Umfangreich vorbereitet IT-Experten: Bahn-Sabotage war möglicherweise Testlauf
13.10.2022, 10:26 Uhr (aktualisiert)Nach der folgenreichen Sabotage des Bahnverkehrs am Samstagmorgen liegt noch immer kein Bekennerschreiben vor. Das spricht gegen Linksextremisten als Täter. Die Ermittlungen laufen derweil in alle Richtungen, auch in die von staatlichen Akteuren. Sicherheitsexperten halten es für denkbar, dass die Aktion nur ein Testlauf war.
IT-Sicherheitsexperten zufolge könnte es sich bei der gezielten Sabotage am Kabelnetzwerk der Deutschen Bahn um einen Test gehandelt haben. "Es könnte nur ein Testdurchlauf gewesen sein, um die Auswirkungen einer solchen Sabotage zu sehen", sagte Michael Wiesner, Sprecher des Expertengremiums Arbeitsgruppe Kritische Infrastrukturen (AG Kritis) den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Die zwei in Berlin und Herne durchtrennten Kabel zeigten, "dass es sich um koordiniertes Vorgehen handelt", so der AG-Kritis-Sprecher und IT-Sicherheitsberater. Die Täter hätten Informationen über die Trassenführung, das GSM-R-System sowie die Folgen eines Ausfalls gehabt. "Dies lässt auf jeden Fall auf ein hohes Maß an krimineller Energie und umfangreiche Vorbereitung schließen", sagte Wiesner weiter.
Neben einem möglichen Testlauf sei auch ein Zusammenhang mit der mutmaßlichen Sabotage an den Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 oder mit der Zerstörung der Krim-Brücke denkbar, sagte Wiesner. Ebenso könnte der Zeitpunkt explizit gewählt worden sein, etwa aufgrund von Großveranstaltungen wie der AfD-Demonstration in Berlin oder den Bundesliga-Fußballspielen am Wochenende.
In diesem Jahr registrierte die AG Kritis vermehrt Cyberangriffe, etwa auf den Energiesektor. "Seit dem Ukraine-Krieg wird zudem immer deutlicher, dass bei kriegerischen Auseinandersetzungen vermehrt auf eine 'hybride Kriegsführung', also traditionelle Operationen, die durch Cyberangriffe begleitet und unterstützt werden, gesetzt wird", sagte Wiesner.
Kein Bekennerschreiben
Die gezielte Sabotage bei der Deutschen Bahn hatte am Samstagmorgen den Zugverkehr in weiten Teilen Norddeutschlands lahmgelegt. Die Bahn stellte nahezu den gesamten Zugverkehr in Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein für rund drei Stunden ein. In Berlin hat inzwischen der Staatsschutz beim Landeskriminalamt (LKA) die Ermittlungen übernommen. Die "Bild"-Zeitung berichtete am Sonntag, das Bundeskriminalamt (BKA) halte in einer internen Einschätzung staatliche Sabotage für denkbar. BKA und Bundesinnenministerium kommentierten den Bericht auf Nachfrage nicht. Dass bislang kein Bekennerschreiben bekannt wurde, spricht gegen Täter aus der linksextremistischen Szene, die in der Vergangenheit Anschläge gegen die Bahn für sich reklamiert hatten.
Der Experte für Terrorismus und Geopolitik Peter Neumann hält einen Angriff Russlands auf die kritische Infrastruktur in Deutschland für möglich. "Russland hat schon ein Interesse daran, in Europa Panik zu verursachen und zu signalisieren, dass es ganz heftig das Leben lahmlegen kann", sagte der Wissenschaftler RTL. Es benötige erhebliches Wissen, um diese Knotenpunkte anzugreifen. Allerdings gebe es natürlich keine eindeutigen Beweise. "Momentan ist es noch eine Theorie."
(Dieser Artikel wurde am Montag, 10. Oktober 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, ino/AFP/dpa