Politik

"Niemand will Angriffe wie in Libyen" Annan setzt auf Diplomatie

Kofi Annan trifft den Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi. Nach seinem Kairo-Besuch will der Syrien-Sondergesandte nach Damaskus reisen.

Kofi Annan trifft den Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi. Nach seinem Kairo-Besuch will der Syrien-Sondergesandte nach Damaskus reisen.

(Foto: REUTERS)

Während im syrischen Regime erste Zersetzungserscheinungen offenbar werden, ist sich die internationale Gemeinschaft nicht einig, wie sie sich verhalten will. Der UN-Sondergesandte Annan und die Arabische Liga sind gegen militärische Mittel. US-Präsident Obama prüft derweil genau diese.

Der Syrien-Sondergesandte der Vereinten Nationen, Kofi Annan, hat sich gegen ein militärisches Eingreifen in Syrien ausgesprochen. Nach Ansicht Annans kann eine Lösung für die Krise nur aus dem Land selbst kommen. Bei seinem Besuch in Kairo sagte er: "Wir müssen aufpassen, dass wir keine Medizin verabreichen, die schädlicher ist als die Krankheit." Man müsse in der Region nicht weit gehen, um zu wissen, wovon er spreche, sagte der frühere UN-Generalsekretär, ohne die US-Intervention 2003 im Irak beim Namen zu nennen.

Nach der Stürmung durch die Armee vergangene Woche wird die völlig zerstörte Stadt Homs aufgeräumt.

Nach der Stürmung durch die Armee vergangene Woche wird die völlig zerstörte Stadt Homs aufgeräumt.

(Foto: dpa)

Annan traf in Kairo den Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi. Der oberste Vertreter der arabischen Staatengemeinschaft sagte, dass niemand wieder Nato-Luftangriffe wie in Libyen wolle. Selbst die syrische Opposition sei in dieser Frage uneins. Auch der ägyptische Außenminister Mohammed Amr empfing Annan. In Syrien müsse ein Dialog zwischen der Regierung und verschiedenen Akteuren stattfinden, forderte der ägyptische Chefdiplomat. Auch Tunesien und die Türkei sind offenbar gegen eine Einmischung des Auslands in Syrien.

Syrische Opposition rügt Annan

Annan kündigte nach seinen Gesprächen in Kairo an, er werde sich bei seinem Aufenthalt in Damaskus am Samstag für eine politische Lösung der Krise einsetzen. Dies stieß umgehend auf Kritik bei Teilen der syrischen Opposition. Derartige Forderung verschafften Assad nur mehr Zeit, weiter gewaltsam gegen die Regierungsgegner vorzugehen, kritisierten Aktivisten. "Wir lehnen einen Dialog ab, solange Panzer unsere Städte angreifen, Scharfschützen auf unsere Frauen und Kinder schießen und das Regime viele Menschen von der Außenwelt abschneidet", wird ein Oppositioneller in der Stadt Homs zitiert.

Aktivisten berichteten über weitere Massaker in Homs. Mindestens 42 Menschen seien innerhalb eines Tages im Viertel Baba Amr ermordet worden. Unter den Toten seien fünf komplette Familien. Diese seien entweder ausgelöscht worden, weil ein Familienmitglied zu den Aktivisten gehörte oder weil sie sich geweigert hätten, im Staatsfernsehen falsche Aussagen über die Revolutionäre zu machen.

Die Uno-Nothilfebeautragte Valerie Amos durfte inzwischen Homs besichtigen.

Die Uno-Nothilfebeautragte Valerie Amos durfte inzwischen Homs besichtigen.

(Foto: dpa)

Die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos konnte sich inzwischen selbst ein Bild von der Lage in Homs machen. Für eine Stunde gewährte ihr die syrische Führung Zugang nach Baba Amr. Amos' Sprecherin sagte anschließend, die Gebiete, die sie dort gesehen habe, seien komplett zerstört gewesen. Ein persönliches Gespräch zwischen Staatspräsident Assad und Amos wird es nicht geben, hieß es aus der Delegation der Diplomatin. Amos will aber in Gesprächen mit Ministern auf Zugang für Hilfsorganisationen nach Syrien drängen.

Erste Zersetzungserscheinungen

Angewidert von der Brutalität des Regimes wenden sich in Syrien inzwischen auch Regierungsmitglieder von Präsident Baschar al-Assad ab. Auf der Internet-Plattform Youtube tauchte ein Video auf, in dem der Vize-Ölminister Abdo Hossam al-Din seine Unterstützung für den Aufstand gegen das Regime erklärt. Er ist der bisher ranghöchste syrische Funktionär, der Assad öffentlich die Gefolgschaft aufgekündigt hat.

Anfang Januar hatte sich bereits ein Finanzkontrolleur der Regierung nach Kairo abgesetzt und von dort seine Unterstützung für die Revolution bekundet.

Abdo Hossam al-Din ist das bisher ranghöchste Regierungsmitglied, das Assad den Rücken kehrt.

Abdo Hossam al-Din ist das bisher ranghöchste Regierungsmitglied, das Assad den Rücken kehrt.

(Foto: dpa)

Hossam al-Din, dessen Rang in etwa dem eines deutschen Staatssekretärs entspricht, sagt in dem Video, er wolle seine mehr als 30-jährige Karriere im Staatsdienst nicht damit beenden, dass er die Verbrechen dieses Regimes billige. Er wisse, dass sein Haus nun vermutlich angezündet werde. Seine Familie müsse mit Verfolgung rechnen und man werde Lügen über ihn verbreiten. Trotzdem habe er nicht länger schweigen können. Der ehemalige Spitzenfunktionär erklärte gleichzeitig seinen Rücktritt aus der regierenden Baath-Partei. Wo er sich zurzeit aufhält ist nicht bekannt. Am Ende seiner Botschaft appelliert er an seine früheren Kollegen im Ministerium und in der Regierung, seinem Beispiel zu folgen. Er sagt: "Verlasst dieses sinkende Schiff!"

In den vergangenen Tagen sollen sich nach Angaben von Aktivisten mehrere hochrangige Offiziere der syrischen Armee nach Jordanien abgesetzt haben. Aus der Region Asas nahe der türkischen Grenze wurden Angriffe von Deserteuren auf zwei Stützpunkte der Sicherheitskräfte gemeldet.

Obama prüft doch militärische Optionen

Angesichts der Gewalt in Syrien lässt US-Präsident Barack Obama inzwischen doch militärische Optionen prüfen. Zunächst hatte sich Obama gegen ein militärisches Eingreifen ausgesprochen. Zu den geprüften Optionen zählen nach Angaben von Militärs humanitäre Missionen, Überwachung der Seewege, Flugverbotszonen und begrenzte Luftschläge. Eine Detailplanung gebe es aber noch nicht. Die verschiedenen Möglichkeiten hat das US-Militär noch nicht mit Obama direkt diskutiert, sondern mit dessen Sicherheitsberatern.

Obama fürchtet offenbar, dass ihn Nichtstun oder allzu langes Zögern im Syrienkonflikt im bevorstehenden Präsidentenwahlkampf in Erklärungsnot bringen könnte. So forderte der prominente Senator John McCain Luftschläge gegen die Truppen von Machthaber Baschar al-Assad.

Quelle: ntv.de, nsc/dpa/AFP/rts

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