Politik

Das Sprengstoff-Schiff auf Rügen Ein Besuch auf der Nord-Stream-Jacht

Mit diesem Schiff sollen sechs Personen auf die Ostsee gefahren sein, um die Nord-Stream-Pipelines zu sprengen - oder um eine falsche Spur zu legen?

Mit diesem Schiff sollen sechs Personen auf die Ostsee gefahren sein, um die Nord-Stream-Pipelines zu sprengen - oder um eine falsche Spur zu legen?

(Foto: RTL/ntv)

Im September wurden die beiden Pipelines Nord Stream 1 und 2 durch gezielte Sprengungen zerstört, jüngsten Berichten zufolge waren die Täter sechs Personen, die mit einer Jacht auf die Ostsee segelten: Das Schiff heißt "Andromeda", es liegt in einem Hafen auf Rügen.

Besser kann man eine 15 Meter lange und mit Mast 25 Meter hohe Segeljacht nicht verstecken. Kilometerlang führt eine Landstraße in den abgelegensten Teil der Ostseeinsel Rügen, doch plötzlich ist Schluss. Ein Tor versperrt den Weg auf einen stillgelegten Militärhafen, den einst die NVA, die Nationale Volksarmee der DDR, errichtet hat.

Für Urlauber und andere neugierige Besucher ist hier eigentlich kein Durchkommen. Doch ein Mitarbeiter der Charterfirma, der die "Andromeda" gehört, schließt das Tor auf. Früher prangte in der Mitte des Eisengerüsts das Wappen der NVA, heute ist hier ein Loch. Hinter uns wird erneut zugeschlossen. Wieder fahren wir lange über holprige Straßen, rechts sind Schützengräben zu sehen. Verlassene Lagerhallen stehen auf dem Gelände, alle sind verwuchert und verfallen. Die Natur holt sich den Ort Stück für Stück zurück.

Als die Ostsee zu sehen ist, endet die Straße. Durch Bäume und Sträucher kann man die "Andromeda" erkennen. Das Schiff, mit dem im September angeblich sechs Personen die Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines verübt haben, liegt auf dem Trockenen, aufgebockt auf roten Metallstützen, von denen der Lack abblättert.

Das BKA untersucht die Jacht drei Tage lang

Der alte Militärhafen dient der Charterfirma als Winterlager. Alle "großen Schiffe", so sagt ein Mitarbeiter, stehen im Winter hier. Die "Andromeda" ist eine Bavaria Cruiser 50, bis zu elf Personen können mit ihr segeln und darauf schlafen. Die Charterfirma hat viele baugleiche Schiffe, doch im Winterlager ist nur noch die mutmaßliche Sabotagejacht zu sehen.

Benannt wurde sie nach einer Figur aus der griechischen Mythologie. Und ähnlich wie die Gemahlin des Göttersohnes Perseus ist auch das Schiff in einen echten Krimi verstrickt, auch wenn es erhebliche Zweifel an der kürzlich von mehreren Medien veröffentlichten Geschichte gibt.

Auf der Betonfläche, wo die NVA früher ihre Militärboote lagerte und zu Wasser ließ, steht die "Andromeda" alleine. Der Grund dafür sind die Ermittlungen des Bundeskriminalamtes. Nach Informationen von RTL und ntv war das BKA im Januar drei Tage auf dem Schiff, um Spuren zu sichern. Dabei entdeckten sie wohl auch Sprengstoffrückstände auf dem Tisch im Inneren der Jacht. Dass die Spuren noch nachweisbar waren, liegt vermutlich daran, dass die Jacht nach der mutmaßlichen Sabotagefahrt nicht mehr vermietet wurde. Es gab keine Buchungsanfragen.

Auf diesem Tisch sollen die Ermittler Spuren von Sprengstoff gefunden haben.

Auf diesem Tisch sollen die Ermittler Spuren von Sprengstoff gefunden haben.

(Foto: RTL/ntv)

Zwei Tonnen Sprengstoff

Die beiden Pipelines Nord Stream 1 und 2 sollen mit vier Sprengsätzen mit bis zu 500 Kilo Sprengstoff zerstört worden sein. Um die Route nachvollziehen zu können, bauten die Ermittler die Navigationselektronik aus - inklusive GPS. Dies könnte entscheidende Hinweise liefern, die bislang nicht öffentlich bekannt sind. Größere Schiffe müssen über ein AIS-System verfügen, womit ihre Koordinaten nachvollzogen werden können. Allerdings gilt dies nicht für eine Bavaria Cruiser 50 mit 15 Metern Länge.

Da der "Andromeda" wichtige Elektronik fehlt, ist sie zur Untätigkeit verdammt. Fraglich, ob sie aber auch voll funktionsfähig im Wasser liegen würde. Hier im alten Militärhafen auf Rügen ist sie vor neugierigen Blicken gut versteckt. Anders wäre das, wenn sie im Hafen in Rostock ankern würde, von dem die sechs mutmaßlichen oder angeblichen Täter gestartet sein sollen.

Im Inneren bietet das Schiff zwar für den Neupreis von über 250.000 Euro wenig Komfort, dafür aber erstaunlich viel Platz. Sechs Kabinen gibt es, dazu vier Badezimmer und eine kleine Küche mit angrenzendem Tisch. Das Interieur ist komplett in Holz gehalten, die Betten und die Bänke am Tisch haben blaue Bezüge. Die "Andromeda" ist über zehn Jahre alt, der Inneneinrichtung sieht man das durchaus an.

Eine falsche Fährte?

Sollten die mutmaßlichen Täter wirklich mit ihr in Richtung der Pipelines aufgebrochen sein, wird ihnen die Inneneinrichtung herzlich egal gewesen sein. Schwieriger wird es allerdings, bis zu zwei Tonnen Sprengstoff, Verpflegung und Tauchausrüstung auf dem engen Schiff unterzubekommen. Immerhin von der Nutzlast könnte die "Andromeda" das alles transportieren.

Der Firma kam die Buchungsanfrage schon im September komisch vor. Gemietet wurde die Jacht für einen ganzen Monat. Im Sommer würde dies durchaus vorkommen - im Herbst jedoch nicht. Wer im windigen und nassen September ein Segelschiff für eine Fahrt auf der Ostsee mietet, macht das gewöhnlich nur für eine Woche, um eine besonders raue und herausfordernde See zu erleben.

Welche Rolle die "Andromeda" und ihre Crew bei der Sprengung der Pipeline gespielt haben, ist noch unklar. Denkbar wäre, dass mit dem Schiff eine falsche Fährte gelegt werden sollte. Fakt ist: Die 15-Meter-Jacht hat Geschichte geschrieben.

Quelle: ntv.de

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