Extremes Wetterereignis in Kiel "Tornados gehören bei uns zum Repertoire"
30.09.2021, 08:49 Uhr
Tornados entstehen bei großen Temperaturunterschieden und treten häufig zusammen mit Gewittern auf.
(Foto: dpa)
Am frühen Mittwochabend zieht ein Tornado über Kiel. Menschen werden ins Wasser gespült oder von Gegenständen getroffen. Es gibt mehrere Verletzte. Anders als vielleicht vermutet, sind Tornados in unseren Breiten jedoch nichts Ungewöhnliches, wie ntv-Meteorologe Björn Alexander erklärt.
ntv: Wie viele solcher Tornados wie in Kiel gibt es bei uns in Deutschland?
Björn Alexander: Tornados gehören bei uns genauso, wie beispielsweise in den USA, zum normalen Repertoire der Wetterküche. Allerdings sind sie in der Regel weniger stark und weniger häufig als in den USA. Nichtsdestotrotz gibt es auch in Deutschland Jahre, die mehr als 400 Tornados beziehungsweise Tornado-Verdachtsfälle gebracht haben. Zum Beispiel im Jahr 2016.
Wie entsteht ein Tornado?
Zutaten sind einerseits große Gewitterwolken, die ja auch immer für Aufwinde sorgen. Gleichzeitig braucht es aber auch noch die sogenannte Scherung. Das bedeutet, dass der Wind in unterschiedlichen Höhen unterschiedlich stark weht, oder dass er sich mit zunehmender Höhe in der Richtung ändert. Dann kann sich eine rotierende Windwalze bilden. Diese rotierenden Windkörper drehen sich zunächst einmal in horizontaler Richtung. Bildet sich nun in diesem Umfeld eine Gewitterzelle, dann kann sich der Rotationskörper aufrichten.
Woran kann der Laie erkennen, dass sich in einer Unwetterfront über ihm gerade ein Tornado zusammenbraut?
Eine Vorstufe des Tornados, den man an der Unterseite von Gewitterwolken sehen kann, und der sich wie ein Trichter nach unten richtet, ist die sogenannte Funnelcloud. Erst wenn dieser Trichter bis zum Boden reicht, dann ist tatsächlich ein Tornado entstanden. Im Raum Kiel kamen am Mittwochabend all diese Zutaten für einen Tornado zusammen: Eine sehr dynamische Strömung gepaart mit teils kräftigen Gewittern.
Wie stark war der Tornado in Kiel?
Das muss tatsächlich in der Analyse vor Ort geklärt werden. Nach den Bildern vermutlich ein F1-Tornado. Also ein schwächerer Tornado, denn in der zugrunde liegenden Fujita-Skala liegen die heftigsten Wirbelstürme im Bereich F5. Nichtsdestotrotz erreichen die Winde bei einem F1-Tornado bis zu 180 km/h.
Wie wird das gemessen?
Die Stärke eines Tornados lässt sich in der Regel nur nachträglich anhand der Schäden am Boden ermitteln. Für eine erste Schätzung gibt es dabei klare Anhaltspunkte: Wenn etwa ganze Dächer - und nicht nur die Dachziegel - fehlen, dann deutet das zum Beispiel auf einen F2-Tornado mit Windgeschwindigkeiten von 200 km/h oder mehr hin. Werden auch Hauswände ganz oder teilweise mitgerissen - wie etwa im Fall des Tornado-Ereignisses von Micheln im Jahr 2004 -, dann dürfte die Spitzengeschwindigkeit im Inneren des Tornados 250 km/h oder mehr betragen haben. Auf der international gebräuchlichen Fujita-Skala wäre das dann schon die Kategorie F3.
Wie stark können Tornados werden?
In den USA - wo bei bestimmten Wetterlagen besonders ungünstige Bedingungen herrschen - erreichen die stärksten Tornados im Inneren Windgeschwindigkeiten von 500 bis 600 km/h. Derartig heftige Tornados sind meines Wissens nach hierzulande aber noch nicht beobachtet worden. Aber in der Größenordnung von 200 bis 400 km/h können Tornados auf jeden Fall auch in Deutschland auftreten. Der bislang jüngste Tornado aus dieser Kategorie ereignete sich im Mai 2015 in Bützow.
Quelle: ntv.de