Politik

Einsatzkräfte beschossen? Berichte: Russen sollen Fluthilfe unterlassen

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Nach der Katastrophe laufen die Aufräumarbeiten.

Nach der Katastrophe laufen die Aufräumarbeiten.

(Foto: picture alliance / AA)

Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms ist die Lage in den Überflutungsgebieten noch immer unübersichtlich. Es mehren sich jedoch Berichte, dass die russischen Besatzer bei den Rettungsarbeiten keine Hilfe seien: Retter sollen beschossen werden, Ukrainer zurückgelassen.

Nach der durch eine Staudammexplosion hervorgerufenen Flutkatastrophe hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den russischen Truppen vorgeworfen, Helfer in der Region unter Beschuss zu nehmen. In einem Interview mit "Bild", "Welt" und "Politico" sagte er über die Bemühungen, Zivilisten zu evakuieren: "Sobald unsere Helfer versuchen, sie zu retten, werden sie beschossen." Es sei sehr schwierig, die Menschen aus dem besetzten Teil der Region Cherson herauszubringen. "Wenn unsere Kräfte versuchen, die Menschen rauszuholen, dann werden sie von den Besatzern aus der Entfernung beschossen."

In seiner täglichen Videoansprache am Mittwochabend kritisierte Selenskyj zudem internationale Hilfsorganisationen wegen ihrer angeblichen Passivität. "Jeder tote Mensch ist ein Urteil für die bestehende internationale Architektur, für internationale Organisationen, die vergessen haben, wie man Leben rettet", sagte er. Selenskyj machte keine Angaben, wie viele Ukrainer durch das Hochwasser ums Leben kamen. Mittlerweile gibt es Berichte über die ersten gemeldeten Toten. Nach russischen Angaben sollen in Nowa Kachowka, in der Nähe des Staudamms, fünf Menschen ums Leben gekommen.

Unterdessen berichtet auch "Kyiv Independent", dass die russischen Truppen die Evakuierungen torpedieren würden. Das ukrainische Medium hat mit Angehörigen von Familien aus den betroffenen Regionen gesprochen. Ein Mann, dessen Tante und Neffe in Oleschky festsitzen sollen, erzählte, dass viele dort "ohne Essen oder Wasser" auf den Dächern ausharrten. Sie würden rote Flaggen schwenken. Boote fuhren dabei, "aber niemand hat sie bisher mitgenommen". Oleschky liegt an dem von Russland kontrollierten südlichen Flussufer des Dnipro und war bereits kurz nach der Katastrophe vollständig überschwemmt.

Rettung nur mit russischem Pass?

In einer Sprachnachricht, die "Kyiv Independent" vorliegen soll, berichtete eine Frau, deren Eltern sich auch in Oleshky befänden. Auch sie erzählte, dass viele "Kinder, Alte und Menschen mit Behinderung" stundenlang auf den Dächern säßen. Sie berichtete weiter, dass die russischen Truppen Checkpoints errichteten, um zu verhindern, dass Anwohner fliehen könnten. Zudem sollen die Besatzer diejenigen, die keinen russischen Pass haben, daran hindern, die Gegend zu verlassen. Fluchtversuche seien auch durch die russischen Truppen verhindert worden sein.

Ähnliches berichtete indes ntv-Korrespondentin Nadja Kriewald. "Das, was wir an Berichten bekommen, muss wirklich katastrophal sein." Die Menschen retteten sich auf Dächern und warteten dort auf Boote, die sie abholen. 40.000 Menschen müssten insgesamt evakuiert werden. Besonders auf der russisch kontrollierten Seite sei schlimm, "dass es dort kaum noch Boote gibt und nur noch Menschen mit russischem Pass aus den Überflutungsgebieten rausgelassen werden". Die Ukrainer müssten dort bleiben und seien sich selbst überlassen. Auf Twitter berichteten weitere Journalisten, dass Ukrainerinnen und Ukrainer auf der russisch besetzten Seite zurückgelassen würden. Die "Washington Post" hat Kontakt zu Anwohnern des Flutgebiets auf der russische besetzten Seite aufgenommen. Auch sie berichten von chaotischen Zuständen und davon, dass die Besatzer keine Hilfe schickten.

Die Überschwemmungen durch die teilweise Zerstörung des Kachowka-Staudamms erstrecken sich mittlerweile nach ukrainischen Angaben auf eine Fläche von mehreren Hundert Quadratkilometern. "600 Quadratkilometer der Region Cherson stehen unter Wasser, davon 32 Prozent am rechten Ufer und 68 Prozent am linken", von Russland kontrollierten Ufer des Dnipro, erklärte der Gouverneur der Region Cherson, Oleksandr Prokudin.

UkraineÜberflutungen am Dnipro

Der Kachowka-Staudamm war in der Nacht zum Dienstag zerstört worden. Die Ukraine beschuldigt russische Truppen, das Wasserkraftwerk vermint und dann gesprengt zu haben. Dagegen behauptet Russland, der Staudamm sei durch ukrainischen Beschuss zerstört worden.

Experten halten es auch für möglich, dass der von Russland seit langem kontrollierte Staudamm schlecht gewartet und unter dem Druck der Wassermassen zerstört wurde. Diskutiert wird international die Möglichkeit einer Untersuchung zu den Hintergründen der Katastrophe. Russland hatte die Ukraine am 24. Februar 2022 überfallen und kurz danach weite Teile des Gebiets Cherson besetzt.

Quelle: ntv.de, ses/dpa/AFP

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen