Seehofer wartet mit Überraschung aufBetreuungsgeld erneut vertagt

Die Koalition verschiebt die Entscheidung über das umstrittene Betreuungsgeld. CSU-Chef Seehofer ändert derweil seine Meinung: Nun kann er sich doch vorstellen, die Auszahlung des Geldes mit der Pflicht zur Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen zu verknüpfen.
Die Koalition hat die Abstimmung im Bundestag über das umstrittene Betreuungsgeld erneut verschoben. Statt am 28. September soll das Parlament nach aktueller Planung nun am 18. Oktober entscheiden, verlautete aus Fraktionskreisen in Berlin. Zur Begründung hieß es, bis Ende September bleibe nicht mehr genügend Zeit für die Ausschussberatungen.
Der Beschluss zum Betreuungsgeld hatte sich bereits im Sommer verzögert, weil die erste Lesung im Juni zunächst wegen mangelnder Beschlussfähigkeit des Bundestags abgesagt werden musste. Damit scheiterte das Vorhaben der Koalitionsspitze, das Gesetz noch vor der Sommerpause zu beschließen.
Überraschung aus Jerusalem
Unterdessen hat CSU-Chef Horst Seehofer überraschend die Bereitschaft erklärt, die Pläne zu verändern und etwa eine Verknüpfung mit der Pflicht zur Teilnahme an den medizinischen Vorsorgeuntersuchungen zu akzeptieren.
In CDU und FDP gibt es scharfe Kritiker, die zum Teil mit Ablehnung des Betreuungsgeldes drohen. Bislang hatte die CSU sich unnachgiebig gezeigt und selbst kleinste Zugeständnisse abgelehnt, darunter beispielsweise die Bedingung, dass das Betreuungsgeld nur ausgezahlt wird, wenn Eltern alle Vorsorgeuntersuchungen für ihr Kind wahrnehmen.
Seehofer sagte am Rande eines Besuchs in Jerusalem, bei den Gesetzesänderungen müsse klipp und klar sein, dass das keine Zustimmungspflicht der Länder im Bundesrat auslöse. "Die Vorsorgeuntersuchung ist geeignet, nicht nur Misshandlung, sondern auch Unterernährung und Verwahrlosung von Kindern zu erkennen."
Allerdings werde die CSU neuerliche Versuche aus CDU und FDP, das Betreuungsgeld zu verhindern, nicht akzeptieren, betonte Seehofer. "Was wir nicht zur Diskussion stellen, ist die Substanz des Betreuungsgelds."
CSU auf Zickzack-Kurs
Ursprünglich wollte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) die Auszahlung des Betreuungsgeldes von der Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchen abhängig machen. Doch mit einem Veto verhinderte Seehofer zunächst, dass dies in den Gesetzentwurf der Koalition aufgenommen wurde. Im bayerischen Landeserziehungsgeldgesetz ist dagegen eine solche Koppelung ausdrücklich vorgesehen.
Die familienpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Caren Marks, sagte zu Seehofers Sinneswandel: "Bei diesem unsinnigen Gesetz helfen keine Verbesserungen. Das ganze Gesetz muss weg."
27 renommierte Wissenschaftler wandten sich in einem Aufruf in der "Zeit" gegen das geplante Gesetz. "Wir appellieren an die Bundeskanzlerin und die gesamte Bundesregierung, ihre erst vor wenigen Jahren eingeleitete moderne Familienpolitik nicht durch das Betreuungsgeld zu desavouieren", heißt es darin. Vor allem für Mütter mit kleinem Einkommen mache es die Koalition mit dem Betreuungsgeld attraktiver, nach der Geburt von Kindern nicht in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Gerade für solche Frauen sei aber eine "kontinuierliche Erwerbsbiografie besonders wichtig".
Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die Bildungssoziologin Jutta Allmendinger, die Familien- und Bildungsökonomin Katharina Spieß vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther.