Panorama

Brand in Tübingen vor einem JahrWo böllern jetzt verboten ist

28.12.2009, 08:23 Uhr

Zwischen Fachwerk- und Reethäusern darf, um Brände zu verhindern, nicht mehr gezündelt werden. Böllerfreunde müssen ausweichen. Doch wer soll das kontrollieren?

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(Foto: picture alliance / dpa)

Der Brand in der Tübinger Altstadt am vergangenen Silvester richtete einen Millionenschaden an. Eine Feuerwerksrakete hatte sich in den Giebel eines alten Fachwerkhauses gebohrt und den Dachstuhl entzündet. Nur ein Großaufgebot der Feuerwehr konnte verhindern, dass das Feuer in den verwinkelten Gassen von Dach zu Dach sprang und ein Inferno auslöste. Aus diesem Anlass erließ der Gesetzgeber inzwischen bundesweit ein Feuerwerksverbot "in unmittelbarer Nähe von Reet- und Fachwerkhäusern" - und löste damit in vielen Kommunen Zustimmung, aber auch Kopfschütteln aus.

"Das ist eine pyrotechnische Angelegenheit. Wer soll die überwachen? Unsere zwei Gemeinde-Sheriffs etwa? Die Polizei hat ja in der Nacht alle Hände voll zu tun", zweifelt Franz Csiky, Sprecher der an Fachwerkhäusern reichen Gemeinde Bretten im Kraichgau an dem Verbot. Jens Lauer von der Landespolizeidirektion Stuttgart stimmt zu: "Wir können nicht vor jedes Fachwerkhaus einen Polizisten stellen." Allenfalls belehrende Gespräche könne er sich vorstellen - "wenn was auffällt". Und auch in Esslingen am Neckar ist Polizeisprecher Fritz Mehl skeptisch, wie die zusätzliche Aufgabe gelöst werden soll: "An Silvester sind wir ohnehin mit Mann und Maus im Einsatz."

Ein Appell soll helfen

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Blick auf die nördliche Altstadt der Universitätsstadt Tübingen. (Foto: picture-alliance/ dpa)

In der Universitätsstadt Tübingen macht unterdessen Oberbürgermeister Boris Palmer vor, wie er den Himmel über der Altstadt in der Silvesternacht dunkel halten will: mit pfiffigen Verbotsschildern, viel Öffentlichkeitsarbeit und einen Appell an den Gemeinsinn der Bürger. Sie sollen sich "gegenseitig über das Verbot informieren" und in der Silvesternacht jene ansprechen, die "vielleicht aus Unwissenheit" in der Altstadt Feuer an Lunten legen wollen. Zudem wird massiv kontrolliert und mit empfindlichen Geldbußen gedroht.

Im hessischen Hannoversch Münden, wo vor einem Jahr ebenfalls ein Fachwerkhaus brannte, müssen die Lunten diesmal im Umkreis von 200 Metern um diese Gebäude kalt bleiben. Damit sich der Himmel und die Stimmung der Bürger zum Jahreswechsel gleichwohl aufhellen, ermöglicht die Stadt zumindest ein gemeinsames Zündeln und Böllern der Bürger auf zwei geräumten großen Parkplätzen.

Auf Amrum und in Goslar bleibt's dunkel

Ähnliche Verbote und Ausweichstellen gibt es auch im hohen Norden der Republik, wo stroh- und reetgedeckte Häuser besonders brandempfindlich sind. Während beispielsweise die Gemeinden Sylt und St. Peter-Ording immerhin noch selbst ein Feuerwerk organisieren, bleibt der Himmel über Amrum gänzlich dunkel. Im niedersächsischen Goslar, dessen Altstadt den Weltkulturerbestatus trägt, wird zwar auf einem Platz groß gefeiert - allerdings ohne Feuerwerk. "An Silvester bleibt die Lunte kalt", heißt es dort.

Die bundesweite Verbotsregelung ist den Feuerwerks-Händlern ein Graus, freut aber unzählige Hundebesitzer: Selbst sonst sehr draufgängerische Vierbeiner werden jedes Jahr an Silvester zu einem zitternden Häufchen Elend, das sich unter Sofa oder Ehebett versteckt. Auf der Internetseite www.hallohund.de wurde für besorgte Hundehalter denn auch schon "erschnüffelt", welche Kommunen sich für einen Kurzurlaub eignen, um mit den "Lieben auf zwei und vier Beinen" ein ruhiges Silvester zu feiern.

Quelle: Jürgen Oeder, AFP