Politik

US-Historiker Rothstein "Brauchen eine neue Bürgerrechtsbewegung"

Die Trennung der Bevölkerung in Stadtviertel sei bislang kein Thema gewesen. Das muss sich nach Ansicht des Historikers Rothstein ändern.

Die Trennung der Bevölkerung in Stadtviertel sei bislang kein Thema gewesen. Das muss sich nach Ansicht des Historikers Rothstein ändern.

(Foto: imago images/Shotshop)

Vor drei Jahren schrieb der Historiker Richard Rothstein ein Buch ("The Color of Law") über die Folgen der jahrzehntelangen gezielten Rassentrennung in den USA. Die Folgen - gerade die der Wohnsegregation - sind heute spürbarer als je zuvor. Ein Gespräch über Polizeigewalt, die Demokratische Partei und sozialen Wandel.

ntv: Herr Rothstein, woher rühren die Ausschreitungen in den USA und vor allem: Woher kommt diese Polizeigewalt?

Richard Rothstein: Die Polizei würde in diesem Land nicht wie eine Besatzungsmacht agieren, hätte es nicht über so viele Jahre eine Politik der Segregation und Rassentrennung gegeben, die dazu geführt hat, dass viele afroamerikanische Männer in ganz bestimmten Vierteln leben.

Wohnsegregation - das war über Jahrzehnte die gezielte Trennung von weißen und schwarzen Familien in Wohngegenden. Ist es überhaupt möglich, die Folgen dieser verheerenden politischen Entscheidungen zurückzudrehen?

Natürlich ist das möglich. Das ganze System beruht auf politischen Entscheidungen, es kann auch durch politische Entscheidungen wieder entkräftet werden. Allerdings gibt es derzeit einfach nicht die politische Unterstützung, um das Thema der Wohnsegregation anzugehen. Aber durch die jüngsten Demonstrationen, könnte eine Ära beginnen, in der wir uns ernsthafter mit dem Thema beschäftigen. An dem Punkt sind wir aber noch nicht angekommen.

Richard Rothstein arbeitet in der US-Denkfabrik Economic Policy Institute.

Richard Rothstein arbeitet in der US-Denkfabrik Economic Policy Institute.

Was tut eigentlich die Regierung unter Präsident Donald Trump, um jungen Afroamerikanerinnen und Afroamerikanern zu helfen?

Sozialer Wandel fängt nicht mit Regierungen an. Er beginnt mit einer Veränderung im politischen Bewusstsein. Was ich immer wieder sage, und ich wiederhole es gerne: Wir brauchen eine neue Bürgerrechtsbewegung, die diese Themen anspricht. In den Sechzigerjahren haben diese Bewegungen beispielsweise die Rassentrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln, Hotels und bei der Arbeit thematisiert. Aber wir haben damals nicht die Segregation in Stadtvierteln adressiert. Also brauchen wir eine neue Bewegung, die da weitermacht, wo die letzte aufgehört hat, um mit dieser Wohnsegregation fertig zu werden. Bis wir das tun, wird keine Regierung in der Lage sein, das Problem wirklich zu lösen.

Aber sollte genau das nicht ganz weit oben auf der Agenda der Demokraten stehen?

Viele Menschen erwarten, dass die Demokratische Partei das Problem angeht. Aber die Menschen vergessen oftmals, dass die Basis dieser Partei, die als progressiv gilt, aus weißen Vorstädtern besteht. Die können zwar bei ganz vielen Themen fortschrittlich sein, aber nicht dann, wenn es darum geht, ihre eigenen Kieze zu öffnen. Mit einer demokratischen Mehrheit ist dieses Problem also nicht erledigt, es sei denn, es geht einher mit einer Bewegung und einem anderen öffentlichen Bewusstsein.

Wie realistisch ist denn eine neue Bürgerrechtsbewegung solange Donald Trump US-Präsident ist?

Das wissen wir nicht. Ich bin nicht zuversichtlich, aber ich habe Hoffnung. Wir sind jedenfalls in einer besseren Position mit den Protesten, als ohne. Aber es wird nur dann oben auf der Agenda landen, wenn es mehr Menschen gibt, die bereit sind, mehr zu tun, als nur zu demonstrieren und sich wirklich überlegen, wie wir das Problem lösen können. Und wir können es lösen.

Was bedeuten die Unruhen und Proteste für die Wahl im November und Donald Trump?

(Lacht) Ich habe keine Ahnung. Das ist nicht mein Fachgebiet.

Aber es muss ja sicher einen Effekt auf das Wahlverhalten der Wählerinnen und Wähler haben, oder etwa nicht?

Afroamerikanerinnen und Afroamerikaner stimmen in der Regel nicht für die Republikaner, also wird es keinen großen Effekt auf die Wahl haben. Die Republikanische Partei gewinnt Wahlen - zumindest in den letzten Jahren - indem sie weiße Wähler mobilisiert.

Mit Richard Rothstein sprach Philipp Sandmann.

Quelle: ntv.de

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