich überwiegend positiv über die Gerichtsentscheidung in New York. "Das ist für mich eine riesige Erleichterung. Ich freue mich für Dominique Strauss-Kahn und Anne Sinclair", sagte Sozialisten-Chefin Martine Aubry. Möglicherweise kehrt der 62-Jährige an seine frühere Wirkungsstätte Washington zurück, wo der IWF sitzt. Auf dem IWF-Chefsessel hat inzwischen die Französin Christine Lagarde Platz genommen.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa/rts