Abschied von Sewol-OpfernTrauernde brechen reihenweise zusammen

Der Untergang der "Sewol" vor Südkorea ist zu einem nationalen Trauma geworden. Selbst Nordkorea kondoliert. Bei der Trauerfeier in einem Stadion kollabieren Überlebende und Angehörige. Die Sorge ist groß, dass viele von ihnen sich umbringen könnten.
Sie weinen, manche fallen fast in Ohmacht, andere schwanken zwischen Trauer und hilfloser Wut. Eine Woche nach dem Untergang der südkoreanischen Fähre "Sewol" haben tausende Menschen in einem zur provisorischen Gedenkstätte umfunktionierten Sportstadion von Ansan um die mehr als 300 Opfer getrauert. Das Stadion ist nur wenige Meter von der Mittelschule entfernt, aus der die meisten der 150 Toten und 152 Vermissten stammten.
Eine gesamte Seite des überdachten Stadions wurde zu einem riesigen Altar aus weißen, gelben und grünen Chrysanthemen umgestaltet, zwischen denen Bilderrahmen mit Fotos und Namen der bereits gefundenen und bestatteten Schüler standen. Trauernde legten unter den Fotos weitere Blumen nieder.
Sorge um psychisch labile Hinterbliebene
Unter den Trauernden waren auch viele Schüler der Danwon High School. Einige brachen zusammen und mussten aus dem Stadion gebracht werden. Ein Vater berichtete Reportern, dass sich die Überlebenden "wie Sünder fühlen". Sie könnten sich nicht freuen, überlebt zu haben, sondern hätten gegenüber ihren toten Kameraden Schuldgefühle. Einer der Überlebenden, der stellvertretende Schulleiter, erhängte sich nach seiner Rettung, weil er dieses Gefühl nicht mehr ertrug.
Für die Angehörigen der Opfer ist die Tragödie kaum zu verarbeiten. Die Gefahr sei groß, dass einige psychologischen Beistand ablehnen würden und sich stattdessen umbringen könnten, warnte der Psychiater Ha Jung Mi: Viele Südkoreaner halten psychologische Hilfe für ein Zeichen der Schwäche - gleichzeitig weist das Land eine der höchsten Selbstmordraten weltweit auf.
Taucher berichten grausige Details
Das Unglück traumatisiert nicht nur Südkorea. Selbst das verfeindete Nordkorea ließ über das Rote Kreuz sein Beileid mitteilen. Die Taucher, die die Leichen aus der gesunkenen Fähre bergen müssen, sind ebenfalls gefährdet, an dem psychischen Druck zu zerbrechen. Selbst erfahrene und hartgesottene Bergungshelfer stoßen hier an ihre Grenzen. Im kalten, dunklen Wasser beträgt die Sicht nur wenige Zentimeter. Unter diesen Bedingungen berühren die Männer die Toten, bevor sie sie sehen können.
Einer der Taucher berichtete der Nachrichtenagentur Reuters: "Wir müssen alles ertasten. Das ist der zermürbendste und herzzerreißendste Job, den ich jemals hatte." Es sei schwer, die Fassung zu wahren, wenn man im dunklen Wasser gegen Leichen stoße. Rund 150 leblose Körper befinden sich wohl immer noch unter Wasser. Medien berichten, dass die meisten der Opfer gebrochene Finger haben - wohl eine Folge ihrer verzweifelten Versuche, noch im Todeskampf aus dem sinkenden Schiff zu entkommen.
Ermittlungen gegen Crew und Reederei
Die Umstände des Unglücks sind noch nicht aufgeklärt. Sieben Crewmitglieder wurden verhaftet, darunter der Kapitän. Sie sollen die Evakuierung verzögert und die Passagiere im Stich gelassen haben, weil sie frühzeitig das Schiff verließen. Zwei weitere Besatzungsmitglieder sind in Polizeigewahrsam, aber bisher noch nicht angeklagt. Neben groben Fehlern von Kapitän und Besatzung könnten auch technische Mängel für das Unglück mitverantwortlich sein.
Daneben wird nun auch gegen den Eigentümer der Reederei ermittelt. Gegen ihn und das Management besteht unter anderem wegen der Verdachts der Steuerhinterziehung und Untreue.