Politik

"Granaten prasseln wie Regen nieder" Aleppo liegt in Schutt und Asche

Das Satellitenfoto von Amnesty International dokumentiert die Zerstörungen und den Einsatz schwerer Waffen in Aleppo.

Das Satellitenfoto von Amnesty International dokumentiert die Zerstörungen und den Einsatz schwerer Waffen in Aleppo.

(Foto: dpa)

Mit Militärjets und Panzern startet das syrische Militär eine neue Großoffensive in der Millionenstadt Aleppo. Der Ausgang der Schlacht könnte entscheidend sein für den weiteren Verlauf des Konflikts. Amnesty International dokumentiert das Vorgehen der syrischen Truppen. Grünen-Chefin Roth befürchtet, dass es zu einer Ethnisierung in der Region kommt.

Einschlag einer Mörsergranate in Stadtteil Anadan von Aleppo.

Einschlag einer Mörsergranate in Stadtteil Anadan von Aleppo.

(Foto: REUTERS)

In der seit Wochen umkämpften syrischen Stadt Aleppo haben die Truppen von Machthaber Baschar al-Assad eine neue und möglicherweise entscheidende Großoffensive gestartet. "Die Entscheidungsschlacht um Aleppo hat begonnen", sagte Abu Omar al-Halebi, ein Kommandeur der Aufständischen, der Deutschen Presse-Agentur am Telefon. Mindestens 24 Menschen starben nach Angaben der Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter binnen weniger Stunden, darunter Frauen und Kinder.

Das syrische Staatsfernsehen berichtete, die Armee habe den Angriff begonnen, um die "Terroristen" zu vernichten, die die Einwohner von Aleppo einschüchterten. Die Truppen hätten bedeutende Geländegewinne gemacht und das strategisch wichtige Viertel Salaheddin unter ihre Kontrolle gebracht, was die Aufständischen umgehend dementierten. "Dutzende Terroristen wurden getötet, andere festgenommen", meldete die Staatsagentur Sana.

Nach Angaben von Aktivisten in Aleppo prasselten Granaten wie Regen auf Gebiete unter der Kontrolle der Aufständischen. "Jede Minute schlagen Dutzende Granaten ein und das grollende Geräusch der Panzer hallt durch die ganze Stadt", sagte ein syrischer Aktivist der dpa. Die Regimetruppen hatten in den vergangenen Tagen eine Vielzahl von Soldaten vor Aleppo zusammengezogen und zusätzliche Artilleriewaffen in Stellung gebracht.

Jugendliche betrachten die Zerstörungen in Aleppo.

Jugendliche betrachten die Zerstörungen in Aleppo.

(Foto: AP)

Rami Abdel Rahman von den syrischen Menschenrechtsbeobachtern sagte der dpa: "Das Regime attackiert den Bezirk Salaheddin aus vier Richtungen." Der Stadtteil ist das südwestliche Eingangstor zu den von den Rebellen kontrollierten Gebieten. Bereits in der Nacht zum Mittwoch hatten die Rebellen vier Angriffe des syrischen Militärs auf den Bezirk Salaheddin abgewehrt, wie es hieß. Die Kämpfe um Aleppo, Syriens Geschäfts- und Handelsmetropole, dauern seit fast drei Wochen an.

Granaten hinterlassen hunderte Einschlagkrater

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte den Einsatz schwerer Waffen in den Wohngebieten von Aleppo. Die Organisation veröffentlichte Satellitenbilder aus der nordsyrischen Metropole, die 600 Einschlagkrater zeigen, die von schwerkalibrigen Artilleriegranaten stammen. Amnesty werde auch künftig alle Angriffe auf die Bevölkerung genauestens dokumentieren, sagte der Amnesty-Experte Christoph Koettl. "So können die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden."

Roth befürchtet Ethnisierung

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth, die am Mittwoch ein Flüchtlingslager in der türkischen Grenzprovinz Hatay besuchte, warnte vor einer weiteren Verschärfung des Syrienkonflikts entlang religiöser Linien. Es sei ganz offensichtlich, dass der Konflikt auf dem Weg zu einem Stellvertreterkrieg sei. "Es droht, dass es zu einer Ethnisierung kommt, zu einer Eskalation entlang der Religionen", warnte Roth.

Der Clan von Präsident Assad und die Spitzen des Regimes gehören der schiitischen Richtung der Alawiten an, die meisten Aufständischen sind Sunniten.

Roth forderte zugleich mehr internationale Hilfe für syrische Flüchtlinge. Nach Angaben syrischer Aktivisten sind inzwischen etwa 250.000 Syrer ins Ausland geflüchtet, etwa eine Million Menschen seien Binnenvertriebene des Bürgerkrieges. In der Türkei haben derzeit knapp 50.000 Menschen Unterschlupf gefunden.

Der UN-Sicherheitsrat soll sich Ende des Monats erneut in einer Sondersitzung mit der Eskalation der Lage in Syrien befassen. Als Termin für das Treffen auf Ebene der Außenminister nannte die französische Regierung am Mittwoch den 30. August.

Russischer General doch nicht getötet

Das russische Verteidigungsministerium in Moskau wies Angaben syrischer Rebellen als "offene Lüge" zurück, sie hätten einen russischen General getötet. Generalmajor Wladimir Kuschejew sei zwar in Syrien gewesen, aber mittlerweile nach Moskau zurückgekehrt. Wie zum Beweis traf sich Kuschejew der Agentur Interfax zufolge am Mittwoch im Verteidigungsministerium mit russischen Journalisten. "Ich bestätige, dass ich lebe und gesund bin", sagte Kuschejew.

Russland ist Syriens wichtigster Waffenlieferant und hat zusammen mit China bislang jede Resolution des Weltsicherheitsrats gegen das Assad-Regime verhindert.

Entführte Iraner wohl Revolutionsgarden

Der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi räumte ein, dass einige der in Syrien entführten Iraner pensionierte Revolutionsgarden seien. "Auf der Liste der Pilger waren auch pensionierte Beamte aus verschiedenen Ministerien, darunter auch der Revolutionsgarden und der Armee", sagte Salehi der iranischen Nachrichtenagentur ISNA. Der Iran, ein enger Verbündeter des Assad-Regimes, hatte zunächst vehement dementiert, dass die Pilger Revolutionsgarden seien.

Das iranische Außenministerium plant für diesen Donnerstag ein Treffen in Teheran über die Lage in Syrien. Vizeaußenminister Hussein-Amir Abdollahian sagte, mehrere Außenminister der Region und auch von außerhalb würden an den Beratungen teilnehmen.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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